Badetag in Nagayu Onsen – 長湯温泉 (29.3.24)

Da ich wieder einmal  böse in Verzug bin mit der Bloggerei muss ich jetzt einen grossen Sprung machen. Unsere nächste Station nach unserem Matsuyama-Aufenthalt war Ōita, die Hauptstadt der gleichnahmigen Präfektur auf der vierten grossen Insel, Kyushu.

Dort waren wir nach einer weiteren Zug-Schiff-Zugsfahrt angekommen (Blogbeitrag folgt noch). Endlich waren die Wettervorhersagen mal wieder positiv, sodass wir uns gleich am nächsten Tag zu einem der geplanten Ausflüge entschlossen. In der Touristeninformation hatten wir auch hilfreiche Infos dazu erhalten.

Auf dem Programm stand der kleine Ort Nagayu Onsen. In der Präfetur Ōita gibt es viele, auch teilweise sehr berühmte Onsenorte, wie z. B. Beppu, Yufuin, Kurokawa etc. Nagayu Onsen stand jedoch schon seit ca. 2010 auf unserer «Japan-Bucket-Liste», denn dort gibt es ein vom japanischen Architekten Fujimori Terunobu entworfenes Badehause besonderen Stils. Und vor fünf Jahren ist noch ein weiteres Badehotel von Ban Shigeru (bekannt durch seine Holzkonstruktionen) dazu gekommen. Zudem ist das kohlensäurehaltige Wasser bei einer Vielzahl von Gebrechen gut.

Also standen wir am nächsten Tag pünktlich an der Bushaltestelle am Bahnhof. Die Dame der Touristeninformation hatte uns vorgewarnt: Die Fahrt würde knapp zwei Stunden dauern, ohne Pause und Toilette. Der Bus war eher kleiner Bauart, und als wir an diesem Freitagmorgen endlich den Stadtverkehr Ōitas hinter uns gelassen hatten, ging es die Berge hoch und durch die Dörfer, und wie! Zwar fuhren wir auch schon mal die Hauptstrasse entlang, aber irgendwo ging es dann immer wieder rechts oder links ab, durch kleine Weiler, auf superengen Strässchen, auf dem uns dann zum Glück auch kein anderes Fahrzeug entgegenkam. Der ältere Busfahrer hatten – berufstypisch – die Ruhe weg und kurvte routiniert seines Wegs. Gelegentlich stiegen ältere Fahrgäste ein und auch bald wieder aus. Nach Nagayu Onsen wollten aber nur wir sowie eine ältere Dame.

Zugegeben, die Station «Nagayu Michi no eki» – eine Raststätte – hatten wir uns dann doch etwas lebhafter vorgestellt. Es war absolut nichts los, nur ein kleiner Laden mit Omiyage hatte geöffnet. Ein paar Schritte später standen wir schon von einem der öffentlichen Badehäuser, dem wir dann am Nachmittag einen Besuch abstatten würden. Erst einmal mussten wir auf Erkundungstour gehen.

Der Ort ist klein, und alles ist zu Fuss sehr gut machbar (drum hatten wir die Velos auch in Ōita gelassen). Es gibt einige wenige Unterkünfte, ein edles Ryokan, ein, zwei B&Bs, ein Camping-Caravan-Park und dann eben noch das neuere «Kurhaus» (siehe unten). Wir vermuteten, dass die Gäste erst am Nachmittag-Abend bzw. übers Wochenende eintreffen würden und dann sicher etwas mehr los sein würde.

Nach etwa 15 Minuten Fussmarsch und einige Klischee- und Kirschblütenfotos später standen wir dann endlich vor Lamune Onsen bzw. Ramune Onsen (ラムネ温泉) mit seiner ungewöhnlichen Form und seiner Hülle aus weissem Lehm mit schwarzen Holzplanken sowie einem mächtigen Dach aus (inzwischen oxidierten) Kupferplatten. Und wie klein das Gebäude war! In unserer Architekturbüchern hatte das immer sehr viel grösser gewirkt.

