Hida-Takayama – 飛騨高山

Dienstag hiess es „Adieu Matsumoto“ (huch, ich bin schwer im Rückstand!), und bis heute, 11.9. befanden wir uns in Takayama, bzw. Hida-Takayama, wie es korrekt heisst. Takayama liegt westlich von Matsumoto im grösseren Nachbarflusstal. Die beiden Orte sind per Bus quer durch die Berge über eine Passstrasse gut 2 Stunden voneinander entfernt. Den ersten Teil der Strecke kannten wir bereits von unserem Norikura-Ausflug. Nun fuhr der Bus weiter die Strasse 158 entlang, die Matsumoto mit Takayama verbindet.
Es ging wieder durch sehr viele Tunnels, es war Werktagverkehr, und der Bus kam mit 10 Minuten Verspätung im Badeort Hirayu-Onsen an. Eine Ansammlung von Shops und Bädern mitten in den Bergen. Und unglaubliche Menschenmassen! Hier wäre eigentlich eine fünfminütige ‚Bio-Pause‘ geplant gewesen, doch der Fahrer war wegen der Verspätung im Stress, und fragte höflich, ob es denn nötig sei. Vermutlich habe ich ihn mit meinem Verzicht auf den Toilettengang sehr erleichtert. Mich eher weniger, aber bis Takayama hat es grade noch gehalten … 😉

Warum liegt Takayama auf unserem Reiseplan? Nun, es gilt als eine der pittoreskesten Städte in der Gegend. Einige Strassenzüge mit vielen alten Handelshäusern sind noch komplett erhalten. Zudem ist Takayama der Ausgangsort zur UNESCO-Weltkulturerbe-Ortschaften Shirakawago und Gokayama.

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Die Touristendichte bei unserer Ankunft am Bahnhof liess nichts Gutes erahnen, und wir hatten schon Angst, wir seien in einer Art ‚Heidelberg Japans‘ gelandet. Ja, im Prinzip kann es das vielleicht sein. Es gibt selbstverständlich unglaublich viele, grosse Omiage-Shops.

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Und Englisch ist hier fast schon Zweitsprache … Takayama liegt ganz bestimmt auf der Touristenlandkarte, trotzdem sind die Menschen noch sehr freundlich und nicht über die Massen geschäftstüchtig. Zudem ist ab 17 Uhr, wenn die meisten der Shops schliessen, das Städtchen fast ausgestorben, und man fragt sich dann, wohin die Massen verschwunden sind. Ein Spaziergang durch die Strassen ist dann sehr hübsch.

Einen kleinen Höhepunkt bietet jedenfalls schon mal unser Hotel: Ein heisses Bad im 9. Stockwerk des Gebäudes. Man gönnt sich ja sonst nichts. Ein Rotemburo gibt es auch, und so kann man im heissen Wasser liegend ein bisschen auf die Stadt herunter schauen. So prima!

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Bei unserer Ankunft in Takayama war es bereits bewölkt, und in der Nacht fing es dann (endlich?) an zu regnen. Ein Taifun zog über Japan hinweg. Das klingt schlimmer als es ist. In diesem Fall war es sowieso nur ein harmloser Taifun, denn er brachte kaum Wind (höchstens einen halben Tag davor), dafür aber kräftigen Regen. Wobei der – wie im Fernsehen schon gesehen – wesentlich schlimmer ausfallen kann. Die Wassermassen sind bei kleinen oder grossen Taifunen eher das Problem als die Windstärken.

So zogen wir also am nächsten Tag mit den hoteleigenen orangenen Regenschirmen los. Das Erstaunliche an einem japanischen Sommer-Regentag ist: Es ist nie so kalt wie bei uns in Mitteleuropa. Wir gingen locker bekleidet in Hemd und T-Shirt unterm Schirm bei 27°C spazieren.

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Diese beiden farbig gewandeten Herren passen übrigens auf, dass niemand auf der Strasse raucht. Auch im Regen ist das nicht gestattet.

