Kakunodate – 角館

Am Donnerstag, den 16.10. hiess es Abschied nehmen von Hirosaki. Unsere Velos hatten wir bereits am Abend zuvor im Bahnhofs-Parkhaus (für Fahrräder) gelassen, um uns die Schlepperei vom Hotel zum Bahnhof zu sparen. Und vor allem, weil wir befürchteten, mit Koffern und Velos den Bus zu verstopfen.

Auch ohne diese kam es dazu: Im kleinen Stadtbus, der uns zum Bahnhof brachte, bekamen wir unsere Koffer kaum hinein und verstopften natürlich den schmalen Gang. Es war mal wieder megapeinlich. Die japanischen Lokalbusse sind sehr alt, Niederflurbusse sind praktisch unbekannt. Platz für Kinderwägen oder Rollatoren gibt es in den Bussen nicht. Für Koffer und anderes grosses Gepäck ist kein Platz vorgesehen. Also was sollten wir machen? Nun ja, Augen zu, viel «Sumimasen», und durch. Zum Glück waren nicht so viele Leute im Bus.

Pünktlich bestiegen wir den Lokalzug, der uns nach Akita brachte. Dort würden wir noch für ein kurzes Stück in den Akita-Shinkansen zu unserem nächsten Ziel Kakunodate umsteigen.

Unser Reiseplan hatte eigentlich eine andere Verbindung vorgesehen, und zwar die Fahrt von Hirosaki mit der Akita Nairiku Line,  einem kleinen Bimmelbähnchen durch die Berge.

Wie wir jedoch schon bei der Ankunft erfahren hatten, war die Verbindung seit einiger Zeit unterbrochen. Die schweren Regenfälle vom Juli 2024 haben zahlreiche Bahnstrecken in Akita und Yamagata sehr beeinträchtigt, und seit einigen Monaten finden die Reparaturarbeiten statt. Auf der Nairiku-Line gab es wegen der Baumassnahmen auf dem letzten Teilstück noch immer  Busersatzverkehr. Die zwei, drei Umstiege hätten wir vielleicht noch hinbekommen, aber dieser letzte Bus machte uns echt Sorgen, denn wir hatten keine Ahnung, welche Art von Bus zur Verfügung stehen würde. Undenkbar dort einzusteigen, wenn es der Typ Lokalbus (siehe oben) wäre…

Darum, und weil das Regenwetter am Sonntag wenig attraktiv für die Strecke war, haben wir auf die Route verzichtet. Vielleicht klappt es ein anderes Mal. 😉

So sassen wir im Lokalzug der Ōu-Line bis Akita gemütliche 2,5 Stunden und guckten aus dem Fenster. Die Landschaft veränderte sich nach und nach, wurde flacher, und die Reisfelder mehrten sich. Dass Akita (mit Yamagata und Niigata) die «Reiskammer» Japans ist, war nicht zu übersehen. Die Parade-Reissorte heisst übrigens «Akita Komachi» und ist für seinen guten Geschmack und leicht klebrige, feste Textur bekannt und beliebt. Es gibt jedoch noch viele andere lokale Sorten, und jede Provinz rühmt natürlich die ihre.

Das «Akita Art Village» ist ein kleiner Kulturpark mit Musicaltheater, Onsen, Bierbrauerei, Heidelbeerfarm und Handwerkszentrum, 6 Kilometer von Kakunodate entfernt. Unsere Unterkunft, das «Onsen Hotel Yupopo», lag ebenfalls dort. Alles eine interessante Mischung, allerdings war an diesen zwei Tagen nicht los. Im Hotel mit seinem schon etwas angejahrten Charme war es daher sehr ruhig. Unser Tatami-Zimmer war gross und lag wunderbar ruhig, wir schliefen prima und konnten morgens und abends das grosse Onsen gratis nutzen. Was will man mehr? 😉

Da wir ja etwas abgelegen wohnten, hat Thom sicherheitshalber Halbpension für die beiden Nächte gebucht, und das war eine gute Wahl, denn sowohl das Frühstück mit den lokalen Spezialitäten als auch das Abendmenü waren köstlich. Dazu tranken wir Bier der benachbarten Tazawako-Brauererei, die richtig gute Biere machen. Vor allem das Pilsner und das «IPL» (India Pale Lager) haben uns überzeugt. Vielleicht müsste ich da mal ein kleines Praktikum einlegen? 😁
Wir speisten zudem, wie es sich in Japan gehört, in unserem eigenen Séparée. Sehr stilvoll.

Am nächsten Tag war das Wetter wieder prächtig, so konnten wir mit unseren Velos locker nach Kakunodate radeln. Die Hauptstrasse hat einen breiten Gehweg, der gut befahrbar war (sofern sich die japanische Vegetation nicht zu breit gemacht hatte). Die Haupt-Sehenswürdigkeit in Kakunodate sind die Kirschblütenallee (falsche Jahreszeit), eine alte Sojasaucen-Brauerei, das Samuraiviertel mit zahlreichen Samuraihäusern zum Anschauen sowie ein «Rindenhandwerksmuseum», unter dem wir uns erstmal herzlich wenig vorstellen konnten.

Erstmal mussten wir beim Bahnübergang in die Stadt ziemlich lange warten – gemeinsam mit ziemlich vielen Autos, die sich dann stauten. Zuerst kam von der einen Seite der schnittige Akita-Shinkansen angefahren.

