Sakata – 酒田

Unsere nächste Reisestation war Sakata, ein Städtchen ca. 100 km südlich von Akita gelegen, allerdings schon in der Präfektur Yamagata. Vier Übernachtungen sind reichlich für den Ort, aber wir hatten auch noch Ausflüge in die nähere Umgebung geplant. Etwa 40 km entfernt liegt auch Tsuruoka mit einigen Sehenswürdigkeiten, aber da hatte Thom keine geeignete Unterkunft recherchieren können. Somit hat Sakata den Stich gemacht, und war für uns die richtige Wahl.

In Akita nahmen wir uns an diesem Mittwoch (den 22.10.) noch gemütlich Zeit und fuhren gegen Mittag ab. Selbstverständlich wählten wir für die Fahrt wieder das gemütliche Lokalbähnchen der Uetsu-Line.

Das Wetter war an diesem Tag etwas zugezogen und somit passend für den Reisetag. Netterweise sollte es auch regenfrei bleiben, so dass wir später trockenen Fusses zu unserem Hotel kommen konnten. Die Fahrt ging streckenweise am Meer entlang, es war das erste Mal, dass wir die «Nihonkai», also das Japanische Meer zu Gesicht bekamen.

Wir passierten viele kleine Orte.In Nikaho hätten wir gerne noch das «TDK-Museum» besucht. Allen über 50 Jahre , die sich noch an Magnetbänder und das Audiokassetten-Zeitalter erinnern, sagt diese Firma noch etwas. 😉 TDK hat immer noch einige Werke entlang der (strukturschwachen?) Tohoku-Westküste. Was dort heute produziert wird, wissen wir nicht genau. Es soll sich um verschiedene elektronische Bauelemente handeln.

Auffallend waren auch die zahlreichen Windräder zur Stromerzeugung. Japan setzt ja (leider) sehr auf Atomenergie, drum waren wir überrascht, dass wir hier erstmals sehr viele gesehen haben (hier auf dem Bild habe ich nur zwei erwischt, und auch die sieht man leider kaum…).

In Sakata wurden wir am Bahnhof klangvoll begrüsst: «Sakataaa, Sakataa»! Der Name des Ortes wurde regelrecht gesungen. Sehr hübsch! Und man bekam gleich eine Einführung, auf was Sakatas Geschichte beruht: dem Reishandel. Auch auf den Kanaldeckeln wird das Motiv aufgenommen.

Es war kurz nach 14 Uhr, und bis zu unserer Unterkunft mussten wir ein rechtes Stück laufen, was aber nach  zwei  Stunden sitzen gut tat. Im «Wakaba-Ryokan», unserem einzigen Ryokan dieser Reise, gab es einen warmherzigen Empfang, und unser traditionelles, schönes Tatami-Zimmer entsprach all unseren Erwartungen.

Wir hatten noch gut zweieinhalb Stunden bis es dunkel werden würde, also schwangen wir uns auf die Birdys, um einen ersten Eindruck vom Ort zu gewinnen.

Sakata mit seinem typischen, sehr unspektakulären Mix von Kleinhäusern aus den letzten 70 Jahren hat uns gefallen, auch wegen des ländlichen Charakters. Leider haben wir es verpasst, mehr Bilder zu machen und uns eher auf die Sehenswürdigkeiten beschränkt.

Was uns jedoch ein Déja-Vue bescherte waren die lauten Wahlkampf-Minibusse. Es standen wohl Gemeinderatswahlen bevor, und die 28 Kandidat:innen und ihre Helfer beschallten von morgens bis abends die Stadt. Das hatten wir bereits letztes Jahr in Kagoshima (siehe Blogbeitrag) als lustig, aber auch als höchst nervig empfunden… Für einen kurzen Eindruck hier auch ein (schlechtes) Video. Wir haben zudem gerätselt, ob alle ihre Routen untereinander absprechen, denn dass sich zwei kreuzten haben wir nicht erlebt – pardon, gehört.

(Video folgt)

Die wichtigste Sehenswürdigkeit Sakatas sind die alten Reis-Lagerhäuser (山居倉庫, Sankyo Sōko) am Fluss Niita, von unserem Ryokan praktischerweise nur ein Katzensprung entfernt. Dort wurde aus der ganzen Provinz Shonai der Reis angeliefert, gelagert und anschliessend in die grossen Ballungszentren Tōkyō und Ōsaka verschifft.

Diesen widmeten wir uns am nächsten Tag. Nur ein Lagerhaus kann betreten werden, dort befindet sich ein kleines Museum. Die anderen sind teilweise noch in Betrieb – obwohl sie bereits recht angejahrt wirken. Das Reismuseum war geschlossen. Beeindruckend war die Aneinanderreihung trotzdem, insbesondere auch durch die Reihe der alten, mächtigen Zelkovia-Bäume, die gepflanzt wurden, um die Lagerhäuser zu beschatten.