Allerdings war halt einfach alles nass, unpraktisch und zu dunkel zum Fotografieren. Trotzdem spazierten wir tapfer durch die Gassen und nutzten die dichteste Regenphase zu einem Besuch des Takayama Jinya, einem ehemaligen Verwaltungsgebäude der Edo-Zeit. Ein Teil des Hauses war noch in ursprünglicher Form erhalten, ein anderer Teil ist vor einigen Jahren original wieder aufgebaut worden.

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Da Takayama seit Ende des 17. Jahrhunderts direkt dem Tokugawa-Shogunat unterstellt wurde, gab es keine Samurai-Schicht mehr, sondern nur eine Händler- und Bürgerschicht, was sich im Stadtbild und in der Architektur widerspiegelt. Einige der alten Händlerhäuser können auch besichtigt werden.

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Am nächsten Tag war es wieder Postkartenwetter, daher gibt es noch ein paar Fotos ohne Regen.

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Dieses Bauwerk ist eine recht merkwürdige Sache: Es soll der „Weltschrein“ sein, dessen Geist sinngemäss in Takayama auf die Welt gekommen ist. Es ist der Hauptsitz der Sukyo Mahikari-Sekte. Der Tempel ist recht dominant, man sieht ihn von überall in Takayama. Keine Schönheit, wie ich finde, und bei Sekten bekomme ich grundsätzlich ein etwas komisches Gefühl.

Interessant war auch ein Besuch des Hida Folk Museums (Hida no sato), ein angelegtes Museumsdorf ca. 2 Kilometer vom Ortszentrum entfernt. Dort können wichtige Typen der traditionellen Häuser besichtigt bzw. betreten werden. Da erhält man bereits einen guten Eindruck – und einen Vorgeschmack auf die Häuser im Unesco-Dorf Shirakawago.

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Dieser Ausflug war allerdings erst für Freitag vorgesehen. Donnerstag fuhren wir frühmorgens erst einmal ins Nachbardörfchen Hida-Furugawa, laut Reiseführer ein Miniatur-Takayama ohne Touristenmassen. Die viertelstündige Zugfahrt stand unter dem Motto „Wir unter MittelschülerInnen“. Sehr viele andere Fargäste ausser den uniformierten japanischen Teens gab es nicht.

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Diese Knirpse liefen uns auch noch über den Weg.

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Furugawa ist, sofern man Zeit hat, durchaus einen Besuch wert. Insbesondere das kleine Museum zur Tradition des jährlichen Stadtfests ist sehr liebevoll und neu gemacht. Es gibt einen sehr informativen 3D-Film zu sehen, damit man einen Eindruck bekommt, wenn die 8 Meter hohen, reich geschmückten, alte Wägen durch die Stadt gezogen werden. Ein ähnliches Fest hat auch in Takayama Tradition. Im kleinen Furugawa kann man drei der Wagen sehen, und für den Film bekommen AusländerInnen sogar einen kleinen MP3-Player mit der englischen Version in die Hand gedrückt.

Auch in Furugawa gibt es die ‚Bächle‘, hier sind es schon fast kleine Kanäle, und es schwimmen eine grosse Zahl Koi-Karpfen darin. Riesig grosse, fast 80 cm lang. Man kann sie füttern, tut ihnen damit aber keinen Dienst, denn sie sind bereits so fett, dass sie sich kaum noch bewegen können. Das Futter, dass ihnen nicht direkt ins Maul schwimmt, interessiert sie überhaupt nicht mehr.

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Wir rätselten eine Weile. Und während Thom sein gekaufts 100 YEN-Koi-Futter versuchte, an die Fische zu bringen, kam aus einem der Häuser eine Frau und ‚entsorgte‘ jede Menge Toastbrotscheiben im Kanal. Daher also die Trägheit. Es sind nicht die Touristen sondern die Einheimischen!

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Ebenfalls erwähnenswert: In Furugawa gibt es noch zwei Sake-Produzenten. In ein schönes altes Gebäude einer Brauerei lugte ich neugierig hinein, und ein Nicht-Japaner kam heraus. Ein Amerikaner, er ist Braumeister bei der Firma Hourai, und so redeten wir eine Weile über Sake und Japan. Er erzählte uns, dass er nicht der einzige Gaijin-Braumeister in Japan sei. Und eine der wenigen Ausländer in diesem Gewerbe ist sogar eine Frau. Das hat uns wirklich erstaunt.

