Yobuko & Karatsu (呼子,唐津)

Für den Ausflug nach Karatsu war frühes Aufstehen angesagt. Wie berichtet sind die Züge auf der Karatsu-/Chikuhi-Linie ziemlich spärlich gesät, und so wollten (mussten) wir um 7:30 Uhr am Bahnhof sein. Der nächste Zug fuhr erst wieder um 10:18 Uhr. Keine Option für uns.

In Karatsu war an diesem Sonntag um kurz nach halb 9 Uhr natürlich noch nicht viel los. Mit den Birdys radelten wir das kurze Stück bis zum Bus Terminal und stellten sie dort ab. Wir hatten Glück und es fuhr grade 10 Minuten später ein Bus nach Yobuko. Dort wollten wir zum Morning Market. Je nachdem, welchen der Showa-Busse man erwischt, fährt man entweder die Küstenstrasse entlang (ca. 45 min. und schöner), oder durchs Hinterland (kürzer und schneller).

Yubako selbst ist wirklich ein sehr kleines, nettes Fischerdorf. Der Markt zieht sich durch die alte Dorfstrasse. An diesem Dezember-Sonntag hatten sich viele der Marktfrauen weihnachtlich zurechtgemacht. 😉 Die Stände bieten eine bunte Mischung aus frischen oder getrockneten Meeresfrüchten, Obst und Gemüse, Geschirr, Alltagskram und auch Snacks. Zum Beispiel konnte man sich frische Austern und Sasae (eine Meeresschnecke, zu der wir ein zwiespältiges Verhältnis pflegen) selbst grillen.

Eine Spezialität von Yubako ist «Ika», Sepia, die überall zum Trocknen aufgehängt waren. Ziemlich schräg fanden wir allerdings die Art, wie sie auf einer Art rotierendem Wäscheständer für die Trocknung vorbereitet werden.

Der Fischerhafen ist sehr malerisch, und wenn man Zeit hat, kann man eine Fahrt mit dem Glasbodenboot unternehmen und zu den benachbarten Inseln fahren.

Wir wollten unsere Zeit aber lieber in Karatsu verbringen, und während zunehmend Touristen und Besucher zum Markt strömten, nahmen wir den Bus (diesmal durchs Hinterland) zurück.

Noch ein spezieller Tipp für Karatsu: In dem kleinen, super sympathischen Odecafé im Karatsu Bus Center kann man original italienischen, sehr liebevoll zubereiteten Kaffee trinken. Da kann Starbucks einpacken. Auch das Essen sah dort gut aus.

Die Hauptsehenswürdigkeit von Karatsu ist natürlich das weithin sichtbare Schloss, das von einem kleinen Park mit vielen Kirschbäumen umgeben ist. Ein Foto im Schloss zeigt, wie es zu der Zeit aussieht. Wir müssen wirklich mal wieder im März/April nach Japan reisen. Next project ahead. 🙂

Vom Hügel aus hat man eine phantastische Sicht auf das Meer, den berühmten langen Sandstrand, die Stadt und das Umland. Und bei dem schönen Wetter sowieso. Überhaupt war es jetzt richtig angenehm warm geworden. Auch eine graue Sphinx genoss die Sonnenstrahlen.

Wie fast überall ist das Schloss Karatsu eine «Beton-Burg» (unser Jargon), d.h. es wurde nach der Zerstörung zu Beginn der Meiji-Zeit 1966 aus Beton wieder aufgebaut. Meist befindet sich das Stadt- oder Geschichtsmuseum in diesen Gebäuden, so auch hier. Jedoch war dieses erst letzten Monat wieder renoviert und frisch eröffnet worden. Der Besuch lohnt sich unserer Meinung schon, auch wenn Englisch mal wieder Mangelware ist.

