Seit Montag, 9.3.2020 sind wir glücklich und zufrieden in Japan angekommen, und ich muss mich beeilen, um die Blog-Lücke nicht zu gross werden zu lassen.
Sonntagmorgen starteten wir bei schönstem Schweizer Vorfrühlingswetter mit dem ÖV zum Flughafen. Ob sich hier schon die Auswirkungen des Coronavirus zeigten, kann man vermuten, denn wir hatten ihn schon sehr viel belebter in Erinnerung. Jedenfalls waren wir so schnell wie seit 10 Jahren nicht durch Check-in und Sicherheitskontrollen, seit wir mit Finnair nach Japan fliegen. Nach kaum 40 Minuten vertrödelten wir zeitunglesend die Zeit am Gate.
Unser Flugzeug, ein kleiner Airbus, war jedoch rappelvoll von Menschen, die sich in Helsinki in alle Himmelsrichtungen verstreuen würden. Aus den diversen Gesprächsfetzen filterten wir Polarlichtsuchende und Fernreisende wie uns heraus. In Richtung Osten verschlug es aber eher die Minderheit. Finnair hat – wie fast alle Fluggesellschaften – die Flüge nach China und Korea mehrheitlich gestrichen bzw. stark eingeschränkt.
Planmässig hoben wir um 11 Uhr ab, und kamen superpünktlich in Finnlands Hauptstadtflughafen um 14:45 Uhr Ortszeit an. Auch in Helsinki war es schönes, klares Wetter bei 3°C. Prima, denn dann sollte unserem Weiterflug ja nichts im Weg stehen.
Vom belebten Terminal mit den Europa- und Finnland-Flügen spazierten wir zu den Gates mit den internationalen bzw. Asienflügen – und wähnten uns 10 Jahre zurückversetzt: Gähnende Leere in den Gängen und auf den Warteplätzen zwischen den Gates. Alles sehr friedlich, fast schon unheimlich. Gut, bis zum Abflug der grossen Airbusse in Richtung Asien waren noch 2-3 Stunden Zeit. Aber Massen wie in den letzten Jahren waren auch später nicht auszumachen. An den Terminals gab es Corona-Hinweise, weiter jedoch nichts. Wir sassen im frisch gebauten, neu gestalteten Trakt, verbrachten die Zeit bis zum Abflug ausserordentlich geruhsam, und langsam fiel die Anspannung der letzten Tage wegen des Corona-hin-und-her von uns ab. Und schon kam der Aufruf zum Boarding.
Wir hatten wieder unsere Lieblingsplätze buchen können: Economy Comfort mit megaviel Beinfreiheit, direkt hinter der Business Class. Diese erste Comfortzone war höchst spärlich besetzt, dagegen war es in der hinteren „Economy-Normal Class“ schon voller. Nach dem Essen, Filmschauen und „Schlaf-Dösen“ ging es schon der Morgendämmerung entgegen. Es gab einen kleinen Frühstückssnack, und dann befanden wir uns schon im Landeanflug. Die Strecke war mir diesmal sehr viel kurzweiliger vorgekommen als auch schon.
Japan bzw. Narita empfing uns mit Wolken und Nieselregen. Es muss betont werden, dass wir in diesem Jahr zum ersten Mal im grossen Hauptstadtflughafen angekommen sind. Aus reisetechnischen Gründen hatte sich bisher immer nur die Ankunft bzw. Abreise in Osaka oder Nagoya ergeben. Narita kam uns riesig vor, und man läuft endlose Strecken von den Gates bis zu den Terminals. Auch dort schien alles gespenstisch leer. Manche Teile waren sogar abgesperrt und stillgelegt. Corona-Nebenwirkungen. Wir sahen zahlreiche Warnschilder, und die Flughafenmitarbeitenden trugen allesamt Gesichtsmasken – wie erwartet. Japan hatte zwei Tage vor unserer Abreise eine Einreisesperre bzw. Quarantäne für Personen aus China und Südkorea verhängt. Wer die letzten Jahre die Reiseflut dieser beiden Nationen in Japan gesehen hat, weiss, welche Touristenmassen da jetzt wegbrechen.
Für das Einreiseprozedere hatten wir ursprünglich 2h veranschlagt. Nach knapp 45 Minuten standen wir versorgt mit Einreisepapieren, Gepäck (Koffer & Birdys) sowie inklusive Zollkontrolle vor dem JR-Schalter und kauften uns ein Ticket nach Kamakura, unserem ersten Aufenthaltsort. Ich kann nicht behaupten, dass mir das unangenehm war. 😉
Nur noch auf dem Bahnsteig mussten wir etwas Zeit vertrödeln, denn wir gönnten uns die Fahrt mit dem (teuren) JR Narita Express, der uns aber ohne weiteren Umstieg nach Ōfuna, in der Nähe unseres ersten Stopps, bringen würde. Was bequem, aber auch gefährlich ist, denn während der zweistündigen Fahrt fing wie üblich der Kampf mit dem Schlaf und dem Jetlag an… Der kurze Umstieg in Ōfuna zum Lokalzug nach Kamakura machte uns glücklicherweise wieder munter. Und netterweise mussten wir mit all unserem Gepäck auch das Gleis nicht mehr wechseln.
Das Wetter hatte sich von Narita-Nieselregen zu Kamakura-Schönwetter gewandelt, und endlich war es dort auch auf normale Art und Weise lebendig. Kamakura ist eine Touristenhochburg im „Greater Tokyo Area“, sprich für Tokyoter und Japan-Touristen einer der beliebtesten Tagesausflüge, gehört sowieso zu den Must-See-Orten jeder Japan-Reise. Der Bahnhof rappelvoll, die Touristeninformation war jedoch geschlossen. Corona hat auch Kamakura erreicht, und die Stadtverwaltung hat einen Teil ihrer Einrichtungen stillgelegt.
