Tour de Awaji / 北淡路島の自転車旅行

Nach dem ersten gelungenen Tag mit Onsen-Finale fühlten wir uns fit genug, uns eine Velotour am Dienstag vorzunehmen. Der sehr nette Empfangsherr des Westin-Hotels und ebenfalls begeisterter Velofahrer, der ganz beeindruckt war von unseren Birdies, hatte uns eine Karte „Cycling-Awaji“ in die Hand gedrückt und eine Route Richtung Izanagi-Schrein empfohlen, die mehr oder weniger in den spärlichen Ebenen der Insel verlaufen sollte. Die ganze Tour umfasste den gesamten nördlichen Teil und sollte 60 Kilometer betragen, was mir für den zweiten Tag plus den kleinen Birdies etwas mutig erschien. Mal abwarten.

Immerhin zeigte sich das Wetter mit blauem Himmel und angenehmen 13°C ausserordentlich kooperativ für das Unterfangen, und so radelten wir los.

Karte-2

Da Bilder mehr sagen als viele Worte, gibt es vor allem viele Fotos mit kurzen Beschreibungen von unserer Inseltour. Hier nochmals ein Blick zurück auf die beeindruckende Silhouette des Westin-Hotels.

IMG_8834

Und hier der Blick auf die Küstenlinie, im Hintergrund das Städtchen Higashimura. Die beiden Stahltürme sind übrigens Blinklichter für Flugzeuge (der Flughafen Kansai ist gegenüber), die vor den steil aufragenden Inselbergen (von Meeresniveau ruckzuck auf gut 500 Höhenmeter) warnen.

IMG_8833

Die Insel Awaji ist ein ausgesprochen ländliches Gebiet, und wir radelten an vielen traditionellen Holzhäusern vorbei, die noch erhalten sind. Im rechten Haus befindet sich übrigens ein klitzekleines Postamt.

IMG_8836

Dieses Stückchen Land wird, wie wir erfuhren, von diversen Privatleuten bewirtschaftet. Vielleicht gehört die Fläche der Gemeinde? Jedenfalls sahen der Kohl, der Daikon (japanischer Rettich) und die Zwiebeln sehr gesund und lecker aus.

IMG_8840

Hier ein ebenfalls spannend aussehendes, älteres, traditionelles Gebäude. Im Hintergrund, auf dem esten bewaldeten Hügelchen, befindet sich übrigens der Honpoku-ji (Wassertempel).

IMG_8839

Radelt man dann so gemütlich die Strasse entlang, kommt man vielen interssanten Dingen vorbei, zum Beispiel auch an diesem Tempel in Higashimura mit seiner wunderschönen Steinlaternen-Allee (sorry, den Tempel selbst habe ich grade im Rücken).

_MG_8842

Oder an solchen Merkwürdigkeiten wie diese Kannon-Statue, die sich bei näherer Betrachtung als sehr heruntergekommen erwies. Vor Jahren musste das eine Art spezielles Restaurant mit Aussicht gewesen sein. Nun war alles verlassen und sehr baufällig.

IMG_8844

Allerdings waren wir dann von „Bike friendly Awaji“ zunehmend enttäuscht – da zeigt sich der etwas verwöhnte Radfahrer. Aber die Idee des Cycling Awaji richtet sich doch mehr an Rennradler bzw. Strassenradler und verlief ausschliesslich an der recht befahrenen Küstenstrasse, und ohne Gehwege, auf denen man in Japan normalerweise fährt (zumindest in der Stadt). Daher wurde es abschnittweise etwas mühsam, denn die Strassen wurden teilweise recht eng. Links war das Meer. Zwei Versuche, der Hauptroute zu entfliehen, endeten kurz darauf an einem Berghang, irgendwo zwischen Häusern oder Reisfeldern.

IMG_8852

Irgendwann mussten wir eine freundliche, ältere Frau nach dem Weg fragen. Sie war begeistert, so mitten im Awaji-Landleben zwei Gaijin (Ausländer) mit Faltvelos zu treffen, die sich am Berg abmühten. Kurzer Gesprächsausschnitt:
Frau: Woher kommen sie?
T&S: Wir leben in der Schweiz.
Frau: Eehhh? Wirklich? Und haben sie Ferien? Zwei Wochen?
T&S: Nein, fünf Wochen lang.
Frau: Eeeeeehhhhh? Sind Sie arbeitslos? Und wo möchten Sie nun hin?
T&S: Zum Izanagi-Schrein.
Frau: Eeeeeeeehhhhhhh? Mit dem Fahrrad? Aber das ist sehr weit. Soll ich sie hinfahren?

Kleinere Idyllen boten sich immer wieder. Hier und da fanden wir noch einen Rest Momiji, rotes Herbstlaub, was fotografiert werden möchte. Und momentan werden grade alle Zitrusfrüchte reif: Orangen, Mikan (eine Mandarinenart), Grapefruits, Juzu (superfeine, sehr spezielle Zitrusart, die auch bei uns grade in den Küchen populär wird).

IMG_8851

IMG_8854

Was uns erstaunt hat, waren die mit Sonnenkollektoren gepflasterten Flächen, ähnlich wie in Deutschland. Das hat es vor drei Jahren nicht gegeben. Sollte es in Japan, dem Atomland Nr. 1, plötzlich einen Sinneswandel in Bezug auf alternative Energiequellen gegeben haben?? Wenn, dann vermuten wir diesen nicht auf offizieller, politischer Ebene (denn da regiert die Atomlobby) sondern eher in der privaten Initative von Einzelnen. Und freie, nicht mehr bewirtschaftete Flächen gibt es leider mehr als genug.
Denn die Menschen auf dem Land werden immer älter und bearbeiten ihre Ländereien und Äcker nicht mehr. Die Jungen ziehen weg vom Land. Japans Landwirtschaft wird zunehmend ein Problem bekommen.