Beim Schlendern durch die Gassen Furugawas entdeckten wir auch einen Soba-Nudelmeister, der hinter einem Schaufenster seinen Buchweizen-Nudelteig dünn rollte. Immer und immer wieder, mit vielen verschiedenen, sehr langen Nudelhölzern, bis der dünne Teig zum Schluss gefaltet und geschnitten wurde. Klar, dass wir diese Soba-Nudeln unbedingt essen mussten! Daher gingen wir zu Mittag hin, und im winzigen Restaurant schmeckten die ‚Zaru-Soba‘, die kalten Soba-Nudeln, dann auch ganz hervorragend. Es gab sogar ein Stück frischen Wasabi dazu, den man auf einer kleinen Porzellan-Reibe selbst reiben durfte.

Eine lustige Begegnung hatten wir am Takayama-Ankunftsabend, als es schon dicht bewölkt war. Endlich hatten wir nach etwas Suchen die Schlossruine auf einem Hügel gefunden, angesehen, und stapften wieder den Berg herunter. Ein Japaner grüsste freundlich und fragte, woher wir kämen. Wahrheitsgemäss antworteten wir, aus der Schweiz/Deutschland, und strahlend sprach er uns auf sehr langsamem Deutsch an! Seit zwei Jahren macht er einen Radio- oder Fernsehkurs mit. Er hatte viel Freude, seine Kenntnisse in unserem kurzen Gespräch zu erproben, und wo es nicht reichte, halfen unsere Japanisch-Vokabeln. Zu witzig. Wir hätten nicht unbedingt erwartet, mitten im Wald einen deutschsprechenden Japaner zu treffen …

Noch eine nette Begebenheit: Beim Essen im winzig kleinen Bio-Restaurant ‚Myōga-ya‘ lernten wir Sayuri kennen. Sie lebt in Takayama, hat einen kleinen Sohn und stellt für das Restaurant Bio-Desserts her. An diesem Tag, an dem wir dort zu Mittag assen, brachte sie einen unglaublich köstlichen Kürbis-Pudding, und so kamen wir ins Gespräch (auf Japanisch wohlgemerkt …). Sie bewirtschaftet biologisch ein kleines ‚Hatake‘, einen Gemüsegarten und erzählte uns vom speziellen ‚Sukuna‘-Kürbis, der offenbar nur in der Region Hida (bzw. Gifu) angebaut wird. (Aha, das also ist der feine Kürbis, den wir jeden Morgen gekocht zum Frühstück serviert bekommen).

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Das Bild musste ich – mangels echtem Exemplar – aus Google klauen …
Er ist süsser und cremiger und eignet sich daher auch für die Herstellung von Desserts. Gerne würde sie uns Samen schenken. Und wir sagten ebenso gerne und begeistert zu. So trafen wir uns dann am nächsten Tag, und so sind wir um eine Japan-Adresse und jede Menge Kürbissamen reicher. Hoffentlich ist es dem Kürbis in unserem Garten auch warm genug! Wir überlegen uns jetzt schon, mit welchen Samen wir uns revanchieren können. An Mangold und Fenchel war sie jedenfalls sehr interessiert. Gut, dass der Austausch von Saatgut keinem Verbot unterliegt. Und Fenchel, Mangold und Kürbisse werden ja hoffentlich nicht zu Neophyten mutieren …

Noch eine lokale Spezialität sind die Esskastanien, die zu allerlei Süssigkeiten verarbeitet werden. Wir haben ein total feines Anko (japanische Bohnenpaste) mit Esskastanienstückchen gegessen. Leider hält es sich immer nur drei Tage. Mitnahme zwecklos. Ein Jammer.

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Freitag fuhren wir dann zum Weltkulturerbe-Dorf Shirakawa-go (Bericht folgt), und seit heute Nachmittag sind wir bereits in Osaka, unserer letzten Station. Dort haben wir ein umfangreiches Programm vor uns: Stadt-Velotouren, Museumsbesuche, eine Kabuki-Theateraufführung in Kyoto, einen Ausflug nach Nara …. Touristenleben ist eben auch harte Arbeit. 😉 Mehr in Kürze.

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