Und danach fuhr dann tatsächlich noch von der anderen Richtung her das Akita-Nairiku-Bähnchen vorbei! Eine Testfahrt, da sie am nächsten Tag (!) den Betrieb wieder aufnehmen würden. Schluchz! Immerhin haben wir es gesehen.

Unsere Sightseeing-Tour startete mit der Andō-Brauerei, einem ehrwürdigen, alten Sojasaucen-Hersteller. Es roch bereits köstlich, als wir unsere Velos vor dem Geschäft abstellten.

Im historischen Gebäude werden inzwischen vielerlei Produkte hergestellt. Natürlich Sojasaucen diverser Konsistenz bzw. Verwendung, Miso (zur Suppenherstellung), verschiedene Tsukemonos (fermentierte Gemüse), etc. Gerne hätten wir unsere Taschen mit all den Köstlichkeiten gefüllt, aber wir mussten uns leider sehr beschränken. Einige Tsukemonos wollten wir als Omiyage an unsere Lehrerinnen in Matsuyama schicken. Zwei Packungen mit «Kan Koji», einer Art Reismisopaste zur Erzeugung fermentierter Gemüse sind aber schon auf dem Weg nach Hause. Unser Kohl im Garten darf sich auf eine neue Zubereitungsart freuen.  🥬

Weiter ging es zum Samuraiviertel, welches sich letztendlich als eine Strasse entpuppte, die links und rechts gesäumt war von neuen, nicht zugänglichen Häusern, und den alten, die besichtigt werden konnten. Da wir inzwischen sehr viele solcher Samurai-Häuser gesehen haben, besuchten wir nur zwei davon.

Dagegen hat uns der Besuch der „Kakunodate kaba-zaiku denshō-kan“ (角館樺細工伝承館) das «Kirschrinden-Handwerksmuseum» total fasziniert. Es ist ein altes Handwerk, und den alten Meister, der fotografiert werden durfte, ist ein «lebender Nationalschatz», also eine Person und Handwerksmeister, der sich um die traditionelle Handwerkskunst verdient gemacht hat.

Aus der Rinde des Kirschbaums, die sorgfältig abgeschält wird, damit der Baum weiterlebt, werden wunderschöne Holzwaren hergestellt, die es nur in dieser Gegend gibt. So etwas hatten wir noch nie zuvor gesehen. Diese Kunst hat ihren Preis. Die im Museum ausgestellten, besonders kunstvollen Werke sind wohl unbezahlbar. Die im Shop sind erschwinglich, und da konnten auch wir nicht widerstehen. Doch eine so schöne hölzerne Teedose lässt sich ja auch sinnvoll einsetzen.

Die Zeit war ausreichend, auch noch dem kleinen lokalen Kunstmuseum einen Besuch abzustatten, und dann waren wir am frühen Nachmittag auch schon wieder durch mit dem Programm. Wir radelten zum Supermarkt, kauften etwas Obst (Kaki), und fanden auch ein nettes Bänkchen, um dieses zu verspeisen, immer die Umgebung kontrollierend, denn im kleinen Park gab es mal wieder eine Bärenwarnung. Langsam werden uns diese Tiere doch etwas unheimlich. Und wie wir haben sie ja bekanntlich Früchte auch gerne…

Im Supermarkt rätselten wir übrigens noch über einen etwas abgeschirmten Bereich direkt hinter den Kassen. Was war das denn? Wir brauchten einen Moment, bis uns klar wurde: Es war ein Wahllokal für irgendwelche Wahlen, die stattfanden. Eine spannende  und praktische Sache, das Wahllokal dort hinzubringen, wo die Menschen sind.

Der Rückweg zum Hotel war mit einigen Fotopausen gewürzt. Was derzeit auffällt sind die vielen „Berge“ von verstreuten Reisspelzen. Manchmal werden sie gesammelt, manchmal einfach auf den Feldern verstreut.

Vor allem ein schön bestellter Garten hatte es uns angetan. So schade, dass wir nicht so viele der leckeren japanischen Gemüsesorten nicht bei uns anbauen können. Einiges geht zwar, aber für einige andere Dinge ist es in unseren Breiten (noch?) nicht warm genug im Sommer.

Auch die zahlreichen Kaki-Bäume sehen prachtvoll und farbenfroh aus. Wie wir gelernt haben, sind die Kaki auch Bärenfutter…

Zurück im Hotel warfen wir etwas Ballast ab, um dann gleich nochmals weiterzuradeln in Richtung des Dakigaeri Tals. Dort ist der Wasserfall «Mikaeri no Taki» eine der Natur-Sehenswürdigkeiten der Gegend. Jedoch befand sich kaum noch ein Mensch am Ausgangspunkt (einem Parkplatz).

Es war bereits nach vier Uhr nachmittags, um fünf Uhr würde es dunkel sein. Der Fussmarsch bis zum Wasserfall würde eine gute halbe Stunde dauern, und zurückkommen sollten wir ja auch noch. Dazu gab es nochmals eine ziemlich deutliche Bärenwarnung.

Wir entschieden: Lieber nichts riskieren, und ein Sonnenuntergangsfoto mit Reisfeld ist ja schliesslich auch was Schönes. Und natürlich das feine Abendessen. 🙂

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Akita, Japan und getaggt als , , , . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert