Wassertempel und Erdbeben

Halbausgeschlafen am nächsten Tag (wegen des Jetlags haben wir uns die erste Nacht natürlich zur Hälfte schlaflos herumgewälzt) widmeten wir uns erst einmal dem gigantischen Frühstücksbüffet mit vielen Spezialitäten der Präfektur Hyogo (in der Awaji liegt). Natürlich rede ich nur vom japanischen Teil des Buffets. Die sicher genauso köstlichen Angebote für das westliche Frühstück liessen wir selbstverständlich links liegen.

Gewundert hat mich aber für einen Montagmorgen doch der lebhafte Betrieb im Hotel und insbesondere die vielen Kinder. Des Rätsels Lösung auf Nachfrage: Der 23.11. ist ein japanischer Feiertag, der „Tag des Dankes für die Arbeit“. Es war also ein allseits geschätztes, verlängertes Wochenende in Japan.

Japan hat die meisten gesetzlichen Feiertage einer Industrienation. Es sind derzeit 15, und kommendes Jahr kommt noch einer dazu, der „Tag des Berges“. Warum diese erstaunliche Zahl an Feiertagen? Ganz einfach: Da es für Arbeitnehmende als unhöflich (oder unkollegial) gilt, einfach so Ferien zu nehmen, wird politisch nachgeholfen, um den Angestellten zu etwas mehr freien Tagen zu verhelfen. Und der Tourismusindustrie ist damit sicher auch geholfen, wie wir merken, denn um Feiertage herum sind Hotels und öffentliche Verkehrsmittel häufig ausgebucht. Bekanntestes Beispiel ist natürlich die berühmte Golden Week im Mai.

Für unser erstes Vorhaben, etwas mit den Velos herumzukurven, war das aber gar nicht schlecht, denn wir hofften auf wenig Verkehr. Aber zuerst mussten wir uns den Birdies widmen. Sie hatten den Flug zwar überstanden, aber es gab doch wieder einige kleinere Beschädigungen und Verbiegungen. Thom konnte diese einigermassen beheben. Aber seine hintere Bremsscheibe bleibt wohl bis zur Rückkehr verbogen, so dass sie schleift.

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Die Sonne zeigte sich mal kurz, verschwand aber wieder hinter hartnäckigen Wolken, als wir uns auf die Räder schwangen und Richtung Oiso radelten, dem Dorf zwei Kilometer südlich von Yumebutai. Unser Ziel: Honpuku-ji (本福寺), der von Tadao Ando entworfene Wassertempel, den wir mit vorherigem Google Maps-Studium plus Merken der Kanji-Schriftzeichen auch gut fanden.

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Der Wassertempel wurde 1995 gebaut, ebenfalls nach dem Erdbeben. Ein Ando-typisches Oval umfasst einen Teich, in dem Lotos wächst, ein Symbol der Reinheit im Buddhismus. Durch zwei gerade Betonmauern wird der Mönch – oder der Besuchende – sehr indirekt in den Tempel geführt, auch dies ist sehr charakteristisch für Ando.

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Es geht selten einfach nur geradeaus. Hier eine Ansicht von oben. Da ich leider nicht fliegen kann, behelfe ich mir mit einem aus dem Internet geklauten Foto…

Wassertempel

Ruhe und Beschaulichkeit für die Szenerie waren gerade eingeschränkt, denn Handwerker waren mit der Betonsanierung beschäftigt.

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Inmitten der Wasseroberfläche führt dann eine Treppe hinab zum unteren Tempelbereich mit dem Zeremonienraum. Das ist ungewöhnlich, denn normalerweise geht es zu Tempeln immer viele Stufen hinauf.

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Der Besuchende bezahlt dann YEN 400 und darf dann das Halbrund zwischen Beton und roter Holzverkleidung weiterwandern und sich alles in Ruhe anschauen. Dass die Schuhe zum Herumlaufen auf dem schönen Holzboden ausgezogen werden müssen, ist  verständlich.

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Nachdem wir noch ein paar nette Floskeln mit der Empfangsdame gewechselt hatten, düsten wir den Berg wieder hinunter. Hatte ich bereits erwähnt, dass die Strassen in Japan ungeheuer steil sein können?
Mit dem Velo geht da nach oben nichts mehr, selbst Schieben ist schon anstrengen. Und beim Herunterfahren kann es einem ob der Steilheit recht mulmig zumute werden. Daher ist es auch logisch, dass viele Hänge an Strassen mit hässlichem Beton gesichert werden müssen. Das Erdreich kommt sehr leicht ins Rutschen, insbesondere bei starkem Regen, etwa im Regenmonat Juni.

