Matsumoto – 松本

Matsumotoooooo ? Matsumotooooo : So schallt es aus den Bahnhofslautsprechern wenn man per Zug in Matsumoto eintrifft. Bei diesen fast gesungenen Ansagen fühlt man sich gleich sehr begrüsst. Andere Beispiele solcher Ortsansagen, die wir bereits kennengelernt haben, sind ‚Beppuuuuu, Beppuuuuu‘ (Beppu) und ‚Oiiita, Oiiita‘ (Oita). Auf Wunsch geben wir das gerne live wieder. 🙂

Matsuyama (Präfektur Ehime) und Matsumoto (Präfektur Nagano) liegen fast 800 km voneinander entfernt. Entsprechend lange war die Zugfahrt, knapp 8 Stunden, doch zweimal Umsteigen (Okayama, Nagoya) hat prima funktioniert, und auch unser Schwergepäck (Koffer & Birdy) haben wir in allen Zügen sehr gut unterbringen können. Von wegen, dass in Japan alles so klein ist. Einen Designerpreis gewinnen die Shinkansenzüge zwar nicht. Aber nirgends gibt es mehr Platz und Komfort als im Shinkansen! Da könnten DB und SBB noch allerhand abschauen.

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Matsumoto liegt inmitten eines sehr weiten Talkessels, umringt von den japanischen Alpen. Im Nordwesten, hinter den Bergen, liegt Nagano, wo 1998 die Olympischen Winterspiele stattgefunden haben. Richtung Süden, ebenfalls hinter einer Bergkette, liegt Nagoya.
Die Hoffnung, dass es in Matsumoto etwas kühler sein würde, trifft im Prinzip zu, nur nicht in diesem Jahr nicht. Wir haben etwa 2-3°C weniger als in Matsuyama, angenehme 33°C. In der Nacht kühlt es etwas mehr ab, so auf 26°C. Und es ist nicht so schwül wie z.B. im Suppentopf Nagoya. Da hat uns der Umstieg schon fast umgehauen. Na immerhin.

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Unser Hotel westlichen Stils (wir werden langsam wirklich bequem …) liegt ca. 5 Min. vom Bahnhof und hat alle Annehmlichkeiten eines japanischen Business-Hotels. Von unserem Zimmer im 10. Stock haben wir eine prima Aussicht auf die Berge.

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Die Stadt kam uns auf den ersten Blick sehr aufgeräumt und propper vor. Nicht, dass es in Matsuyama schmuddelig wäre, aber vielleicht geht es Matsumoto – oder der Präfektur Nagano – wirtschaftlich etwas besser als der Präfekturshauptstadt Ehimes. Es gibt ein viel grösseres kulturelles Angebot, interessante Architektur und sogar Ansätze von ‚Bächle‘ (Freiburger, aufgepasst!). Denn ein gerühmtes Gut der Präfektur ist das Wasser. Kein Wunder, es kommt frisch und kühl aus den Bergen, es fliesst in Mengen und hat eine sehr gute Qualität. So soll der Sake besser schmecken, die Soba-Nudeln (eine Spezialität hier) sowieso, und überall in der Stadt (jetzt alle Zürcher, aufgepasst!) gibt es öffentliche Quellen und Brunnen, an denen man Trinken und Abfüllen kann.

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Und da das die Einwohner kanisterweise tun, füllen wir ebenfalls fröhlich unsere PET-Flaschen auf. Endlich mal PET-Ersparnis! 😉

In der Stadt und im Umland gibt es einiges zu sehen, wir haben ein volles Programm. Die berühmteste Sehenswürdigkeit ist Matsumoto-jō, das noch original erhaltene Schloss.

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Eine Seltenheit in Japan, denn die Mehrzahl der vorhandenen Schlösser oder Burgen sind Rekonstruktionen. Daher ist die ‚Krähenburg‘, wie sie wegen ihrer schwarzen Farbe genannt wird, ein Teil des Nationalschatzes Japans. Bei der Besichtigung heisst es daher auch „Schuhe aus“. Man erhält einen Plastikbeutel, packt die Treter ein, und läuft dann strumpfsockig oder barfuss über die wunderschönen alten, glänzenden Zederndielen.

