Schwarzwald-Velotour 2021: Wolfach – Schiltach – Schramberg – Schenkenzell – Alpirsbach – Lossburg – Glatt

02.09.21: Wolfach – Schiltach – Schramberg – Schenkenzell
KM: 41,50 km / Zeit:  2:59 h / km/h: 13.93  / Höhenmeter: 314 m

Endich Bilderbuchwetter heute, und es sollte noch die ganzen nächste Woche anhalten. Perfekt für unsere Tour! Auf dem schönen Kinzigtalradweg geht es fast unmerklich aber stetig flussaufwärts. An sich kein Problem, aber man merkt nun doch die Hänger, die sich plötzich etwas schwer anfühlen.
Bis Schiltach sind es gut 13 km. Vor Schiltach kommen wir am Gebäude der Fa. Grieshaber vorbei, der Firma, bei der mein Vater von 1963-1966 seine Lehre gemacht hat (damals war die Firma noch in Wolfach). Und wir stoppen auch kurz am alten Bahnhof, wo noch ein original alter Schienenbus besichtigt werden kann. Es war ein Highlight meiner Kindheit anno 1973/74, in Begleitung meiner Omi (mütterlicherseits) mit dem Zug fahren zu können! Denn mit meinen Eltern waren wir praktisch immer nur mit dem Auto unterwegs gewesen. Nach Schapbach gab’s keine Bahn, und meine Eltern fuhren auch sonst nie Zug.

Weiter flussaufwärts Richtung Schiltach

Fa. Grieshaber, Lehrbetrieb meines Vaters
Schiltach: Der alte Schienenbus

In Schiltach gibt es eine kleine Pause. Nach Besuch des Schüttesägemuseums kaufen wir spontan auf dem kleinen Markt ein Picknick und setzen uns ans Schiltach-Ufer, bevor wir den Abstecher nach Schramberg radeln. Den Radweg auf der stillgelegten Eisenbahnlinie kennen wir bereits von unserer Tour 2003. Leider scheint der Schwerverkehr (Holz, Güter etc.) auf der benachbarten Strasse (B462) seit damals zugenommen zu haben und ist sehr unschön. Zum Glück haben wir unsere eigene Velospur, aber der Radweg führt halt teilweise auch an der Strasse entlang.

Mittagspause in Schiltach
Auf dem Weg nach Schramberg

Unser Ziel in Schramberg ist die ehemalige Uhrenfabrik von Junghans, ein Industriegebäude von 1916-1918. Der wunderschöne, renovierte Terrassenbau (Architekt: Philipp Jakob Manz) beherbergt nun ein ebenfalls sehenswertes Uhrenmuseum (s. https://www.junghans-terrassenbau-museum.de/). Dieser Umweg (mit steilem Anstieg) hat sich absolut gelohnt.

Junghans-Areal

Knödelfresser-Uhr
Junghans-Areal

Zurück nach Schiltach rollt es dann angenehmerweise fast von selber, und von Schiltach fahren wir nun die restlichen 3 Kilometer nach Schenkenzell, wo wir für zwei Nächte Quartier im Hotel Waldblick beziehen. Schenkenzell ist der Heimatort meiner Familie müsserlicherseits, und der Familienname Schmider dort weit verbreitet. Meine Grosseltern wohnten in einem alten Dorfhaus aus dem 19. Jahrhundert, welches mein Urgrossvater ihnen überlassen hatte, und wo auch meine Mutter mit ihren Schwestern aufgewachsen war. Unsere junge Familie wohnte ebenfalls von 1969-1971 im Dorf.
Vom Hotelbalkon kann ich nun auf die Kirche sehen, in die mich meine Grosseltern immer zur sonntäglichen katholischen Messe mitgenommen haben.

Nach dem Abendessen im Hotel spazieren wir noch durchs Dorf am ehemaligen Wohnhaus unserer kleinen Familie vorbei (leider kein Foto) und natürlich dem alten Haus meiner Grosseltern, welches nach dem Tod meines Opas verkauft worden ist. Es ist für mich überraschend, wie wenig sich Schenkenzell – bis auf ein kleines Neubaugebiet verändert hat.