Auf dem Rückweg begegneten wir einem ganzen Rudel von Baseball-Spielern der benachbarten Schule, die wohl ein kleines Konditionstraining absolvierten und uns cool mit «Harro (Hallo)» grüssten. Japanische Schüler sind auch am Wochenende beschäftigt und in Uniform an den Schulen anzutreffen. Zumindest die, die mit ihren Kameraden Sport treiben. Haben sie auch so etwas wie Freizeit? Immerhin bleibt so wohl keine Zeit zum Rumhängen und Blödsinn machen. 😉

Die Fahrt zum «Nijinomatsubara», dem langen Sandstrand ging zu Anfang sehr bequem auf dem Gehweg, aber dann war dieser verschwunden und wir mussten auf der schmalen, gut befahrenen Strasse weiterradeln. An einem Parkplatz stellten wir die Velos ab, um durch den über 350 Jahre alten Kiefernwald zum Strand zu laufen, eine weitere Hauptattraktion in Karatsu. Ca. 1 Million Kiefern säumen dort die Küste auf einer Länge von 4 km. Sehr beeindruckend.

Weniger schön war, dass der hintere Strandabschnitt von Plastikmüll übersät war. Das ist am japanischen Meer ja wirklich entsetzlich.

Zurück beim Parkplatz kauften wir beim Streetfood-Wagen zum Zmittag je eine lustig aussehende Orange, die «Dekopon» heisst.  Noch nie habe ich eine bessere Orange gegessen. Sofort kaufte ich noch vier Stück auf Vorrat und quatschte noch etwas mit dem Verkäufer, der sich über meine Begeisterung gefreut hat. Die Früchte waren von seinem eigenen Baum. Zu dumm, dass es in Zürich für Zitrusfrüchte zu kalt ist. Der Dekopon wäre ein Platz in unserem Garten sicher.

Zurück in der Stadt mogelten wir uns auf einem romantischen Pfad durch den Kiefernwald – ob das mit dem Velo erlaubt ist, wissen wir nicht so recht. In jedem Fall war es aber nicht deutlich verboten.

Bei der Takatori Residenz stoppten wir zwar, entschieden uns aus Zeitgründen aber gegen einen Besuch, denn wir wollten ja schliesslich noch nach Karatsu-Keramik schauen (hier eine sehr informative Website zum Thema). Zwei der wenigen Keramik-Hersteller im Zentrum von Karatsu liegen in einer hübschen Strasse südlich des Bahnhofs. Dort gibt etwas versteckt auch noch einen alten, völlig überwachsenen Brennofen zu sehen. Die weiteren Töpfereien liegen dann relativ weit im Umland verstreut.

In der kleinen Ayagama-Pottery schauten wir hinein und kauften zwei Becherchen im Chōsen-Stil, die noch bezahlbar waren. Einige Wiederverkaufsläden in einer neugestalteten Einkaufsstrasse im Zentrum boten noch eine umfassendere Auswahl. Erneut überraschte uns das Preisniveau, ähnlich wie in Hagi. Für ein gelungenes Objekt geht es locker in den hohen dreistelligen oder vierstelligen Bereich. Nichts für uns, zumal die durchaus schönen Sachen wenig alltagstauglich sind, sondern vielmehr dem Deko-Zweck dienen.

Last but not least besuchten wir noch das ehemalige Karatsu-Bank-Gebäude (旧唐津銀行). In den alten Räumlichkeiten gibt es u.a. eine Ausstellung zur Geschichte des 1912 eröffneten und vor einigen Jahren renovierten Hauses zu sehen. Der Architekt Tanaka Minoru war ein Schüler des ersten modernen Architekten der Meiji-Ära, Tatsuno Kingo, der in Karatsu geboren worden ist. Dessen Stil ist vor allem durch den roten Backstein geprägt, und sein bekanntestes Gebäude ist der Hauptbahnhof Tokyo.
Sehr freundlich und sogar mit einigen Brocken auf Deutsch wurden wir vom jungen Guide herumgeführt. Er erzählte uns, dass er einfach interessiert in Sprachen seit und sich etwas Deutsch selbst beigebracht hat. Wow.

Und damit war unser Tagwerk auch schon wieder getan. Karatsu hat uns eigentlich sehr gut gefallen, insbesondere die schöne Lage am Meer. Und mit etwas mehr Zeit lässt sich sicherlich noch einiges entdecken, auch im Umland, über dem bei unserer Rückfahrt höchst romantisch der Vollmond leuchtete.

 

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