Nach einer langen Nacht weckte uns das Handy um 06 Uhr. Zwar waren wir einige Male wach geworden, aber erstaunlicherweise gleich wieder eingeschlafen. Also konnten wir gut erholt und ohne grösseren Erst-Jetlag in den Tag starten. Nach dem morgendlichen Bad genossen wir das japanisch-westliche Frühstücksbuffet in der 13. Etage mit Blick auf die Stadt.
Das Wetter sah gut aus und versprach Sonne und sommerliche 25°C – was will man mehr Anfang Oktober! 😉
Die spannende Frage nach dem Frühstück war: Hatten unsere Velos die Reise halbwegs überstanden? Dies hatten wir am Flughafen wegen der Hektik nicht mehr kontrolliert und hofften nun das Beste. Und zum Glück: Trotz einiger übler Verbiegungen der Schutzblechhalterungen (das altbekannte Problem nach dem Transport) bekamen wir sie mit einigen Tricks wieder fahrtüchtig. Der Tag war perfekt für den Ausflug nach Ōya, gut 9 km westlich des Bahnhofs gelegen. Dort wird der einzigartige «Ōya Tuffstein» abgebaut, und so gibt es einiges zu sehen. Also los!
Entlang der Hauptstrasse Nr. 70 Richtung Nikko liess es sich zuerst recht entspannt fahren. In Japan radelt man ja als Alltags-Radler normalerweise auf dem Gehweg. Hier gab es für kurze Streckenabschnitte sogar einen Fahrradweg. Trotzdem könnte sich Utsunomiya als Stadt des «Japan Cup Cycle Road Race 2025» noch ein bisschen mehr für Velofahrer ins Zeug legen. 😉
Irgendwann, nachdem wir das Stadtgebiet verlassen hatten, war dann auch der Gehweg zu Ende und wir mussten auf der Autostrasse weiterradeln. Die Strasse nach Ōya bog dann aber kurz danach ab
Ein wenig später stoppten wir am Besucherzentrum des Ōya Parks, wo wir die Velos auf einen Veloparkplatz stellten und zu den vorgesehen Besichtigungen marschierten.
Der «Tengu no nageishi» (Tengus geworfener Stein) prankte unübersehbar oberhalb des Weges, er wird zur Sicherheit von stabilen Stahlnetzten in Form gehalten.
In einem ehemaligen Steinbruch dahinter befinden sich die beeindruckend grosse «Heiwa Kannon» sowie andere Steinformen. Vor allem sehenswert und von höchst kulturhistorischem Rang ist dann die Kannon-Staute im Tempel auf der anderen Seite des Parks. Die in den Fels gehauene Statue einer tausendarmigen Kannon stammt aus der Heinan-Zeit und ist somit über 1000 Jahre alt. Sie soll die älteste Steinskulptur Japans sein, und der uns bereits sehr bekannte buddhistische Mönch Kōbō Daishi soll den Tempel begründet haben.
Es war schnell Mittag, und das kleine Soba-Restaurant wirkte sympathisch, zumal es von zwei rüstigen Omas geführt wurde (mit dem Taco-Restaurant gegenüber konnten wir so gar nichts anfangen). Satt und zufrieden kehrten wir nach der Pause wieder zu den Velos zurück. Noch eine interessante Entdeckung machten wir dort: An einem kleinen Automaten durfte man gratis Quellwasser zapfen. An sich nicht ganz ungewöhnlich. Bis vielleicht auf die «Öffnungszeiten» der Anlage, ähnlich wie bei den Geldautomaten. Japan hält wenig vom 24h-Betrieb.😉
Knapp einen Kilometer entfernt befindet sich dann das Ōya History Museum. Und hier bietet sich die besondere Gelegenheit, die Steinbrüche zu besichtigen. Dort wurde der besondere Stein, etwa zur Verkleidung von Häusern, unterirdisch abgebaut.
Zuerst lernt man im kleinen Museum etwas über die anstrengende Arbeit. Der Tuffstein ist relativ weich, daher kann er von Hand (später maschinell) gesägt oder gebrochen werden. Primär wird der Stein für die Verkleidung von Häusern und Gebäuden genutzt. In Utsunomiya sind überall in der Stadt noch kleinere Lagerhäuser erhalten . Die besondere, unregelmässige Struktur ist sehr dekorativ und schafft ein gutes und kühles Raumklima. jedoch ist er nicht besonders widerständig gegenüber der Witterung.
Dann begibt man sich über Treppen nach unten. Die nach und nach entstandenen grossen Hallen haben gigantische Ausmasse. Besichtigt werden kann ca. 1/3 des gesamten alten Steinbruchs, und selbst das ist schon gewaltig. Farbige Illuminationen hübschen alles noch etwas auf. Für gebrechliche (oder auch faule) Personen ist die Besichtigung per motorisiertem Caddy möglich.
Der Steinbruch war lange in Betrieb (mind. seit dem 19. Jh. bis in die 70er?, sorry habs vergessen), und ist während des 2. Weltkriegs zur Produktion von Flugzeugteilen genutzt worden.
Im Untergrund war es mit 12° C nicht gerade warm, und es war gut, sich am Tageslicht wieder aufzuwärmen. So schmeckte auch das leckere Eis noch besser. Denn selbstverständlich gab es neben dem Museum ein Shop plus Restaurant, in dem man allerlei nette Dinge kaufen und essen kann.
Als nächstes hätten wir noch gerne den aktuellen Steinbruch ein Stück weiter besichtigt, aber an dessen Einfahrt standen grosse Verbotsschilder. Es war zu spät am Tag. Künstlerpech. Wir hatten nicht gesehen, dass wir hätten vor Mittag dort sein müssen, um hineinzugelangen. Dann das nächste Mal.
Nun ja, es war bereits 15 Uhr, und wir mussten uns sowieso langsam auf den Rückweg machen. An der Strasse wollten wir nicht mehr entlangfahren, und daher schlugen wir uns mit Hilfe von Google Maps über die Felder, kleine Nebensträsschen und durch Wohnsiedlungen in die Innenstadt Utsunomiyas durch. So erhält man interessante Einblicke in die Natur und das japanische Alltagsleben. Z.B. dass ab ca. 15:30 Uhr die Grundschule endet, und einem zahlreiche Schulkinder zu Fuss oder auf ihren Velos entgegen kommen. Oder dass es zahlreiche Kaki-Arten gibt, und die Zeit dafür noch viel zu früh ist (die meisten hängen noch recht grün an den Bäumen). Zudem kamen wir an noch einigen Oya-Stein-Häusern vorbei.
Zurück im Zentrum stoppten wir noch am grossen Bahnhof und Kaufhaus der Tobu-Line. Direkt dahinter lag nämlich eine besondere Sehenswürdigkeit: Die von einem Schweizer Architekten im Jahr 1932 erbaute katholische Matsugamine-Kirche aus Ōya Stein (Name folgt…)
Es war eigentlich noch nicht spät, und wir waren überrascht, dass die Sonne bereits am untergehen war. In Japan ist die Tageszeit anders als bei uns, es ist um 06 Uhr bereits taghell, dagegen um 18 Uhr stockdunkel, und so was wie Sommer- und Winterzeit kennt man hier nur vom Hörensagen. Die meisten Sehenswürdigkeiten machen auch um 17 Uhr Feierabend, und so endet für die Japaner der Tag in der Regel früh.
Zurück am Bahnhof beeindruckte uns ein grosser Starenschwarm, der sich vor dem Yodobashi-Gebäude versammelte und einen Heidenlärm veranstaltete. Ob sie sich wie in Europa versammeln, um ins Winterquartier zu ziehen?