Wiedersehen mit den Buddhas: Usuki – 臼杵 (01.04.24)

Von Ōita dauert es mit dem Lokalzug eine gute Stunde bis nach Usuki, dem Städtchen, in dem wir vor einigen Tagen mit der Fähre angekommen waren und das – im Gegensatz zu Ōita – in jedem Reiseführer steht. Neben dem Ortskern mit einigen erhaltenen Samurai- und anderen historischen Häusern sowie einem Schlossberg ohne Schloss ist Usuki berühmt für seine steinernen Buddha-Skulpturen aus der späten Heian- und Kamakura-Zeit (ca. 1000-1300, etwa unserem Hochmittelalter).  Im Herbst 2007 hatten wir ihnen bereits einen Besuch abgestattet. Es war an der Zeit, sie wieder einmal zu besuchen.

Die Skulpturen liegen vom Bahnhof Usuki ca. 6 Kilometer entfernt. Dorthin gelangt man auch per Bus, der allerdings nicht häufig fährt. Alternativ kann man am Bahnhof bei der sehr freundlichen Touristeninformation ein Velo mieten und erhält eine Wegbeschreibung. Heute kamen natürlich unsere Velos wieder zum Einsatz, und zum Glück gibt es in Usuki (immer noch 😊) einige Schliessfächer gegen Gebühr zu mieten, in denen wir die Taschen einschliessen konnten.

Der Weg führt entlang der stark befahrenen Hauptstrasse und durch die übliche Peripherie: Supermärkte, Industrie, Kettenrestaurants. Nicht schön, aber auf dem breiten Gehsteig radelt es sich ganz angenehm und unberührt von allem. Kurz vor dem Ziel geht es nach links in ein zum Glück ruhigeres kleines Seitental. Zu dieser Jahreszeit wird man auch von einer Gruppe blühender Kirschbäume begrüsst.

Man kauft sein Eintrittsticket und erhält eine Wegbeschreibung und begibt sich auf den Rundweg. Wir waren verwundert, da es so ruhig war. Keine Reisebusse und -gruppen, nur wenige Autos und Besucherinnen waren unterwegs. Es sei sehr ruhig geworden seit Corona, erzählte uns die freundliche Frau, die am Eingang zum Rundweg die Tickets kontrollierte. Warum weiss auch sie nicht so recht. Vielleicht sind andere Ziele beliebter? Dabei gehören die Buddhas zum nationalen Kulturerbe Japans.

Wir genossen es jedenfalls, ungestört und in Stille den Weg hochzuwandern. Die Buddha-Gruppen wurden einst in 4 Gruppen aus dem weichen, bei einem frühen Vulkanausbruch entstandenen Tuffstein geschlagen. Was für die Bearbeitung gut war, ist es nicht für die Erhaltung: Der Tuffstein ist auf Dauer nicht witterungsbeständig, und so haben die Skulpturen über die Jahrhunderte auch sehr gelitten. Von 1980 bis 1993 wurden sie umfassend restauriert, und der Dainichi Nyorai, der grosse Buddha der Furuzono Gruppe, erhielt auch wieder seinen Kopf zurück, der (vermutlich bei einem frühen, starken Erdbeben) abgefallen war.
Alle Buddhas haben ihren besonderen und gütigen Ausdruck, aber mich hat bereits beim ersten Mal der Dainichi Nyorai am meisten fasziniert. Schön ihn nochmals begrüssen zu können.

Wer schnell ist, schafft den Rundweg und die Beschauung in 20 Minuten. Wir liessen uns Zeit für alles, fotografierten, wanderten noch hoch zum Bambuswald sowie zu einem verlassen aussehenden Schrein, gingen wieder herunter, und genossen die friedliche schöne Atmosphäre dieses Ortes. Schon damals hatte uns dies fasziniert (siehe einige Fotos 2007).

Unserer dumpfen Erinnerung nach ist aber in den letzten 15 Jahren der Rundweg sehr gut ausgebaut worden und auch die Dächer über den Buddhas wirkten neu und stabil.

Auf dem Rückweg gab es dann noch eine überraschende Begegnung: Eine Schlange lag direkt auf dem Weg vor uns. Nach dem ersten Schreck – beiderseits – liessen wir dem Tier aber Zeit, sich zu verkriechen. Es war gemäss Aussehen und Recherche auch keine giftige «Mamushi» (japanische Viper), vor der häufig gewarnt wird, sondern wohl eine harmlose Natter (Lycodon orientalis?). Schon das zweite, uns überraschende Tier, das uns in diesen Ferien begegnete. 😊

Wir radelten noch zur anderen Talseite zum kleinen Mangatsuji Tempel, umrundeten das kleine Tal und kehrten dann anschliessend wieder nach Usuki zurück. Es war Mittag vorbei, und wir wollten versuchen, noch etwas zum Essen zu finden.


Was allerdings nicht einfach war, denn auch in Usuki sind Touristen sehr rar. Wir radelten durch die einsamen Strässchen mit teilweise noch alten Häusern, davon wirkten aber viele verlassen und teilweise baufällig. Auch Restaurants und Einkaufsgelegenheiten waren rar – da hätten wir vielleicht besser an der Ausfallstrasse angehalten? Durch Zufall landeten wir doch noch vor einer gut aussehenden Adresse (Kawamura Kaisen ). Das Meeresfrüchte-Donburi war köstlich, das historische Holzgebäude sehr elegant und die Bedienung sehr freundlich.