IMG_8855

IMG_8857

IMG_8870

Mehrheitlich ging es halt an der Strasse entlang. Nach der Stadt Awaji wurde es wieder besser. Um die Mittagszeit erreichten wir dann endlich unser Ziel, den Izanagi Schrein (伊弉諾神宮), in den die Göttern Izanagi und Izanami, mythologische Erschaffer Japans, eingeschreint sind.

_MG_8861

_MG_8866

_MG_8864

Das mit der Religion in Japan ist nicht so einfach in drei Sätzen zu erklären. Der geneigte Leser möge sich doch bitte mit Wikipedia behelfen. Nur so viel: In Japan sind Shintoismus  und Buddhismus gleichbedeutend nebeneinander. Es gibt nicht – wie  wir es in unserem Kulturkreis kennen – einen Glauben  (z.B. katholisch oder evangelisch). Japaner praktizieren beides, es kommt etwas auf die Situation an, wann man sich an was wendet. Für jede Art von Neubeginn (Geburt, Hochzeit, Lebensabschnitte, Neujahr etc.) geht man jedenfalls zum Schrein (jinja oder jingu = 神社, siehe auch Blogbeitrag Silvesterabend). Für Trost oder schwierigigen Situationen, und auch bei Todesfällen ist der buddhistische Tempel (tera = 寺) da.

Es war nach Mittag, und wir radelten weiter Richtung andere Inselseite, in der Hoffnung, irgendwo etwas Essbares zum Mittag zu finden. Wir gelangen ans Meer und radelten. In den kleinen Dörfern gab es zwar hübsche, alte Häuser, aber von einem „Restaurant“ im eigentlichen Sinn keine Spur.

IMG_8876

Ein Picknick mit ein paar O-nigiri (Reisbällchen) war nicht so verlockend, denn das Wetter hatte etwas zugezogen und es hatte sich ein sehr unverschämter,  kräftiger Wind entwickelt. Dieser kam – wie hätte es auch anders sein können – aus nordwestlicher Richtung und blies uns auf unserer Küstenroute natürlich voll entgegen. Doppeltes Strampeln half…

IMG_8884

Nach einer weiteren Stunde hatten wir wirklich Hunger, weit und breit kein Restaurationsbetrieb in Sicht. Also beschlossen wir halt, ein paar Kilometer weiter zu radeln und nochmals im Hokudan Erdbebenpark-Restaurant einzukehren. Wir wählten nochmals dasselbe Menü wie am Vortag. So gestärkt konnten wir das letzte Drittel der Tour mit Gegenwind ganz locker angehen. 🙂

Jedenfalls lieferte das symbolische Windkraftrad beim Hokudan Park eine ordentliche Portion alternative Energie…

Gelegentlich gab es auf der Westseite ansatzweise ein kosmetisches Stück Veloweg. Nach ca. 100-200 Metern war das Vergnügen aber immer wieder vorbei. 🙁

IMG_8887

Hier wieder eine ganze, hübsche Häuserzeile an der Westküstenstrasse, die wohl verlassene ist. Touristisch gesehen tut sich auf diesem Teil der Insel praktisch nichts. Der Tourismus findet eher im Südosten von Awaji statt, wo die grossen, edlen Hotels stehen.

_MG_8888

_MG_8891

Auch dieser Industriebetrieb war interessant: Eine kleine Firma, die Fischernetze recycelt und flickt. Wir waren sowieso überrascht über die Vielzahl an Kleinbetrieben, an denen wir vorbeikamen. Schlosser, Schreiner, etc.

_MG_8889

Während der gesamten Fahrt waren wir in Meeresnähe stets an diesen grossen Roste vorbeigefahren. Nun bot sich die Gelegenheit, einen Blick auf den Inhalt zu werfen, der dort zum Trocknen ausgelegt war.

IMG_8874

Unsere lieben japanischen Freunde wissen es sicher, der Rest darf noch weiter raten.
Hier ein zweiter Blick:

IMG_8875

Nein, es sind keine Wollfasern, es ist etwas zum Essen – und schmeckt gut… Es sind Chirimen, winzig kleine Fischchen (Sardinen??), nur einige Tage alt.

IMG_8875-2

Sie werden in Aquakultur – in Massen, wie uns schien – gezüchtet, abgefischt und müssen dann trocknen. Daher stehen überall diese Gestelle für die rechteckigen Siebe herum. So getrocknet werden sie verpackt und kommen in den Verkauf. Im Kühlschrank halten sie sich nur wenige Tage. Es gibt diverse weitere Zubereitungsformen, z.B. in Sojasouce geköchelt und geröstet (leider sehr lecker…). Man streut sie über den Reis oder verwendet sie in diversen Gerichten. Awaji scheint eine Chirimen-Grossindustrie zu beherbergen.

_MG_8904

_MG_8899

Langsam stand die Sonne tief, und wir umrundeten die Nordspitze der Insel. Endlich eine Gelegenheit, die Akashi-Kaikyō-Brücke aus der Nähe zu fotografieren.

_MG_8902

Und auch endlich Rückenwind, der uns die restlichen Kilometer nach Hause blies.

_MG_8905

Um 17 Uhr kamen wir – mit Anbruch der Dunkelheit – wieder im Hotel an. Und buchten sofort eine Fahrt ins Bad. Die hatten wir uns, nach diesen 60 Kilometern wirklich verdient. Und danach natürlich noch einen abendlichen Snack in Form von Bier und Zwiebel-Reiscräckern.

IMG_8908

 

 

 

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Ausflug, Awaji, Velotour und getaggt als , , , . Fügen Sie den permalink zu Ihren Favoriten hinzu.

Kommentare sind geschlossen.