Donnerstag, 6.10.
Toulouse – Carcassonne
(Distanz 114 km, Schnitt 15.7 km/h, Fahrzeit 7:14 h, Höhenmeter 343 m)
Das Wetter zeigt sich in der Frühe recht bewölkt, und vorausgesagt sind Gewitter und Regen. Also super Voraussetzungen für unsere längste Etappe entlang des Canal du Midi…
Zuerst geht alles prima, der Veloweg entlang des Kanals von Toulouse bis Port Lauragais ist erst einmal bestens präpariert und teilweise neu asphaltiert. Auf den ersten 48 km kommen wir auf einem Kilometerschnitt von 17,5km/h! Viel zu sehen gibt es rechts und links nicht, also fahren wir zügig vorwärts.
Im Gegensatz zum Canal lateral de la Garonne windet sich der Canal de Midi in sanften Kurven entlang der geographischen Gegebenheiten der Landschaft. Natürlich ist das schon sehr viel romantischer als die Geradeauswege der Tage davor.
Am Morgen begleiten uns noch zahlreiche, ebenfalls flott fahrende Pendler-Biker in Richtung Universitäts-Campus Süd. Nach der Stadtgrenze sind wir dann aber mehr oder weniger alleine unterwegs und wechseln sporadische Grüsse mit einigen Freizeit- bzw. Sportradlern.
Der erste kleine Regenguss erwischt uns bei der Ecluse d’Ayguesvives nach ca. 25km. Gut, dass wir kurz unter der Strassenbrücke unterstehen können.
Die WC-Infrastruktur ist ab Toulouse bis Port Lauragais ziemlich perfekt, denn an dem nahe der Autobahn entlangführenden Canal und Veloweg darf man die Toiletten der „Aire de repos“, die Autobahnraststätten mit nutzen. Eine sehr angenehme Idee!
Gegen 13 Uhr erreichen wir Port Laurageais, es gibt einen kleinen Picknickplatz. Also Mittagspause.
Das Idyll wird nach kurzer Zeit durch ein schnell auftauchendes, heftiges Gewitter mit Regen unterbrochen. Wir können gerade noch unter einem Dächli bei der Schleuse unterstehen. Zwar bewährt sich einmal mehr unsere Regenausrüstung (Anhängerüberzug, Korbschutz, Regenjacken), aber eine Pause ist nötig, bis Blitze und Donner sich verzogen haben. Schliesslich stehen doch ziemlich viele hohe Bäume herum. Und Platanen wirken bekanntlich nicht als Blitzableiter.
Bei Port Lauragais ist nun auch das Departement Haute-Garonne zu Ende, und was in den Führern und im Internet bereits beschrieben war, wird offensichtlich: Der Weg entlang des Kanals wird sofort miserabel. Ironischerweise wird man beim Verlassen des Departements mit einer grossen Tafel verabschiedet, so als wollten sie sagen „Wir setzen uns für gute Wege ein – und sind nicht verantwortlich dafür, dass das Dept. Aude nichts für die Kanalwege tut!“
Erst einmal handelt es sich nur noch um Wanderwege, die am Kanal entlangführen. Sie sind teilweise ziemlich ausgefahren und voller Baumwurzeln. Trotz der Warnungen unseres Bikeline-Veloführers versuchen wir am Kanal zu bleiben und nach Le Ségala bis zur Ecluse de la Méditerranée einen problematischen Abschnitt zu befahren. Nur 3 km, trotzdem eine superschlechte Idee : Der Trampelpfad ist nach dem Regen völlig glitschig und matschig. Eigentlich unbefahrbar bzw. nur mit Mountainbikes. Mit unseren Hängern ein Graus.
Velos, Hänger und wir sehen bald aus wie die Schweine. Hier muss ich mit einem Stock die gröbsten Schlammbrocken wegkratzen, mein Velo war fast nicht mehr fahrtüchtig.
Bis zur Ecluse de la Planque ist der Weg dann zwar wieder besser, aber es fährt sich nur extrem zäh auf dem sehr schotterigen Untergrund, insbesondere mit unseren Hängern.
Bis Castelnaudary ist dann asphaltiert, trotzdem ärgert uns die Situation. Wir wurden in den letzten Wochen halt auch sehr verwöhnt.
Kurz vor Castelnaudary erwischt uns zum zweiten Mal ein Platzregen. Wieder haben wir Glück unter einer kleinen Brücke, denn zum Wiederanziehen der Regensachen hätte es nicht mehr gereicht. 🙂 Auch das ist nach 15 Minuten wieder vorbei, und der Himmel tut danach so blau, als wäre nichts gewesen.
Auf Anfrage lässt mich die Bootsverleihfirma „Locaboat“ – vermutlich aus Mitleid – mein dick beschlammtes, fast nicht mehr fahrbares Velo mit dem Spritzschlauch säubern. Ich bin ihnen ewig dankbar… 🙂 Danach kann ich wieder ohne permanente Schleifgeräusche weiterfahren.
Anhand unserer IGF-Karten versuchen wir ein paar kleinere Varianten, bleiben aber weitgehend auf dem enttäuschenden Kanalpfad bis zur Ecluse de Bram. Es gibt nur wenige Alternativen in Form kleinerer Strassen, und am Kanal ist es auch am Kürzesten.
