31.12. – Silvesterabend in Tokyo – 除夜

Das Treffen mit Marie und Fred für den Start unseres Silvesterabends Ōmisoka war auf 16:30 Uhr geplant. Wie wir dann die kommenden Stunden feststellten, ist Silvester in Japan vor allem mit einigem Warten verbunden… 🙂
An diesem Abend wird in Japan traditionell Soba gegessen. Der Grund: Die Hausfrauen sind so beschäftigt mit den Vorbereitungen für das traditionelle Neujahrsessen, dass sie am Silvesterabend nicht noch ewig in der Küche stehen möchten. Also gibt es Soba-Nudeln (aus Buchweizen), ein einfaches und leckeres Gericht. Zudem gilt das Essen von Soba als Glückbringer für ein „schlankes, langes Leben“.
Marie hatte uns bereits vorgewarnt, dass es eine Wartezeit vor dem Restaurant geben könnte. Wir reihten uns also in die Schlange ein und schafften es dann binnen einer Stunde auch hinein.

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Gut, dass es nicht so kalt war und wir uns die Zeit mit Schwatzen vertreiben konnten. Profis hatten sich sogar Mangas zum Lesen mitgebracht. Einer stellte seine Frau und Tochter zum Warten ab, ging (vermutlich) ein Bier trinken, und kam dann erst wieder, nachdem sie ihm per Handy mitgeteilt hatten, dass sie es bis vor die Eingangstüre geschafft hatten…
Die Vorspeisen und Nudeln waren sehr lecker, und nach dem Essen wollten wir anderen Wartenden Platz machen. In Soba-Restaurants sitzt man sowieso nicht ewig. Man isst, bezahlt und geht wieder. Eine schnelle Sache.

Zuhause in unserem Apartment überbrückten wir die nächste Warte-Session mit einem feinen Sake, Reiskeksen und der japanischen „Silvester-Fernsehshow“, Kōhaku Uta Gassen, ein für uns kurioser Mix aus Pop, Schlagermusik und traditionellen Liedern und moderierenden Schauspielern, die wir natürlich alle überhaupt nicht kannten. Lustig war es trotzdem. Marie war aber ganz begeistert und versuchte, uns die notwendigsten Details zu erklären.

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Für den ersten, nächtlichen Schreinbesuch – ebenfalls ein Muss für alle Japaner – brachen wir dann später wieder auf. In Tokyo gibt es die grossen offiziellen Schreine sowie noch eine grosse Zahl vieler kleiner Schreine. Marie hatte uns den grösseren Hie-jinja empfohlen, einige U-Bahn-Stationen entfernt. Leider würde dieser seine Türen erst pünktlich um 0:00 Uhr öffnen. Also wieder eine Stunde warten.

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Es hatte sich bereits eine kleine Schlange vor dem Eingangstor gebildet, als eine Gruppe Aufpasser mit den hier sehr verbreiteten „Leuchtschwertern“ beratschlagte, wie mit dem Andrang zu verfahren wäre.

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Es endete damit, dass alle die grosse Treppe wieder herunter gehen mussten und sich die Schlange vor dem Tori (dem Schrein-Tor) wieder neu bildete. Naja, o.k., auf der Treppe kann eine Ansammlung von Menschen durchaus gefährlich werden bzw. gefährdet sein. Aber das Spielchen , wie die Leute reihenweise wieder bergab geschickt wurden, und diese relativ verständnislos herunterstapften, hatte etwas ziemlich Komisches. Der Menschenwurm hinter uns wuchs also rasch und beständig und zog sich bald die Strasse hinunter.

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Endlich, nach einer Stunde Warten war es zwölf Uhr, wir durften die Treppe hoch stürmen (offenbar gab es Sportliche, die unbedingt die ersten an den Glocken sein wollten). Nachdem eine offizielle Gruppe die Menge vor das Schreingebäude geleitet hatte, konnten nun alle das Ritual vollziehen und sich Glück, Gesundheit und Erfolg für das neue Jahr wünschen:

  1. Das Geld wird in den Sammeltopf geworfen. Eigentlich ist das immer nur ein Holzkasten. An Neujahr – wohl die Hauptquelle der Einnahmen – ist es ein mehrerer Quadratmeter grosser, mit weissen Planen ausgelegter Sandkasten.
  2. Man läutet die Glocke, verbeugt sich zwei mal und klatscht zweimal in die Hände, um die Aufmerksamkeit des Schreingottes zu wecken. Jetzt kann man auch noch einen Wunsch an den Gott richten.
  3. Man verbeugt sich wieder, dankt dem Gott – oder der Göttin –  und kann dann gehen.

Nun, die Götter würden heute Nacht ziemlich viel zu tun haben. Andererseits war diese nächtliche Stimmung vergnüglich und entspannt, ganz ohne Knallerei wie bei uns.

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Es gab einen winzigen Schluck Gratis-Sake vom Tempel, viele Leute kauften Pfeile, die sie sich von den tanzenden Priesterinnen segnen liessen, und natürlich gab es noch viele Dinge mit glückbringenden Eigenschaften zu erwerben. Mir gefiel dieses freudige Fest sehr, daher hier noch zwei Videoeindrücke:

Inzwischen war uns aber mächtig kalt geworden. Im winzigen „Festzelt“ (eine Konstruktion aus Plastikplanen, tranken wir einen Amazake, einen süssen Reiswein, der noch keinen Alkohol enthält und traditionell an Neujahr serviert wird. Eigentlich ist es eine Art flüssige, süsse Reispampe. Er wird heiss serviert, der Zucker ist noch nicht zu Alkohol vergoren, und auch Babys können es noch essen bzw. trinken. Es soll sehr gesund sein, und mir hat es bei diesem Anlass auch gut geschmeckt.

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Wir hätten uns auch mit anderen Köstlichkeiten sehr gut verpflegen können. Von süss bis salzig war jeder Genuss mit einem Stand vertreten. Essen ist in Japan einfach unheimlich wichtig. Die Uhrzeit (es war ja nach 1 Uhr) spielt keine Rolle.

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Leider hat es zum Ziehen eines Omikuji, eines Neujahr-Orakels nicht mehr gereicht, es hätte vermutlich eine weiter Stunde Warterei nach sich gezogen, und trotz des Amazake froren wir weiter.

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Das Orakel musste also bis morgen warten.  Wir machten uns auf den Heimweg auf, während das Treiben am Schrein gerade begonnen hatte. Es würde die ganze Nacht weitergehen, und auch noch die nächsten Tage.

Japanisches Silvester/Neujahr gefällt mir.

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