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Im Gegensatz zu Matsuyama liegt das Schloss nicht schwer erreichbar auf einem Hügel, sondern ist durch einen Burggraben geschützt. Von der obersten, sechsten Etage hat man dann auch einen hübschen Blick auf die Stadt.

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Man merkt deutlich, dass wieder mehr Touristen als in Matsuyama unterwegs sind, da man als Ausländer umgehend auf Englisch angesprochen wird. Auch wenn man auf Japanisch fragt oder antwortet, wird das häufig erst einmal überhört. Das ist etwas schade, aber nicht zu ändern. Wo viele Touristen (Amerikaner?) sind, ist das wohl zwangsweise der Fall. Wir sind schon gespannt, ob es in Takayama ähnlich sein wird, oder ob es hier wirklich nur am ‚Touristen-Phänomen‘ liegt.

Ein Ausflug führte uns auch ins privat geführte Ukiyo-e-Museum, das eine der grössten Sammlungen an alten japanischen Farbholzschnitten besitzt. Es war schon sehr speziell, unter vielen anderen Drucken alle ’36 Ansichten des Berges Fuji‘ von Hokusai komplett nacheinander aufgereiht zu sehen. Diese Ansicht hier dürfte wohl jede(r) kennen …

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Davon kann man auch jede Menge Reproduktionen kaufen. Fast hätte unser vor 4 Jahren gekaufter Nachdruck im Zürcher Flur noch einen Gesellen bekommen. Aber eben nur fast …

Dem Museum müsste allerdings dringend geraten werden, sein Marketing zu verbessern. Das Gebäude liegt etwas ausserhalb Matsumotos, sehr idyllisch inmitten von Reisfeldern und einigen Industriebauten.

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Thom und ich radelten 30 Minuten umher, um es zu finden, da es praktisch nicht ausgeschildert war. An einem Samstag Nachmittag bewegten sich grade mal 4 Personen in dem Museum, einem moderneren Bau aus den 80ern, der wohl viel zu klein geraten ist, denn die Drucke hängen an jeder verfügbaren freien Fläche, bis zum Vorraum der Toiletten. Es wirkte doch sehr verlassen und verschlafen, was irgendwie schade ist.

Da war das Matsumoto Museum of Modern Arts doch um einiges wacher. Ein interessantes Gebäude mit einer interessante Sammlung an Bildern von Künstlern aus Matsumoto. Berühmt ist vor allem Yayoi Kusama (草間 彌生) mit ihren gepunkteten Skulpturen.

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Gleich gegenüber befindet sich die Matsumoto Bunka Kaikan, eine grosse Veranstaltungshalle für darstellende Künste. Ein recht neues Gebäude mit interessanter Architektur. Die Kultur hat hier wirklich einen Stellenwert.

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Derzeit findet dort das Saito Kinen Musik-Festival statt. Wir haben leider keine Karten mehr dafür bekommen.

Bei unserer Velo-Erkundung stiessen wir auch noch auf eine grosse Zahl älterer, gut erhaltener traditioneller japanischer Häuser und Geschäfte, sehr fotogen und voll dem Japan-Klischee entsprechend.

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Die Spezialität Soba-Nudeln aus Buchweizenmehl, die ich ja bereits beschrieben habe, kann man hier in vielen spezialisierten Restaurants essen, allerdings vorwiegend über Mittag. Immerhin hatten wir am ersten Abend ein Riesenglück und landeten zufällig gleich in einem der besten Soba-Restaurants. Abends etwas Nicht-Europäisches zum Essen zu bekommen ist erstaunlich schwierig. Da kommt dann halt auch mal der örtliche Chinese zum Zug. 😉

Buchweizen, eine eher unscheinbare Pflanze mit kleinen weissen Blüten, wächst hier übrigens überall, eine nette Abwechslung zwischen den Reisfeldern.

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Der Unterschied in der Vegetation zwischen Matsuyama und Matsumoto ist übrigens beachtlich. Die fast drei Breitengrade, die wir nach Norden gereist sind, machen jede Menge aus. Die Gärten und Felder sind vielfältiger an Gewächsen, vermutlich, weil sie auch grosszügiger bewässert werden können. Im Nachbarort Shiojiri, einige Kilometer von Matsumoto entfernt, wird übrigens auch Wein hergestellt. Die Probierflasche steht schon im Kühlschrank. Mehr dazu in Kürze.

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