Am nächsten Morgen wählten wir eine etwas zeitigere Verbindung, um die nächste Kunstinsel zu besuchen: Inujima (犬島) , das jüngste Benesse-Projekt, eröffnet 2008.
Seitdem wir Fotos der ehemaligen Kupferraffinerie Seirensho (犬島精錬所) nun ein Industriedenkmal, gesehen hatten, wollten wir da unbedingt hin. Schliesslich haben wir nicht nur eine grosse Schwäche für moderne Kunst, sondern auch für Industriegeschichte. Neben dem ehemaligen Fabrikgelände gibt es dann noch einige Art House Projects, wie auf Naoshima.
Das Wetter war strahlend, jedoch tobte sich an diesem Tag der Wind mächtig aus: Das Meer war unglaublich aufgepeitscht, und auf dem Schiff spritzen die Wellen über den Bug.
Draussen konnte man sich auf dem Deck kaum auf den Beinen halten. Gut, dass wir nicht in der kleinen Nusschale unterwegs waren sondern mit der grossen Fähre nach Naoshima.
Für uns bleibt es immer ein bisschen etwas Besonderes, sich mit dem Schiff fortzubewegen. Für die Menschen dort sind sie ganz normale Verkehrsverbindungen – letztendlich auch nur Busse im Wasser. Und die Schiffsverbindungen zwischen Takamatsu und den Inseln sind wirklich ausserordentlich gut. Benesse hat diese sehr übersichtlich auf seinen Websites „Benesse Art Side / Access“ aufgelistet, denn es sind natürlich verschiedene Fährgesellschaften, die die verschiedenen Orte ansteuern. Am Fährhafen Takamatsu gibt es natürlich die Fahrpläne aller Gesellschaften zum Mitnehmen.
In Naoshima hiess es dann rasch Umsteigen in das Schnellboot nach Teshima / Inujima. Uns war etwas mulmig wegen der aufgewühlten See, aber das Schiff flitzte mit doppelter Geschwindigkeit so rasch über das aufgewühlte Wasser, dass die Fahrt gut magenverträglich war. Nur der Toilettengang war eine kleine Herausforderung… 😉
Mit uns waren etwa 20 Kunstinteressierte unterwegs, und wir waren etwas irritiert, als diese allesamt in Teshima ausstiegen. Nur wir und ein anderes japanisches Paar blieben sitzen. Hatten wir da irgendwas Wichtiges übersehen oder unseren Tag falsch geplant?? Nun ja, wir blieben natürlich sitzen und erreichten eine halbe Stunde später die kleine Insel Inujima, die übrigens übersetzt „Hundeinsel“ heisst und zur Präfektur Okayama gehört.
Auf Inujima sucht man dann das neue, in traditionellem Stil gestaltete Empfangsgebäude mit kleinem Café auf und kauft den Eintritt für das Seirensho, das ca. 10 Fussminuten entfernt liegt. Gut, dass es die windgeschützten Seite der Insel war, denn der Wind heulte immer noch rekordverdächtig.
Mehr als Ruinen und drei Schornsteine sind von der Kupferfabrik, die nur 10 Jahre, von 1909 bis 1919 in Betrieb war, nicht übrig geblieben. Das Museum mit drei modernen Installationen japanischer Künstler ist weitgehend unterirdisch gebaut.
Fotografieren ist drin natürlich streng verboten. Eine illegale Aufnahme lag drin, und zwar von der lustigen Toilette. Dort sass man mit dem Rücken zur Tür, mal was ganz Neues. 😉
Nachdem wir das Gelände durchstreift hatten, steuerten wir die Art House Projekte im Dorf an. Noch circa 70 Bewohner leben dort, aber viele Häuser sind auch verlassen. Auf einigen Brachflächen haben diverse Künstler ihre Projekte realisiert. Der Gegensatz ist spannend anzuschauen, und uns hat es gefallen. Auch die Flora der Insel zeigte ihre Reize.
Neben uns flitzte der Postbote auf seinem roten Motorroller fleissig umher und ging seiner Arbeit nach.
Für einen kleinen Mittagslunch im Café des Empfangsgebäudes reichte die Zeit leider nicht mehr, denn das Schiff nach Teshima fuhr um 13 Uhr. Und während wir in Ieura das Boot verliessen, stiegen alle bekannten Gesichter vom Früh-Boot wieder ein und fuhren nach Naoshima zurück. Komisch, ist den Inujima so wenig attraktiv?
