Aufstieg zum Haguro-san – 羽黒山

Am nächsten Tag ging es früh mit den Velos zum Bahnhof Sakata, wo wir sie in ihre Taschen packten und zum Zug nach Tsuruoka schleppten. Schwerpunkt war heute zwar die Wanderung auf den heiligen Berg Haguro ((羽黒山), aber wir wollten die 20 km südlich von Sakata liegenden Stadt kurz per Velo kennenlernen. So jedenfalls der Plan.

Der Lokalzug benötigt gut 20 Minuten für die Fahrt nach Tsuruoka.

Dort wird man in der Touristeninformation gleich gegenüber des Bahnhofs hilfreich zu allen Fragen beraten. Für die Tour zum Haguro-san gibt es einen genauen Plan mit den Busabfahrtszeiten hin und zurück. Die Haltestelle befindet sich direkt vor dem Bahnhof.  Also parkierten wir die Velos mitsamt den Taschen erstmal im daneben liegenden Veloparkhaus und setzten uns in den Bus.

Auf der Fahrt durch die Stadt Richtung Osten und auf die Bergkette zu erhielten wir bereits einen ersten Eindruck von Tsuruoka. Alles wirkte ausgestorben, und viele Geschäfte in der Einkaufsstrasse «Ginza-dori» (wie das berühmte Vorbild in Tokyo) waren geschlossen. Ausserhalb der Stadt fährt man durch die (jetzt abgeernteten) Reisfelder. Die Provinz Shonai ist für ihren intensiven Reisanbau bekannt, und die Reissorte der Gegend und auch der Präfektur Yamaga heisst «Tsuyahime».

Und wie unschwer am Symbol zu erkennen ist, gibt es noch eine weitere Frucht: Kaki. Diese wirklich sehr leckeren, kernlosen Shonai-Kaki (所内柿), die wir dort fast täglich gekauft haben, sind beliebt wegen ihres festen Fruchfleischs und dem süssen , aromatischen Geschmack. Ob so ein Bäumchen vielleicht auch in unserem Garten wachsen würde? 😉

Die Erntesaison war in vollem Gang, die Bäume waren teilweise mit Netzen geschützt, denn auch die Vögeln, vor allem Krähen, haben die Früchte ziemlich gern.

Gegen 11 Uhr erreichten wir den Ausgangs- bzw. Startpunkt, das Zuishinmon Gate, welches ca. auf 100 Höhenmetern liegt. Der Bus fährt zwar auch weiter auf den Haguro-san, wo sich der Schrein befindet, aber das kommt selbstverständlich nicht in Frage, wenn man etwas für sein Seelenheil tun möchte.

Der Haguro-san ist ein heiliger Berg. Zusammen mit dem Gassan (1.984 m) und dem Yudono (1.500 m) bildet er die Dewa Sanzan, die drei Berge von Dewa. In den Schreinen der Dewa Sanzan leben die Anhänger des Shugendō, die Yamabushi. Diese spezielle, asketische Glaubensrichtung enthält sowohl shintoistische als auch buddhistische Elemente und wird seit dem 7./8. Jahrhundert praktiziert. Die drei Berge sind dadurch auch ein wichtiger Pilgerort Japans. Solch heiligen Orte sind meist mit vielen Treppenstufen verbunden. In diesem Falls sollten da exakt 2446 auf uns zukommen.

Daher überraschte uns, als es nach Durchquerung des Zuishinmon-Tors erstmal steil nach unten ging. Unten im kleinen Tal befindet sich ein Wasserfall sowie eine rote Brücke und ein erster Schrein.

Überhaupt würde die gesamte Strecke von zahlreichen kleinen Schreinen gesäumt sein. Dort kann zu zahlreichen Gottheiten gebetet werden. Auffallend war, dass es eher landwirtschaftliche oder häuslichen Gottheiten bzw. «Kami» sind, etwa für eine gute Reisernte, guten Fischfach,  Schutz vor Feuer  und vieles mehr. Auch einen kleinen Schrein für erfolgreiches Brauen ist dabei. Da musste ich doch auch eine kurze Fürbitte für gutes Bier loswerden. 😉

Der Pfad – oder eher Weg – inklusive der Treppenstufen ist vollständig mit Natursteinen gepflastert, die Stufen sind niedrig, und daher sehr komfortabel zu gehen. Die Atmosphäre und Ruhe des Waldes, und die alten Zedernbäume, die auch den Weg säumen, sind einfach nur beeindruckend. Ehrfürchtig standen wir auch vor einer über 1000 Jahre alten «Grossvater-Zeder». Sie zählt heute zu den nationalen Monumenten Japans.