Von aussen waren Fotos möglich, aber selbstverständlich nicht mehr im Bad selbst. Daher verweise ich auf eine nette Beschreibung hier im Onsen Magazine. Wir bezahlten den Eintritt (YEN 500), quetschten unsere Habseligkeiten in die Schliessfächer, und gingen wie gewohnt getrennte Wege: Thom zu den Herren und ich ins Damenbad. Wir hatten noch überlegt, ein «Familienbad» zu mieten, aber dort hätte es keinen Rotemburo (ein Aussenbecken) gegeben. Geht gar nicht.

Nach dem Entkleiden im halboffenen Umkleideraum (gut dass es heute angenehm warm war) begibt man sich füdliplutt (hochdeutsch: splitterfasernackt) bzw. mit einem kleinen Handtuch (in der Regel mitzubringen) in den Baderaum. Hier kam die erste Überraschung, denn die Tür war sehr klein, ähnlich wie in einem Teehaus, so dass grosse Menschen sich doch sehr ordentlich bücken müssen, um da durchzukommen.

Normalerweise wäscht man sich im Baderaum gründlich, bevor man ins Gemeinschaftsbecken steigt, aber hier konnte man sich nur mit der Schöpfkelle und dem heissen Wasser säubern. Die Benutzung von Seife etc. ist nicht gestattet, da das Abwasser gleich weiter in den Fluss geleitet wird.

Der Innenraum und die Becken sind einfach und aus gelbem Lehm gestaltet und wirken irgendwie archaisch, siehe die Website oben. Wie die meisten anderen ging auch ich gleich nach draussen ins Rotemburo. Dort folgte die weitere Überraschung: Das Wasser war kühl, nur 32°C! Auch die Japanerinnen machten verdutzte Gesichter, hielten aber tapfer durch, denn nun sah man den Effekt: Auf der Haut bildet was Wasser lauter kleine Bläschen, die dann bald aufsteigen, so dass es um einen herum zu perlen beginnt, eben wie die gleichnamige japanische kohlensäurehaltige Limonade «Ramune». Spannend.

Zwar kam mir das kühlere Wasser heute ganz entgegen, aber kühlt man dann doch etwas aus. Es gibt noch eine Sauna, in der man sich wärmen kann, aber die Becken im Badehaus mit ihren regulären 40-42°C reichen dafür auch gut aus.

Den Wechsel zwischen draussen und drinnen kann man jetzt natürlich noch ein paar Mal wiederholen, aber wir hatten ja noch was vor heute. Thom und ich trafen uns nach dem Badegang wieder draussen und wanderten erfrischt weiter durchs Dorf, und da wir an einem anderen Onsen mit Restaurant vorbeikamen, legten wir dort eine Mittagspause ein, bevor es zum nächsten Bad, dem «Kurhaus» weiterging.

Dieses macht einen sehr edlen Eindruck, und kaum standen wir davor, kam auch schon eine uniformierte Rezeptionistin herausgestürmt. Im Kurhaus» (クアパーク), wie es tatsächlich heisst, können Männlein und Weiblein sogar gemeinsam baden, allerdings müssen dazu züchtige japanische Badekleider angezogen werden. Dafür stand uns der Sinn nicht, und so beliessen wir es bei einigen Aussenfotos, auf denen man die Holzkonstruktionen Ban Shigerus noch etwas erkennen kann. Die Häuslein im Hintergrund sind die Hotelzimmer dieser edlen und nicht billigen Residenz.

Nagayu Onsen pflegt einige «Badfreundschaften» und liess sich daher auch zu einem Trinkbrunnen-Pavillon inspirieren. Das Wasser ist stark mineralhaltig, wird zum Trinken und Gesunden empfohlen und schmeckt wie befürchtet auch entsprechend gruusig.