Da der Teshima-Besuch eine relativ spontane Entscheidung gewesen war, hatten wir uns leider etwas wenig vorbereitet. Im Ort Ieura gibt es zwar einige Art House Projekte, aber das Teshima Art Museum liegt auf der anderen Seite der Insel. Der Bus fuhr erst in einer halben Stunde, und die nächste Möglichkeit war, mit der regulären Fähre weiter zum Hafen Karato zu fahren. Da mussten wir aber eh hin, denn, wie wir erfuhren, würde das Benesse-Art-Schiff zwischen Ieura und Takamatsu wegen des starken Windes nicht fahren. Und sowieso hatten wir schon recherchiert, dass es besser wäre, für den Rückweg von Takamatsu zuerst nach Tonoshō auf Shōdoshima zu fahren. Von dort aus gibt praktisch halbstündige Verbindungen zurück nach Takamatsu. Inselhopping in der Seto-See ist gut machbar.
In Karato war kaum ein Mensch zu sehen, und auch kein Bus fuhr um diese Zeit. Man läuft ca. 15 Minuten zu Fuss die Strasse hoch bis zum Museum, vorbei an den alten Reisterrassen, mit herrlichem Ausblick.
Das Teshima Art Museum ist unverkennbar ein Bau des japanischen Architekten Ryue Nishizawa, einem Mitgründer von SAANA. Vor dem grossen Nichts, also der Installation „Matrix“, welche das Museum beherrbergt, waren wir bereits vorgewarnt worden. 😉
Erstmal heisst es vor Eintritt wieder einmal Schuhe aus (und Filzpantoffeln anziehen).
Man betritt den gänzlich leeren Raum, eine nach zwei Seiten hin offenen Halbkuppel mit kleinen und grossen Wasserpfützen auf dem Boden. Erst nach einiger Zeit bemerkten wir, dass das Wasser kein Wasser sondern eine spezielle, geschmeidige Flüssigkeit war, die durch winzige Löcher aus dem Boden kommt und dann die Pfützchen bildet. Diese geraten – unter anderem durch den Wind – in Bewegung und fliessen auf dem sehr glatten Betonboden umher. Ein faszinierendes Schauspiel, schwer zu beschreiben. Fotos sind natürlich allerstrengstens verboten. Auch muss man ganz ruhig sein, um die Stille und die Atmosphäre im Raum nicht zu stören.
Anschliessend wanderten wir noch die Strasse weiter bis zur kleinen Ortschaft, in der es ebenfalls noch einige Art House Projekte geben sollte.
Dort gab es tatsächlich auch ein kleines Restaurant, in dem es wenigstens noch Kaffee und ein Stück Kuchen gab – es war immerhin schon später Nachmittag. Zu mehr Besichtigungen reichte es dann leider nicht mehr, denn wir mussten unbedingt um 16:25h in Karato zurück sein, um die Fähre nach Tonoshō zu erwischen. Ein guter Grund, um Teshima irgendwann einen neuen Besuch abstatten zu können. 🙂 An einem kleinen Strassenstand (die es auf dem Lande häufig gibt) kauften wir zwei Säckchen sehr leckere Mikan (Mandarinen). Ein bisschen Sicherheits-Wegzehrung war ja nicht schlecht, und so frisch uns günstig würden wir das sicher nicht mehr bekommen.
Am Hafen warteten sogar einige Leute, und auch einige Fahrzeuge, unter anderem ein vollbepacktes kleines Lieferauto mit frisch geernteten Oliven, die dann in den Yamato Lieferwagen umgepackt wurden.
Wir vermuteten, sie würden auf der Oliveninsel Shōdoshima zur Presse gebracht werden. Mehr dazu im nächsten Blogbeitrag.
In Tonoshō angekommen, mussten wir uns zuerst orientieren. Verschiedene Fährgesellschaften zu nutzen heisst auch meist, den Pier zu wechseln.
Wir hatten die Wahl, entweder mit der High Speed Ferry (nur Passagiere, 30 Minuten) oder der grossen, langsameren Autofähre (60 Minuten) nach Takamatsu zurückzukehren, und entschlossen uns – wie viele andere Leute auch – für die schnellere Variante.
Denn wir wollten endlich mal etwas zeitiger zurück sein, um uns nach diesem erneuten, ernährungstechnisch mageren Tag mal in Ruhe ein Restaurant suchen zu können. Touristen haben es halt immer eilig, und da am nächsten Tag die Birdies wieder mitkommen würden, sollten wir noch genug Gelegenheit haben, langsamere Fähren zu nutzen.
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