Ein Ausflugstag ohne Museumstag ist nur eine halbe Sache, zumindest für Thom. Gestärkt ging es wieder zurück , vorbei an einer grossen Fabrik für – wie wir später feststellten – Sojasauce. Fundokin hat sein Hauptquartier in Usuki und die Saucen sind in ganz Japan in jedem Supermarkt zu finden (siehe Symbol auf dem höflich kopierten Foto). Fasziniert hat mich insbesondere die alte Villa am Eingang des Firmengeländes, die noch genutzt wird.

Sie liegt fast genau gegenüber des kleinen historischen Geschichtsmuseum Usukis, in dem man etwas über die Geschichte des Ortes erfahren kann, wenn auch nur mit sehr wenig englischen Erläuterungen. Immerhin erfuhren wir, dass der Burg-Schlossberg einst eine kleine Insel war und erst später mit dem Ort zusammengewachsen ist.

Zurück ging es durch die einstige Haupt-Einkaufsstrasse zu besagtem Burghügel. Einige Treppen sind zu erklimmen, bis man das etwa 15-20 Meter hohe Plateau erreicht hat. Es versteht sich von selbst, dass dieser Hügel auch bei einem allfälligen Tsunami eine wichtige Evakuierungszone ist. Das Meer ist nah, und, wie man weiss, auch immer eine potentielle Gefahr.

Oben auf dem Hügel blühten die Kirschbäume in voller Pracht, und im hinteren Teil suchten die Hanami-Verkaufsbuden ihr Geschäft zu machen. An diesem strahlenden Montagnachmittag hielt sich der Andrang in Grenzen, einige Familien mit Kindern, Jugendliche und ältere Paare waren unterwegs. Vielleich würde der Andrang nach Feierabend nochmals zunehmen?

Primär gibt es diverse Snacks und Esswaren in den Varianten süss und salzig, dazu noch den üblichen Unterhaltungsschnickschnack für Kinder und Kind-gebliebene (Spielwarenartiges etc.).

Der Blick auf die umliegende Landschaft ist auch nicht zu verachten. Wunderschön sahen die mit den blühenden Kirschbäumen unterschiedlicher Art durchsetzten, bewaldeten Berge aus.

Auch ein paar Kameliensträucher versuchten noch verzweifelt mitzuhalten in der blühenden Pracht. Aber ihr Ansehen ist leider nicht so hoch in der Blütenschau.

Was dann eher ernüchtern war, waren die sanitären Einrichtungen, die ich kurz aufsuchen wollte: Es gab nur die alte japanische Hocktoilette (siehe auch Blogbeitrag). In ländlichen Gebieten ist diese immer noch häufig anzutreffen, aber hier war es die einzige Wahlmöglichkeit. Somit sparte ich mir mein Bedürfnis für das gut ausgestattete Bahnhofs-WC auf. 😉

Es war halb fünf Uhr nachmittags, und wir mussten uns langsam zurück zum Bahnhof begeben. Die Zugverbindungen von JR Kyūshū noch ausbaufähig und vom Stundentakt weit entfernt. Die nächste Verbindung war ein Schnellzug, für den immer ein ordentlicher Zuschlag fällig ist, aber das war es uns wert, denn sonst hätten wir 40 Minuten auf den Lokalzug warten müssen.

Zurück in Ōita war die neueTourismuskampagne, die wir die Tage vorher bereits verfolgt hatten, nun offiziell gestartet. Wir können die Anstrengungen nur begrüssen. 😉 Übrigens ist der 1. April häufig das Datum für einen Neustart in Japan: Das Schuljahr sowie zahlreiche Verwaltungs-Termine beginnen dann.

Drin in der Bahnhofshalle war eine Modelleisenbahn aufgebaut, dazu noch ein geblümter Fotospot, und die grosse aufgeblasene Puppe, die wir bereits am Vortag gesehen hatten, lag vor dem Gebäude ebenfalls und offiziell zum Fotografieren parat, und die Leute taten dies auch fleissig.

Auf dem grossen Vorplatz war noch einiges los, und wir wunderten uns, dass der künstliche Kirschbaum so viele junge Erwachsene anzog. Bis wir realisierten: Das Ding war eine hübsch dekorierte Ladestation für Smartphones! Wie praktisch und originell!

Zum Glück konnten wir aus dem Bahnhof direkt in unser praktisch gelegenes Dormy Inn-Hotel fallen. Morgen würden wir weiter in den Süden nach Miyazaki fahren. Usuki behalten wir weiter in guter Erinnerung. In der Stadt stehen noch viele alte Häuser, die aber verlassen wirken und teilweise verfallen. Andere Gebäude schienen renoviert und so neu, dass wir nicht richtig einschätzen konnten, ob sie tatsächlich alt oder doch neu gebaut worden sind. Für das Städtchen und die zahlreichen Tempel sowie die detailliertere Besichtigung könnte man also durchaus etwas mehr Zeit einplanen. Aber alleine die Buddhas sind in jedem Fall eine Reise nach Usuki wert.

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