Ebenso beeindruckend ist die alte, fünfstöckige Pagode, die an diesem Ort fast unwirklich erscheint.

Viele Besucher:innen kommen wohl vor allem, um den Wasserfall, die Grossvater-Zeder und die Pagode zu sehen und kehren dann zum Zuishinmon Tor zurück. Somit war der weitere Weg und Aufstieg an diesem Tag fast menschenleer und meditativ.

Der erste Abschnitt mit mehreren hundert Stufen beginnt kurz nach der Pagode. Gut dass es nicht zu warm war an diesem Tag, denn wir kamen auch so schon ziemlich ins Schwitzen. Mitgezählt haben wir die Stufen nicht, aber es muss wohl ein gutes Drittel der 2446 gewesen sein…

Umso überraschter waren wir, nach einer Kurve und mitten im ziemlich steilen, zweiten Teil des Treppenaufstiegs auf ein kleines Teehaus zu stossen. Es hatte geöffnet, und man kann sich mit einem Set bestehend aus Matcha, Hoji-Cha sowie zwei süssen Mochi-Reiskuchen stärken und die grandiose Aussicht aufs die Shonai-Ebene geniessen. An diesem Tag sogar mit Blick aufs Meer (ganz im Hintergrund). Wie hoch wir wohl bereits geklettert waren?? Wie wir mitgeteilt bekamen, liegt das Teehaus auf halber Strecke. Wir hatten also noch was vor uns.

Nach dem Teehaus gibt es ein angenehm flaches Teilstück, bevor es nochmals steil und lang bergauf zum Endspurt geht. Wenn man endlich den roten Tori vor sich sieht, das Tor zum Tempel- bzw. Schreinsbezirk auf dem Haguro-san, ist der Aufstieg geschafft. Uff, gut 4 Kilometer und 300 Höhenmeter sind bewältigt. Unser Aufstieg hatte gut eine Stunde gedauert.

Eindrucksvoll präsentiert sich dort der Hauptschrein «Dewasanzan Sanjin Gosaiden». Das riesige Gebäude mit riedbedecktem Dach ist das grösste Holzgebäude Japans und stammt in der derzeitigen Form aus dem Jahr 1818, aber es gab bereits frühere Bauten.

Ringsherum befinden sich wieder zahlreiche kleinere Schreine mit teilweise schönen holzgeschnitzten Balken, aber auch eine sehr alte, aus dem Mittelalter stammende Tempelglocke. Und menschliche Helfer bemühen sich, alles ordentlich und gepflegt zu halten.

Auf einer Leuchte entdeckten wir zudem noch ein uns vertrautes Symbol: Die dreibeinige Krähe, Yatagarasu. Dieser sind wir bereits auf unserer denkwürdigen Reise 2020 begegnet.

Für den Rückweg gibt es zwei Optionen: Wieder hinunterlaufen zum Ausgangspunkt oder auf den Bus zurück warten. Zurücklaufen war keine Option – die steilen Treppenstufen hätten wir nicht mehr heruntersteigen wollen (die Knie…). Also hiess es eine Stunde warten. Was somit bedeutete, den Plan einer Tsuruoka-Velo-Spritztour zu begraben, denn die Bahnverbindungen zurück nach Sakata sind dünn gesät, und wir wollten noch vor 17 Uhr (und im Tageslicht) wieder zurückkommen.

Der Bus brachte uns wieder wohlbehalten zurück nach Tsuruoka, wo wir unsere Velos wieder in ihre Taschen packten und um 16 Uhr den Zug zurück nach Sakata bestiegen, zusammen mit vielen Schüler:innen der High Schools, die auch ihr Tagwerk erledigt hatten. Und auch die Schwäne zogen in der Dämmerung wieder zurück zu ihren Schlafplätzen im Fluss.

Apropos Schlafen: Nach diesem Bewegungstag schliefen auch wir ziemlich gut und fest. 😴

 

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