Ōsaka (1) -大阪 1

Seit Samstagnachmittag sind wir wieder in einer richtigen Stadt, was aber etwas untertrieben ist. Das Kansai-Gebiet mit den praktisch zusammengewachsenen Städten Ōsaka, Kyoto und Kōbe hat über 17 Millionen Einwohner und zählt zu den grössten Ballungsgebieten der Welt. Die Präfektur Ōsaka – das ist die Stadt Ōsaka und die umliegenden Gemeinden – sind mit ihren etwa 8 Millionen Einwohnern praktisch zusammengewachsen. Wenn man also von der Provinz kommend in diese Metropole eintaucht, ist es erstmal wieder völlig erschlagend. Massen von Menschen, Häusermeere … Aber wir wussten ja, worauf wir uns einlassen. Im November 2007 haben wir schon einige Tage lang Ōsaka erkundet, und es sehr spannend gefunden. Damals hatten wir zum ersten mal die Birdys dabei. Das hatte prima funktioniert. Auch in einer Zig-Millionen-Stadt lässt es sich immer noch gut Velo fahren.
Nur sind die Strecken halt etwas länger als sonst, und daran muss man sich ziemlich gewöhnen. Was auf der Landkarte ganz nah aussieht, ist dann halt gleich 5 Kilometer entfernt.

Immerhin war unsere Anfahrt schon optimiert. Da wir ja diesmal keinen Japan Rail Pass gekauft haben, nutzten wir die private Kintetsu-Linie. Und diese brachte uns von Nagoya direkt nach Ōsaka-Uehonmachi.

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Der Zug war ein so genannter ‚Limited Express‘, ein Schnellzug, und wie im Flugzeug konnte man auf einem Bildschirm die Fahrt über eine Webcam verfolgen. Eine Superidee! Die Querverbindung via Wakayama-Halbinsel war auch interessant, da wir diese Gegend bisher noch nicht kannten. Denn bisher fuhren wir immer nur mit dem Shinkansen via Kyoto.

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Direkt über dem Bahnhof liegt unser Hotel Miyako Ōsaka-Uehonmachi. Edel, aber bezahlbar – verglichen mit europäischen Preisen. Da wir hier ja sechs Nächte verbringen, durfte es nicht zu eng sein. Man will ja wenigstens bequem seinen Koffer aufklappen können, und das ist in manchen Business-Hotels teilweise schon schwierig. Unser Zimmer liegt im 15. Stock mit schönem Blick Richtung Süden. Fensteraufmachen ist allerdings nicht mehr möglich.

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Nach unserer Ankunft blieb am Spätnachmittag noch Zeit, nach Umeda, einem Stadtteil in nördlicher Richtung zu radeln. Dort wollten wir wieder Yodobashi, dem grössten Elektronik-Kaufhaus, einen Besuch abstatten. Über Yodobashi habe ich in den letzten Ferien etwas gepostet (s. Eintrag vom 15. April 2009).

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Yodobashi-Hakata und Yodobashi-Ōsaka sind in etwa gleich, einfach riesig. Nach einer halben Stunde durch die Wunderwelt der Elektronik ist man ob des Lärms, der ‚Marktrufer‘ und der Musik-Dauerberieselung völlig erschlagen, hält aber noch tapfer durch, da es einfach unglaublich viel Spannendes zu sehen gibt. Und man merkt auch da, das Japan einfach anders funktioniert. Zum Beispiel nimmt das Angebot der Klimaanlagen hier ein Drittel von einem der sechs Stockwerke ein. Oder man kann zwischen mindestens 100 verschiedenen Reiskochern (=suihanki) wählen.

Andererseits waren wir überrascht, dass ein Teil des Gebäudes nun an einen Bekleidungshersteller (Comme de Garçons) vermietet war. Das war 2007 noch nicht so. Offenbar laufen die Geschäfte nicht mehr so gut, da auch in Japan viel mehr (und billiger) im Internet gekauft wird. Beim Konkurrenten BigCamera ist das wohl genauso.

Sonntag war dann wieder ein Veloausflug angesagt. Als Ziel hatten wir uns zwei speziellere Sehenswürdigkeiten im Süden der Stadt ausgeguckt. Erst um 10 Uhr kamen wir los und radelten fast 2 Stunden im Stadtverkehr bei 35°C. In Sakai angekommen war ich völlig fertig. Und der ‚Daisenryo-Kofun‘ war – wie schon vermutet – von der ‚Erdansicht‘ nicht annähernd so eindrucksvoll wie aus der Luft, auch wenn wir den Tumulus halb mit dem Velo umradelten.

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In Japan gibt es zahlreiche dieser alten Gräber bzw. Schlüssellochgräber (in Japan Kofun genannt) aus dem 3.-7. Jahrhundert. Aus der Luft sehen sie eindrucksvoll aus., wirklich wie Schlüssellöcher. Aber wenn man davor steht, sind Fotos fast zwecklos. Zumal die meisten der Hügel ungeöffnet und dicht mit Bäumen bewachsen sind. Zudem sind sie absolut unzugänglich. Betreten verboten, da sie als Privatgräber der kaiserlichen Hofbehörde unterstehen. Und die agiert 1000%ig traditionell …

Also weiter zur Sakai City Hall, und dort in den 21. Stock, wo wir versuchten, uns von oben ein Bild zu machen. Immerhin war zu erkennen, wie gross dieser Grabhügel ist. Beeindruckend war auch der Blick nach Norden auf die Skyline Ōsakas.