Das Wetter war uns ausgesprochen gewogen, und der hohe Berg im Landesinneren, der Mount Chōkai (鳥海山) zeigte sich zu unserer Überraschung mit einem weissen Mützchen. Gut, die letzten Nächte war es etwas frisch und nass gewesen, und auf 2,236 Metern kann es dann schon mal schneien. Er ist der zweithöchste Berg in Tohoku und gilt auch als der «Fuji des Nordens». Unschwer ist an seiner Form zu erkennen, dass es sich um einen Vulkan handelt.

Der zweite Punkt im Besichtigungsprogramm war das Ken Domon-Museum für Fotografie, gut 3 km südwestlich der Stadt auf der anderen Seite des sehr breiten Mogami-Flusses gelegen.

Domon Ken ist ein Sohn der Stadt und ein wichtiger und prägender Fotograf Japans seit den 30er Jahren. Die aktuelle Ausstellung mit einer Gegenüberstellung von Werken eines zweiten japanischen Fotografen, Shomei Tomatsu, vermittelte einen spannenden Eindruck der dokumentarischen Fotografie Japans seit dem 2. Weltkrieg.

Und war auch ein Lehrstück in Bezug auf Bildgestaltung und -aufbau. Und auch die Architektur des kleinen Museum sowie die Einbettung in den perfekt gepflegten Park hat uns gut gefallen.

Zurück in der Stadt ging es nach einer kleinen Stärkung in einem Café beim Rathaus (mit Kaffe aus eigener Röstung) weiter zur Sehenswürdigkeit Nummer 3, der Homma-Residenz. Die Familie handelte während der Edo-Zeit (1603-1868) mit Reis, so dass sie sich diese grosszügige Villa gegen Ende des 18. Jahrhunderts leisten konnten. Alles ist noch original erhalten, und auch die prächtige Kiefer kann auf 300 Jahre zurückblicken.

Fehlt noch Sehenswürdigkeit Nummer 4, das Homma Museum mit seinem japanischen Garten, nochmals gut 1 km weiter nördlich gelegen. Man braucht gutes Schuhwerk und Zeit, um das alles zu erlaufen, drum waren wir wieder einmal sehr froh um unsere Fahrräder (zumal wir derzeit auch etwas knielahm sind).

Das Museum ist ein rechter Klotz aus den 40er Jahren, und die Sammlung hat sich uns nicht so recht erschlossen. Der japanische Garten sowie das historische Gästehaus dagegen sind traditionelles Japan pur.

An den beiden nächsten Tagen wollten wir uns unseren Ausflugszielen (Beiträge folgen) widmen. Es blieb aber am letzten Tag unseres Aufenthalts noch Zeit, den Fischmarkt mit seinen Verpflegungsoptionen zu besuchen um dort am Spätnachmittag etwas zu essen. In einem sehr einfachen Restaurant gibt es frischestes und bestes Fisch-Donburi. Die Fotos und Testimonials an der Wand zeugten von der Zufriedenheit der Kundinnen. Können wir nur bestätigen. 😊

Ein neues Phänomen waren für uns dann noch die zahlreichen Schwäne, die wir auf den abgeernteten Feldern rund um Sakata und Tsuruoka tagsüber beobachten konnten (schlechtes Bild vom Zug aus). Sie überwintern in der Gegend, denn es gibt dort im Herbst genug zu fressen für sie. Mit dem Sonnenuntergang kehrten sie in schönster Formation und lautstark wieder zur Nachtruhe zum Fluss zurück. Nach unseren Schätzungen müssen es hunderte gewesen sein, und während der Nacht waren ihre lauten Rufe auch noch bei uns zu hören. Morgens ging es dann den umgekehrten Weg wieder zurück auf die Felder zur Verpflegung. Auch kein schlechtes Leben.

Was uns ebenfalls positiv überrascht hat, war das neue Gebäude gegenüber des Bahnhofs, das «Miraini». Wieder eine interessante Kombination von Stadtbibliothek, Touristeninformation und Begegnungszentrum. Hier hatte man jedoch noch ein elegantes Hotel sowie ein Restaurant mit ergänzendem Parkhaus angebaut.

In der Bibliothek bzw. an den Leseplätzen konnten auch wir vor unserer Abfahrt zwei Stunden Platz nehmen und (mit Lesen und Bloggen) unsere Zeit verbringen. Wir sind inzwischen sehr grosse Fans dieser neuen und offenen Einrichtungen.

Sakata (hier noch mit Link zu den offiziellen Tourismusseiten) hat bei uns rundum einen positiven, bleibenden Eindruck hinterlassen. Nicht zuletzt auch wegen unserer sympathischen Unterkunft, dem Wakaba-Ryokan. Beim herzlichen Check-out und Abschied nach 4 Tagen bekamen wir sogar noch eine Packung Tee geschenkt, da wir diesen beim Frühstück so gerne getrunken haben. Zum Glück hatten wir wieder vorsorgliches für allfällige Gegengeschenke kleine Schokoladen-Praliné-Packungen mitgenommen und konnten uns so umgehend revanchieren.

Es braucht keine spektakulären Dinge für schöne Erinnerungen. Es sind die kleinen und speziellen Momente, die von Bedeutung sind.

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