Wir suchten uns ein ruhiges Eckchen und packten erstmal unsere Velos aus. Zum Glück haben sie den Flug und die zuverlässig unsanfte Behandlung durch das Flughafenpersonal wieder einmal halbwegs überstanden. Keine groben Schäden, aber natürlich wieder einige Verbiegungen, die wir aber selbst richten konnten. Unsere Arbeiten wurden von einem Mitarbeitenden der Busgesellschaft interessiert beobachtet, der uns dann stolz Fotos von seinem Faltvelo, einem Dahon zeigte, und uns – nach einem Foto mit Birdys zur Erinnerung – einen frohen Aufenthalt in Kamakura wünschte. Was für ein netter Empfang!
In der linken Hand den Koffer und in der rechten Hand das Velo schoben wir uns in Richtung unseres Hotels in der Nähe des Strandes, das wir nach einem kleinen Umweg erreichten. Dummerweise hatte ich mir keine Karte ausgedruckt und so liefen wir nach Gedächtnis los. Eine Rückfrage bei einer jungen Frau gab zwar eine freundliche, wenngleich falsche Antwort. Merke: Auch Google Maps hilft nicht viel, wenn das Handy verkehrt herum gehalten wird… 🤔 Nun ja, ich fragte dann zur Sicherheit noch in einem Koban, einer kleinen Polizeistation nach. Damit funktioniert die Wegfindung eigentlich immer.
Da die Mehrheit der Touristen eher zum Tagesausflug nach Kamakura kommt, aber eher weniger zum Übernachten bleibt, ist die Dichte und Auswahl der Hotels im Ort nicht übermässig gross. Das KKR Kamakura Wakamiya ist eine ausschliesslich japanische Angelegenheit (no english), ein gediegenes, japanisches Hotel mit schönen, traditionellen Zimmern und – natürlich ganz wichtig für uns – einem Gemeinschaftsbad. Die nächsten drei Tage würden wir uns hier erstmal gemütlich akklimatisieren können. Nett war auch, dass wir schon auf unser Zimmer durften, obwohl wir nach japanischen Verhältnissen noch etwas zu früh dran waren. Daher waren wir nach einer schnellen Dusche auch wieder frisch und munter und gingen mit den Velos noch rasch auf eine nachmittägliche erste Erkundungstour. Das schöne Wetter musste unbedingt ausgenutzt werden.
Nach einer kleinen Velorunde durch das sympathische Städtchen an der schönen Meeresbucht stoppten wir am Hase-Tempel (nicht der Hase an sich, sondern der Stadt Hase in der Provinz Nara), an den wir uns noch von unserem Besuch 2006 sehr entfernt erinnern konnten.
Der Tempel ist besonders berühmt für seine grosse Kannon-Statue, der buddhistischen Göttin der Barmherzigkeit, die aus dem 8./9. Jahrhundert stammen soll. Sie befindet sich in der Haupthalle (s. Foto oben, Fotos streng verboten).
Im Garten gibt es zahlreiche Steinfiguren des Jizō, der Schutzgottheit der Kinder. Sie werden von Eltern gestiftet, die ein Kind verloren haben, um diesem einen guten Wechsel ins Jenseits zu ermöglichen. Ein sehr tröstlicher Gedanke.
Der Hortensiengarten war uns noch in der Erinnerung, aber diese trieben grade erst ihre zarten grünen Blätter aus. Damals waren sie in voller Blüte und vielfältiger Farbenpracht gestanden. Nun, Anfang März, gab bzw. gibt es erstmal die ein oder oder andere frühe Kirschblüte zu bewundern, was die Menschheit heutzutage per Handy und Selfie festhält. Klassische Kameras scheinen dagegen eher ein Auslaufmodell zu sein…
Die Art des Fotografierens hat sich in den letzten knapp 14 Jahren wirklich gewandelt. Dagegen ist die Aussicht über die Bucht immer noch dieselbe und gleich schön. 😊
Man ahnt am Gewimmel der Häuser, dass Kamakura sich trotz des Touristenrummels seinen dörflichen Charakter bewahrt hat.
Um 17 Uhr ertönte am Tempel die übliche Rausschmeissermusik und wir durften gehen. So hatten wir vor der Rückkehr zum Hotel noch Zeit für einen kurzen Besuch am Strand von Kamakura, wo sich die Jugend mit ihren Handys die Zeit vertrieb.
Anschliessend gingen wir wieder ins Hotel zurück, denn langsam waren wir hungrig. Zur Einstimmung hatten wir im Hotel ein Kaiseki-Dinner bestellt, das uns nicht enttäuschte. Auf unsere Anfrage hatte sich der Koch auch eine Variante ohne Fleisch ausgedacht. Dazu gab es noch je 3 Probiergläser Sake pro Person.
Wir haben ja ansonsten selten Gelegenheit (in Zürich jedenfalls nicht auf so günstige Art…), mal unterschiedliche Sake direkt im Vergleich probieren zu können, und das Angebot der flüssigen Weiterbildung war zu verlockend. Wein und Bier sind uns ja (wie alle wissen) wohlbekannt. Von Sake verstehen wir noch nicht viel – trotz aller bisherigen Bemühungen. Daher waren wir positiv überrascht, wie sich die Marken bzw. Sorten unterschieden, und wie gut der Sake mit dem edlen Menü harmonierte. Und genossen all das an diesem ersten Abend auch mit der Gewissheit, es nur einmal gebucht zu haben. So schnell würden wir das in dieser Vielfalt und Qualität nicht mehr bekommen.
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