Schenkenburg von Schenkenzell
Schenkenzell: Kirche

03.09.21: Schenkenzell – Wittichen – Schiltach – Schenkenzell
KM: 18,20 km / Zeit: 1:11 h / km/h: 15.48  / Höhenmeter: 155 m

In Schenkenzell haben wir einen Ausflugstag eingeplant. Nach einem Besuch der Kirche und dem Grab meiner Grosseltern radeln wir – vorbei am ehemaligen Wohnhaus der Grosseltern – zum bekannten Kloster Wittichen, das in einem kleinen Nebental Kleinen Kinzig liegt.

Grab der Grosseltern

Schenkenzell: ehem. Gasthof Sonne
Schenkenzell: ehem. Haus der Familie

Natürlich war ich noch nie da gewesen, und auch meine Mutter nur mal bei einem Schulausflug (anno 1950?)…  Es zeigt sich mal wieder, dass unscheinbarere, regionale Besonderheiten wenig Wertschätzung zu geniessen scheinen…
Noch weiter oben im Kleinen Kinzig-Tal liegt der Stausee, den ich immerhin mal bei einem Besuch meines Opas (1987, nach dem Tod meiner Omi) zu Fuss umrundet hatte.

Nicht zuletzt weil wir die sanft bergaufführende Strasse permanent strampeln mussten, war an einen Stauseeausflug nicht zu denken. Kein Wunder dass E-Bikes im Schwarzwald so populär sind! Zum Glück war die schmale Route an diesem Tag nur wenig befahren. Alles andere wäre nicht so lustig.

Tour zum Kloster Wittichen
Kloster Wittichen: Langhaus mit Tor

Viel vom ehemaligen Klarissinnenkloster kann nicht besichtigt werden, d.h. nur die Kirche und die Aussengebäude. Die ursprüngliche Grösse des Frauenklosters lässt sich nur anhand von Erklärungstafeln erahnen. Darum machen wir uns einige Fotos später wieder auf den Rückweg bzw. fahren weiter nach Schiltach. dem rausgeputzten, pittoresken Schwarzwald-Bilderbuchstädtchen – im übrigen mein Geburtsort. 😉

Schiltach: Rathaus

Bei so viel Fachwerk-Idyll schlägt natürlich das Fotografie- und Nostalgie-Herz hoch. Dazu noch strahlender blauer Himmel – was will man mehr??
Die Velos lassen wir am Marktplatz stehen und laufen zu Fuss zur neuesten, modernen  Sehenswürdigkeit, nämlich der „Hans Grohe Aquademie„. Zugegeben, wir erwarteten (nach Duravit) nicht viel ausser Wasserhähne und Duschköpfe mit Teststation. Zum Probeduschen hatten wir uns nicht angemeldet. Nun werden wir ausserordentlich positiv überrascht, denn Hans Grohe wartet mit einer schönen Ausstellung zur Geschichte der Bäderkultur auf. Es gibt Modellbadezimmer aus jedem Jahrzehnt, und auch hier wurden Erinnerungen wach.

Hans Grohe Aquademie
„Bad“ vor 1900 auf dem Land
Bad der 30-40er Jahre (wie bei der Oma in Schapbach!)

Sehr zufrieden von sovielen Einblicken und bereichert mit einem neuen, edlen Duschkopf für zuhause verlassen wir die Aquademie, laufen zu den Velos zurück fahren zum letzten Tagesordnungspunkt Schenkenburg. Diese trohnt unübersehbar auf halbem Weg zwischen Schiltach und Schenkenzell an der Strasse, nur wenige Höhenmeter über dem Kinzigtal. Die imposante Burgruine ist in ein Wahrzeichen meiner Kindheit. Unzählige Male habe ich sie mit dem Auto passiert, bin dann aber erst mit dem Opa 1987 zum ersten Mal oben gewesen… 😉

Blick auf Schenkenzell
Schenkenburg bei Schenkenzell

Es gibt nicht viel ausser einiger gesicherte Pfade  und ein paar Erklärungstafeln. Trotzdem ist es hübsch dort, insbesondere der Blick ins Tal, den wir praktisch allein geniessen.
Zurück im Hotel und nach einer erfrischenden Dusche nach dem heissen Tag gab es vor dem Abendesse noch eine Runde Minigolf auf dem hoteleigenen Platz. Denn: 1970 hatte ich dort voller Stolz mein Platzdebüt. Minigolf gehört seit jeher zu meinen (geheimen) Leidenschaften. Leider gibt es inzwischen nicht mehr so viele Gelegenheiten, und natürlich nehmen wir uns kaum Zeit dafür. Nun ist die Runde nach langer Zeit wieder mal sehr lustig, obwohl man in die dortigen Bahnen  mal wieder etwas Material und Mühe investieren könnte. Wir hatten aber trotzdem unseren Spass.

