Der japanische Sommer – 日本の夏

Bisher waren wir zu unterschiedlichen Jahreszeiten in Japan: Mai/Juni, November/Dezember und März/April. Nun sind wir zum ersten Mal im berühmt-berüchtigten Sommer hier.
Bei der Ankunft in Osaka fielen uns sofort zwei markante Unterschiede zu unserem Sommer auf: Klima und Geräuschkulisse.
Als wir aus dem gekühlten Gebäude ins Freie traten, mussten wir erstmal nach Luft schnappen und hatten das Gefühl, eine Waschküche zu betreten. In Osaka hatte es geregnet, und die Temperatur lag bei 28°C (um 9.30 Uhr morgens). An sich ist das ja erträglich, aber die Luftfeuchtigkeit betrug wohl an die 90%. Nach zwei Minuten Koffer- und Birdy-Tragen waren wir klatschnass. Mental hatten wir uns zwar darauf vorbereitet, aber das war ein echter Klimaschock nach den 18°C in Zürich.
Wenn es bei uns im Sommer regnet, ist es ja meistens mit einer angenehmen Abkühlung verbunden. In Japan nicht unbedingt, es bleibt einfach fast gleich warm. Natürlich ist die Hitze bei wolkigem Himmel oder Regen etwas gemässigter, aber es wird dann gleich ekelhaft schwül. Man spürt wirklich jede kleinste Bewölkung.
Auf Japanisch heisst schwül übrigens ‚mushimushi‘ (蒸し蒸し) oder mushiatsui (蒸暑い), es bedeutet ‚heiss-feucht‘. Sehr passend.

Die zweite, andere Sommererscheinung ist das Geräusch der ?Semi? (せみ), der japanischen Zikaden. Es hörte sich so an: https://www.youtube.com/watch?v=kP9pehFyUeA

Dieser japanische Sommersound ist sehr faszinierend. Da musste ich mich gleich mal auf Wikipedia über Zikaden schlau machen.
Diese Insekten wohnen hauptsächlich auf Bäumen. Wo ein Baum, da mindestens eine Semi, und wo viele Bäume, da eben sehr viele Semis. Diese geben dann eben ihre Laute abwechselnd von sich, was wiederum das Dauergeräusch entstehen lässt. Gut, dass sie nur tagaktiv sind. Übrigens geben unterschiedliche Gattungen unterschiedliche Gesänge von sich, die man recht gut voneinander unterscheiden kann. Hier Hörproben unterschiedlicher Arten aus dem Naturhistorischen Museum in Osaka:
https://www2.mus-nh.city.osaka.jp/learning/ent/semi/name.html

Der Lärm, den so eine einzelne Zikade von sich geben kann, ist unglaublich. Im Park von Dogo flog eine direkt auf einen Baum vor uns und legte los. Das tut echt in den Ohren weh. Ich hätte gern mal ein Dezibel-Messgerät dabei.

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Hier nochmals ein Youtube-Video: https://www.youtube.com/watch?v=cX1_GLrU82Y&feature=related

Wir hatten schon von den Semi gehört, aber dass sie so laut sind, hätten wir nicht gedacht. Wir hatten eher eine mitteleuropäische Grille im Kopf. Auch dass sie so gross sind, war überraschend für uns: Die oben auf dem Foto mass bestimmt 5 cm.

Interessant ist dann wieder, dass das in Japan nicht unbedingt als Lärm empfunden wird. Das Semi-Geräusch wird in Mangas mittels der Lautschrift Hiragana dargestellt, um Stille auszudrücken.
Und bereits vor hunderten von Jahren schrieb der Dichter Bashô sein berühmtes Haiku

Stille…! Tief bohrt sich in den Fels – das Sirren der Zikaden…

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