Landpartie Uchiko – 内子 (20.3.24)

Der 20. März ist der «Shunbun», Frühlingsanfang, und ein allgemeiner Feiertag in Japan. Ziel unseres Ausflugs mit Marie und Fred war Uchiko, ein historischer Ort, ca. eine halbe Stunde Zugsfahrt südlich von Matsuyama gelegen. Thom und ich waren bereits zweimal dort gewesen (siehe Blogbeitrag von 2015), aber immer hatten wir wegen anderer Unternehmungen nur ein, zwei Stunden Zeit gehabt. Schön dass wir uns dem Städtchen nun endlich in Ruhe widmen konnten.

Allerdings war das eine echte Herausforderung, denn von wegen Frühlingsbeginn: Es war nochmals richtig kalt geworden seit vorgestern, zudem blies noch ein eisiger Wind, und es gab neben sonnigen Aufhellungen immer wieder kurze, heftige Schauer. Aprilwetter total. Immerhin konnten wir uns jeweils in irgendwelche Shops oder in die zur Besichtigung stehenden alten Häuser flüchten. Da war es zwar trocken, aber nicht unbedingt immer wärmer, den die Fenster bleiben in Japan eisern offen. Gute Belüftung ist wohl alles.

Vom Bahnhof aus ist das alte Zentrum des Ortes ein ca. 15 minütiger Fussweg. Als erstes kommt man am Uchiko Kabuki-za vorbei, dem 1926 in traditionellen Stil erbauten Kabuki-Theater. Da am Nachmittag eine Musikperformance stattfinden sollte und man daher die Bühne nicht betreten konnte, war der Eintritt gratis. Das Interieur ist ganz aus Holz, richtige Stühle gibt es nicht. Eine 3-4-stündige Kabuki-Aufführung kann ggf. anstrengend werden, und grosse Menschen wie wir müssen sich ziemlich zusammenfalten. 😉

Ein nur wenig weiter liegendes Gebäude an der Hauptstrasse, eine alte Apotheke, kann ebenfalls besichtigt werden. Das war praktisch, weil es wieder anfing zu regnen. Die alten Verkaufsräume lagen zur Strasse hin, dahinter sowie im 1. OG befanden sich die Wohn-, Arbeits- und Lagerräume.

Aber wie gesagt, es war kalt im Haus, und danach mussten wir uns unbedingt mit einem warmen Mittagessen aufwärmen – das Soba-Restaurant kam gerade richtig, und wir waren froh, an einem normalen Tisch sitzen zu können und nicht im Tatami-Bereich Platz nehmen zu müssen. Mit dem Essen am kniehohen Tisch im Zaseki (Kniesitz) oder in anderen Positionen haben wir es nicht so – dafür sind wir leider nicht (mehr) gelenkig genug. Das Essen im stilvollen alten Gebäude war sehr lecker. Während die drei anderen das komplette Set bestellt hatten, war ich mit meinem «Sansai-Tempura» (wilde, in Teig ausgebackene Bergkräuter) sehr glücklich.

Uchiko war einst ein typisches Strassendorf, d.h. die Häuser reihten sich links und rechts an der Hauptverkehrsader an. Dies ist sehr schön zu sehen. Viele Häuser sind inzwischen verlassen, werden zur Förderung des weiteren Ortsbildes instandgehalten und oft befinden sich touristische Geschäfte darin. Als wir so weiter die historische Strasse hochschlenderten, prasselte plötzlich ein tüchtiger Graupelschauer auf uns nieder. Fast fühlten wir uns wie im Winter, und es sah auch kurzzeitig so aus.

Überrascht waren wir, weil es für den Feiertag ausgesprochen ruhig war. Zwar waren vereinzelt Besucher:innen im Ort, aber wir hatten mit mehr Tourist:innen gerechnet, und das auch so noch in Erinnerung. Wie wir später erfuhren, hat sich der Ort noch nicht von der Corona-Pause erholt.

Der Reichtum der Stadt begründete sich über einige Jahrhunderte auf die pflanzliche Wachsproduktion, aufwändig gewonnen aus den Samen des Sumach-Baumes. Das Wachs wurde primär für Kerzen verwendet, später auch als Grundlage für die Kosmetikindustrie. Das war so lange erfolgreich, bis das aus Erdöl gewonnene und billige herzustellende Paraffin diese Tradition zum erliegen brachte. Daher sind die prächtigsten Residenzen der Stadt die Produktions- und Wohngebäude der einstigen Wachsproduzenten. Das sogenannte Wachsmuseum ist unbedingt einen Besuch wert, denn dort kann man auch viel über den Produktionsprozess des Wachses erfahren.

Marie und Fred gingen voraus in ein Café, während wir noch einige Schritte weiterliefen. Irgendwann endet die historische Strasse am Busparkplatz, wo jedoch keiner stand. Immerhin kam uns auf dem Rückweg noch eine Gruppe Koreaner:innen entgegen, aber inzwischen war es fast 17 Uhr, und die Sehenswürdigkeiten und Geschäfte machten Feierabend.

Nach dem späten Kaffee bzw. Tee mussten auch wir langsam an die Heimfahrt denken und gingen zum Bahnhof zurück. In Matsuyama würden wir uns alle auf ein wärmendes Bad freuen. Marie und Fred im Hotel, Thom und ich in Dogo-Onsen im Tsubaki-Badehaus.

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