Schenkenzell: Vor dem Znacht noch eine Runde Minigolf

04.09.21: Schenkenzell – Alpirsbach
KM: 6,20 km / Zeit: 0:31 h / km/h: 11.90  / Höhenmeter: 88 m

Nach dem Checkout fahren wir die kurze Strecke nach Alpirsbach und können Velos und Gepäck im Hotel abstellen. Denn wir sind um 10 Uhr verabredet mit Tina und Silvia und freuen uns, den Tag gemeinsam mit ihnen verbringen zu können. Ein straffes Programm ist für diesen Samstag geplant: Klosterführung, Mittagessen und dann – selbstverständlich – die Brauereiführung durch den Betrieb Alpirsbacher Klosterbräu. 🍻😊

Dieser Klosterbesuch war/ist für mich ein persönliches Highligt dieser Ferien. Gründe dafür gibt es wahrhaft genug:
– Romanisches Kloster aus rotem Buntsandstein im Schwarzwald? Must see für uns.
– Noch die war ich dort gewesen, obwohl ich nur wenige Kilometer davon aufgewachsen bin.
– Von 1968-1974 bin ich gefühlte 1000mal daran vorbeigefahren (auf dem Autorücksitz)
– Alpirsbach ist der Geburtsort meiner Mama

Kloster Alpirsbach

Kleines Familientreffen
Eingangsportal

Nach der informativen Klosterführung flitzen wir vier ins Hotel zurück, wo wir zu Mittag reserviert hatten. Dort warten bereits die „Special guests“ Peter & Mary aus Lossburg auf uns. Peter und Silvia hatten in den 50er Jahren gemeinsam die Volksschule in Schapbach besucht und sich später aus den Augen verloren. Die Geschichte, wie Peter und ich Konktakt zueinander gefunden haben, ist eine andere. Nun gab es ein Wiedersehen zwischen Silvia und Peter – nach über 50 Jahren.

Nach dem Essen müssen wir rasch wieder zurück zur Führung durch die Brauerei. Peter und Mary wollten die Stunde solange auf uns warten.

Brauerei Alpirsbach
Gleich geht’s los: Brauereiführung

Guide Arnold ist wirklich klasse und bietet eine wirklich informative und auch sehr unterhaltsame Führung durch die alte Brauerei. Schön, dass wir als Bierfans bzw. ich als Hobbybrauerin mein Wissen erweitern kann! Der Clou war dann, dass sich der im Hof wartende Peter und Guide Arnold als gute Freunde entpuppten. Klar dass Peter und Mary noch zur Bierdegustation mitdürfen.  So haben wir noch etwas mehr Zeit miteinander.

Nachdem wir alle nochmals eine Runde ums Kloster spaziert sind, bleibt noch Zeit für einen Kaffee mit Kuchen. Wir geniessen die plötzlich sehr ruhige Atmosphäre beim Kloster, denn am späten Samstagnachmittag ist Alpirsbach seltsamerweise ausgestorben.

Sowohl Peter & Mary als auch Tina & Silvia machen sich dann zurück auf den Heimweg. Die Lossburger würden wir gleich am nächsten Tag wiedersehen. Thom und ich gehen nach den beiden Abschieden ins Hotel zurück und gönnen uns nach einer kurzen Pause  noch ein Abendessen. Denn für die herausfordernde Etappe am nächsten Tag konnten wir schon noch etwas Futter gebrauchen.

05.09.21: Alpirsbach – Lossburg – Glatt
KM: 36,20 km / Zeit: 3:06 h / km/h: 11.68  / Höhenmeter: 468 m

Unten wieder einmal das übliche Startbild bei der Abfahrt vor dem Hotel, diesmal mit Motorrad-Hintergrund. Im Schwarzwald sind sehr viele Biker unterwegs. Velofahrer nicht so viele, und ohne E-Antrieb praktisch niemand mehr.  Auf der heutigen bergigen Route würde ich ein paar mal neidvoll auf die E-Biker schauen… 😉
Von Alpirsbach nach Lossburg gibt es zwei Optionen: Entlang der befahrenen B294 (am Sonntag kein Schwerverkehr, aber dafür jede Menge Motorradfahrer…) oder die Route durch den Wald. Wir wählten letztere, auch wenn das ein paar Höhenmeter mehr bedeuten würde (ca. 360m). Erstmal muss man knapp 2 km sehr steil den nicht asphaltierten Waldweg hoch. Schieben war angesagt. Danach wird es die nächsten 10 km zum Glück sanfter. Wir waren praktisch alleine unterwegs, und die Fahrt durch den grünen Fichten(Tannen?)Wald war wirklich wunderschön und friedlich.Nur zweimal kamen uns Radfahrer entgegen – bergab ist ja easy. 😉