Auch kamen wir an einem offenen Pool am Fluss (Ganyu) sowie an zahlreichen kleineren Badehäuslein unterschiedlichen Stils vorbei. Wer in Nagayu Onsen übernachtet, kann sich für wenige Yen einen Schlüssel von der Tourismus-Info holen und diese nach Herzenslust ausprobieren.

Irgendwann war das Dorf zu Ende und wir bogen dann noch ab zu einem Hügel, auf den man hinaufsteigen und heruntergucken konnte. Neben der schönen ländlichen Landschaft boten sich auch mal wieder Blicke in die Abgründe Japans, sprich dass um manche Häuser und auf Grundstücken sich unglaubliche Müllberge sammeln können. Wir rätseln weiterhin, warum das so ist. Entsorgung und Recycling in Japan ist ein Riesenproblem bzw. scheint auch teuer zu sein. Lässt man darum alles liegen oder stapelt es ums Haus, bis es sich messiehaft auftürmt? Niemand scheint sich daran zu stören.

Vom Hügel ging es dann wieder hinunter und wir wanderten nun zügig zurück durchs Dorf zum allerersten Bad, dem Gozenyu  (Bilder siehe zu Beginn), älter, bodenständig, ohne Chichi und Design, in dem man auch mit Badetouristen, aber auch mit den Einheimischen ins Wasser steigt. Das Wasser ist heiss, es gibt auch einen (warmen) Rotemburo, und das Wasser ist eh dasselbe.

Und hier lüftete sich auch das Geheimnis, warum wir in Nagayu Onsen ständig über deutsche Zitate und Wörter stolperten: Der Ort hat eine inzwischen langjährige Bäderfreundschaft mit Bad Krozingen im schönen Baden-Württemberg, ca. 20 km südlich von Freiburg und ca. 40 km nördlich von der Basel entfernt. Auch dort sind die Heilquellen stark mineral- und kohlensäurehaltig, somit macht die Partnerschaft Sinn.

Derart erquickt machten wir uns nun wieder auf zurück zur Bushaltestelle, wo uns dann zu unserer Freude der letzte Bus des Tages in das nicht weit entfernt gelegene Städtchen Bungo-Taketa mitnahm. Es versteht sich von selbst, dass auch dieser Bus für die ca. 15 km wieder eine gute Stunde unterwegs war, da er durch alle Dörfer fuhr. Vom Bahnhof Bungo-Taketa aus besteht dann Zugsanschluss zurück nach Ōita. Da wir  noch eine knappe Dreiviertelstunde Zeit hatten, spazierten wir rasch ins Stadtzentrum.

An sich hatten wir für Taketa einen Ausflugstag eingeplant, waren uns nun aber nicht ganz sicher. Letztendlich hat uns der kurze Spaziergang nicht so recht überzeugt. Es sah nett aus, wirkte allerdings auch verlassen. Um mehr zu sehen hätten wir noch weiter zum ehemaligen Samurai-Viertel laufen müssen, was aber nicht mehr drin war. Daher entschieden wir uns dann später doch für Usuki. Schade, aber Taketa kommt daher wieder auf unsere lange Liste japanischer Reiseziele. 😉

Beim Gang durch die Bahnhofssperre in Taketa wird man freundlich von den putzigen Frauengesichtern verabschiedet, die uns bereits im Ort begegnet waren. Es sind Hime Daruma Figuren, die in Taketa als Okiagari-sama hergestellt werden. Der Brauch sagt, dass sie Glück bringen. Das nimmt man so gerne mit.

Der «Wanman-Zug» (ein Zug nur mit einem Lokführer und ohne Begleitpersonal, in diesem Fall aber in Wahrheit ein One-Woman-Zug) machte sich auf den Weg gen Ōita, war voll besetzt und rumpelte über die kurvige Strecke. Nochmals waren wir fast eineinhalb Stunden unterwegs. Manchmal braucht es eben etwas Zeit, in Japan auf dem Lande unterwegs zu sein. Aber es lohnt sich.

Veröffentlicht in Japan, Oita | Getaggt , , , | Hinterlassen Sie einen Kommentar