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Zum nächsten Programmpunkt fuhren wir also einige Bahnstationen mit dem Zug. Per Velo wären es wohl noch ca. 15 Kilometer gewesen – ein Weg. Das Velo liessen wir – mit etwas schlechtem Gewissen – im Velo-Halteverbot in Sakai stehen und hofften, dass kein böser Velo-Aufräumer am Sonntag Nachmittag unterwegs sein würde …

Das kleine ‚Ōsaka Prefectural Sayamaike Museum‘ liegt in Ōsakasayama, einer Ortschaft südöstlich von Sakai bzw. dem Stadtgebiet Ōsakas. Wir sind nur deshalb auf dieses besondere Museum gekommen, weil es auch ein Bau von Tadao Ando ist. Zur Erinnerung: Er hat auch das Saka-no-ue-no-kumo-Museum in Matsuyama gebaut. Und natürlich noch viel mehr.

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Erbaut direkt an einem alten Staudamm, der seit 1400 Jahren zur Bewässerung der Reisfelder besteht, erhält man einen spannenden Einblick in die Bewässerungsgeschichte und -technik der Gegend. Denn als der Staudamm Ende der 90er Jahre umfassend saniert wurde, schnitt man praktisch eine Scheibe heraus, und stellte sie zusammen mit den Ausgrabungen ins Museum. So kann man an den Erdschichten die Geschichte des Dammes wunderbar ablesen.

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Diverse Epochen haben dem Staudamm sein Gesicht gegeben: Das 7. und 8. Jahrhundert (Nara- und Kofun-Zeit), das 17. Jahrhundert (Edo-Zeit) und das 19./20. Jahrhundert (Meiji. Showa, Taisho). Aus allen Epochen werden Fundstücke gezeigt und beschrieben. Man erhält wirklich ein faszinierendes Bild dieses alten Bewässerungssystems.

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Wir finden diesen Bau von Tadao Ando in dieser Hinsicht sehr gelungen weil es die besonderen Exponate des Sayamaike-Museum irgendwie widerspiegelt. Der Architekt Ando hat eine besondere Beziehung zum Thema Wasser, und bei seinen Bauten ist meistens Wasser beteiligt. Diese Ansicht hier kommt fast den früheren Wasserrinnen gleich.

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Und die Säule ähnelt den Entnahmeturm (intake tower) im Stausee – bzw. dem Exponat aus der Showa-Ära.

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Alles ist sehr schön aufbereitet und mit audiovisuellen Materialien ergänzt. Einen Flyer auf Englisch gibt es auch. Wenig Leute waren dort, aber immerhin begegneten wir noch zwei anderen Langnasen – offenbar Architekturtouristen wie wir.
Im kleinen, gemütlichen Museumscafé waren die netten Frauen ganz aus dem Häuschen wegen unserer paar japanischen Sätze – vermutlich aus Erleichterung, weil keine von ihnen Englisch sprach. Dort tranken wir etwas sehr Leckeres: gefrorene Matchakügelchen (Grüntee) in kalte Milch gemischt. Das müssen wir zuhause unbedingt mal nachmachen.
Mit unserem Ausflug waren wir also – trotz des etwas anstrengenden Beginns – sehr zufrieden. Und es war auch spannend, einmal ein recht entlegenes Stadtgebiet zu erkunden. In Ōsakasayama gab es noch einige wunderschöne traditionelle Häuser in den Strassen.

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Wieder zurück in Sakai freuten wir uns, dass unsere Velos immer noch an ihrem Platz standen, und machten uns dann auf den gut 12 km langen Heimweg. Die Temperatur lag ’nur‘ noch bei angenehmen 29°C (um 18 Uhr abends), es wehte ein kühlendes Abendlüftchen, und wir machten uns den Weg leicht, indem wir einfach an der Bahnstrecke nach Norden zurück radelten.

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Dumm nur, dass irgendwann ein Fluss im Wege war, wo der Zug zwar drüber durfte, aber sonst nichts anderes.

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Also wieder mal einen kleinen Umweg zur nächsten Brücke, und dann halt an dieser Strasse – parallel zur Bahnlinie – weiter nach Norden. Die Orientierung in japanischen Städten ist im Prinzip einfach. Wenn auf einer Strasse viel Verkehr ist, nehme man einfach die Parallelstrasse ein bis ein paar Blöcke weiter. Hin und wieder ein Check auf der Landkarte, damit man möglichst nicht über das Ziel hinausschiesst, und so kommt man rasch an den gewünschten Ort. Die Rückfahrt gestaltete sich somit schneller als die Hinfahrt. Und nach einem Gute-Nacht-Bierchen (Sapporo, was sonst) fielen wir ziemlich rasch und ziemlich müde ins Hotelbett. Touristenleben ist einfach mega anstrengend.

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