Es geht los Richtung Lossburg

Endlich oben

Kurz vor Lossburg muss man aus dem Wald kommend nochs das Plateau erstrampeln, und man radelt über die Felder, bis man vor einem supermodernen Industriegebäude steht: Die Firma Arburg, Hersteller von Spritzgussmaschinen für die Kunstoffverarbeitung, hat sich in den letzten Jahrzehnten mächtig herausgeputzt. Der Hightech-Glasbau mitten in der Landschaft wirkt irgendwie surreal. Offenbar laufen die Geschäfte hervorragend.
Und hier der Bogen zur Biographie: Von 1971 bis 1974 war dort meine Mutter im Büro beschäftigt und wir wohnten in den firmeneigenen Häusern ganz in der Nähe. In Lossburg besuchte ich den Kindergarten, dann die Vorschule, und wurde 1973 auch eingeschult.

Den Weg von der Arburg bis zu unserem ehemaligen Wohngebäude in der Zollernstrasse (mit wunderschönem Blick über die Hochebene) finde ich (nach fast 50 Jahren) noch easy. 😉 Anschliessend fahren wir weiter zu einem Besuch bei Peter & Mary, die uns zum Mittag eine feine Kürbiscremesuppe servieren. Nach gemütlichen 1,5h verabschieden wir uns wieder, und ich muss aus Nostalgiegründen auch noch nach dem alten Vorschul- und dem Schulgebäude sehen. Alles sieht noch fast gleich aus!  Den alten Kindergarten gibt es aber nicht mehr.

Lossburg: Blick von unserem ehemaligen Wohnhaus
Das Vorschulgebäude gibt es immer noch!
Meine alte Grundschule (Einschulung 1973), jetzt immer noch Grundschule

Danach machen wir uns weiter auf den Weg Richtung Glatt bei Sulz, erst einmal über die schöne Schwarzwald-Hochebene, und dann ein längeres Stück wieder bergab (bis auf ein paar kurze Zwischensteigungen). Die Route verläuft mehrheitlich auf asphaltierten Strassen, und dank der guten Beschilderung kommen wir (via Leinstetten und Hopfau) wirklich flott voran bis zum kleinen Dorf mit dem Renaissance-Wasserschloss, einem der bestgehütetsten Sehenswürdigkeiten der Gegend. Warum? Da es grad so im Schwäbisch-Schwarzwälderischen Grenzgebiet liegt, fühlen sich die Schwarzwaldreiseführer nicht mehr zuständig dafür. Ich hatte dieses hübsche Kleinod auch erst bei meinen Vorbereitungen entdeckt. Und passenderweise gibt es im Ort noch ein sehr empfehlenswertes Hotel (Hotel Zühlke), wo man sehr angenehm nächtigen kann.

Bei Leinstetten
Wasserschloss Glatt (bei Sulz am Neckar)

Bekannt in Glatt ist zudem das Café im Schloss, das an diesem Sonntagnachmittag gefühlt von der gesamten Neckartal-Bevölkerung aufgesucht wurde. Mit viel Glück finden wir in dem verwinkelten alten Gebäude mit mehreren Stockwerken und Aussenbereich noch zwei Plätze und warteten ca. 1/2 h auf unsere Riesenportion Kaffee und Kuchen, respektive Schwarzwälder-Doping. Im Raum war allerdings eine rechte Hektik aufgrund des Gästeansturms, und die Servierkräfte taten mir  wirklich leid.

Im Schlosscafé
Mehr Doping

Gestärkt machen wir uns auf zur Besichtigung des Schlossmuseums, das ein kleines historisches Museum und etwas Kunst beherbergt, umrunden das wirklich schöne Renaissance-Wasserschloss zwecks Fotos, und fahren dann zum Hotel, wo wir uns nach dem heissen Tag im hoteleigenen Hallenbad erfrischen können. Nach dem vielen Velofahren tut ein kurzer „Schwumm“ mit völlig anderem Bewegungsmuster wirklich gut.

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