Wieder sicher im Flachen radelten wir weiter durch das Dorf bis wir zu einem kleinen Markt mit lokalen Spezialitäten kamen. Dort war natürlich – wegen des Feiertags – viel los, die Leute kauften begeistert eine Art Snack, was aus einem plattgedrückten, paniert-gebackenen Tintenfisch bestand, sowie alle möglichen Zwiebelspezialitäten.

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Genau, die lokale Spezialität von Awaji sind grosse Gemüsezwiebeln, und alles was man so daraus herstellen kann: Zwiebel-Reis-Cracker, Zwiebelsalz, Zwiebelsuppe (japanische Form), süsses Zwiebelgebäck, Zwiebelsonstirgendwas und Zwiebelschokolade. Letzteres fanden wir – auch ohne zu probieren – eine nicht unbedingt überzeugende Kombination… Aber wer weiss, vielleicht haben wir auch was verpasst??

Inzwischen hatte sich die Bewölkung leider zu leichtem Regen verdichtet. Mit einer längeren Erkundungstour war also nichts. Also rasch zurück ins Hotel, die Velos in die fürsorglichen Hände des Portiers gegeben, und auf den kleinen, lustigen lokalen Awaji-Bus umgestiegen. Da alles so schnell gehen musste, leider ohne Fotos.

Honshi-Bus

Unser nächster Programmpunkt: Das Hokudan Earthquake Memorial Park und Museum (北淡震災記念公園) auf der anderen Seite der Insel. Mit dem Velo – und dann bei Schauerwetter – wäre das eine eher schlechte Idee gewesen, denn es ging natürlich recht steil und kurvig die Insel-Bergkette hoch und dann wieder herunter. Inzwischen war es halb drei Uhr geworden, und uns knurrten die Mägen. Gut, dass es im Museum ein Restaurant gab, was eine wirklich leckere Awaji-Mahlzeit servierte.

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Das Museum selbst informierte sehr gut über das Hanshin-Awaji-Erdbeben von 1995. Einige Bilder aus den damaligen Nachrichten, etwa von der umgestürzten Hochautobahn, haben sicher noch einige im Kopf. Bis zum grossen Tohoku-Beben 2011 war das Hanshin-Beben die in Japan schadensmässig grösste Erdbebenkatastrophe gewesen. Und das Epi-Zentrum lag genau an der Stelle in Hokudan, wo die sogenannten Nojima-Verwerfung auf einer Länge von über 100 Metern aufbrach und den Boden um gut 1 Meter verschob. Diese hat man freigelegt und in einer Halle so präpariert, dass man sie betrachten kann.

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Es macht durchaus etwas beklommen, und man kann nur hoffen, dass diese tektonische Zone weitere Jahre friedlich bleibt.

Der kleine Awaji-Bus nahm uns dann wieder mit ins Hotel. Derselbe Fahrer wie auf der Hinfahrt freute sich, uns wieder mitzunehmen, und die Hälfte der Strecke waren wir die einzigen Fahrgäste.

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Nach einer kurzen Pause entschlossen wir uns spontan, uns noch ins nahegelegene Onsen Matsuho no Yu (heisses Thermalbad) fahren zu lassen, ein spezielles Serviceangebot des Hotels. Das Westin kann ein heisses Badevergnügen anbieten, was in Japan den höchsten Stellenwert hat. Das lokale Bad hat einen Hol-und Bringdienst organisiert und hat am Abend einige zahlende Gäste mehr. Der Clou: Vom Rotemburo, dem Freiluft-Aussenbecken, schaut man direkt auf die wunderschöne Akashi-Kaikyō-Brücke (明石海峡大橋). Auch hier nochmals ein geklautes Foto, denn Fotografieren im Bad ist natürlich streng verboten.

Onsen

Es war sehr gemütlich, im heissen Wasser zu liegen und die nächtliche Aussicht auf die farbig erleuchtete Brücke zu geniessen. Nach eineinhalb Tagen wieder Japan-Feeling pur.

Aufgrund des Feiertags wechselte die Brücke sogar alle paar Minuten ihre Farben. Sehr nett, dass wir das auch noch miterleben durften. Fast ein Vorgeschmack auf Weihnachten. 😉

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