Ab Ecluse de Bram beherzigen wir den Ratschlag des Führers („bis Ecluse d’Herminis schlecht“) und wählen die Variante über Bram. Langsam merken wir in unseren Beinen, dass schon einige Kilometer hinter uns liegen. Kurze Kaffepause am Marktplatz. Der Kaffee in diesem unscheinbaren Dorfcafé ist überraschenderweise total gut und das Highlight des späten Nachmittags!
80 km liegen inzwischen hinter uns, noch 35 km vor uns. Die folgenden 5 km über die stark befahrene D33 sind kein Vergnügen, denn die Midi-Autofahrer wirken recht rücksichtslos. Eine von uns versuchte Variante über Sauzens entpuppt sich als nicht durchführbar (der Weg fehlt schlicht…) und so landen wir direkt in Pezens, auf der anderen Seite des Kanals, nun echt im Zeitdruck, denn es ist bereits 18:30 Uhr. Die einzige Strasse, die übrig bleibt, ist die zweispurige Ausfallstrasse D6113, noch viel schlimmer als die D33! Für Fotos ist jetzt kein Nerv mehr, und ausserdem fängt es schon an zu dämmern. 🙁
Die letzten Kilometer nach Carcassonne, nach 19 Uhr, im Abendverkehr, sind nur noch blöd. Radfahrer sind hier absolut nicht vorgesehen. Wenigstens kommen wir voran, können uns einigermassen orientieren und erreichen – mit viel Adrenalin im Blut – sehr verspätet unser 514 Appart Hotel*** um 19:40 Uhr. Gut, dass wir noch genügend zu Essen haben, um zu Picknicken. Für die Essenssuche war es zu spät, und müde waren wir auch. Der gut durchschüttelte Wein hat jedenfalls prima geschmeckt. 😉
In jedem Fall erhält das Departement Aude von uns die Tiefstbewertung unserer Reise!
Freitag, 7.10.
Sightseeing Carcassone
Nach der sowohl körperlich als auch mental zehrenden Tour vom Vortag sind wir froh, in Carcassone einen Ruhetag geplant zu haben. Unser hübsches, nagelneues Appartement befindet sich ganz in der Nähe der berühmten Cité, dem touristischen Pflichtprogramm des Südens. Für Thom eine Premiere, für mich der dritte Besuch, wobei zwischen jetzt und dem letzten Mal mindestens 30 Jahre liegen. Da hat sich in der Zwischenzeit ja ein bisschen etwas getan. Inzwischen ist Carcassonne ja auch Unesco-Weltkulturerbe und entsprechend überlaufen.
Auch an diesem Oktober-Freitag war es gut besucht. In Deutschland und der Schweiz hatten unüberhörbar die Ferien begonnen… 🙂
Brav stapften wir mit Audioguides bewaffnet treppauf, treppab den vorgeschriebenen Weg entlang.
Heute gönnten wir uns auch mal wieder ein ordentliches Mittagessen. Alle (Touristen) essen natürlich Cassoulet, das lokale Gericht, einen deftigen Eintopf aus weißen Bohnen, Speck, gepökeltem Schweinefleisch und Würstchen. Nichts für uns 90%-Vegis. Wir genossen unser leichtes Mittagsmenü mit Fisch.
Da wir auch den Velos einen Ruhetag gönnten, spazierten wir zu Fuss weiter in Richtung „Bastide St. Louis“, dem neueren Stadtteil von Carcassone.
Diese ist ebenfalls wie eine kleine Festung gebaut, und der grosse Platz mit den vielen Cafés und Bars bildet den Mittelpunkt. Doch wirkt die Stadt selbst etwas verwaist. Geschäfte stehen leer, nur wenige Menschen waren an diesem Oktober-Wochentag unterwegs. Vielleicht ist es Samstags anders.
Ein kleiner Gang zum Bahnhof, ein kurzer Besuch im kleinen lokalen Kunstmuseum, zurück ins Appartement, und der Tag war vorüber.
Samstag, 8.10.
Carcassonne – Narbonne
(Fahrtstrecke 74 km, Schnitt 16.05 km/h, Fahrzeit 4:36h, Höhenmeter 276 m)
Der Tag unserer letzten grossen Etappe war gekommen. Heute würden wir unser Ziel Narbonne erreichen. Und das Wetter war uns erneut sehr gewogen. Also waren wir gespannt, wie es mit dem Weg weitergehen würde. Eine höfliche Nachfrage im Tourismusbüro Carcassone am Vortag, wie es denn nach Alternativen zum schlechten Kanalweg stehen würde, hatte nur eine schnippische Antwort zur Folge gehabt. Der Weg entlang des Kanals sei kein Veloweg. Da müsse man eben langsam fahren. Tja, damit hat sich das Departement Aude (bzw. der Midi?) bei uns endgültig misskreditiert. Unser Rat an alle Velofahrer: Geniesst lieber die schönen Routen am Atlantik!
Der Canal du Midi macht um Carcassone einen ordentlichen Bogen. Um Kilometer einzusparen fuhren wir ab Cité über die kleine Strasse D303 via Berriac nach Trèbes, was gut funktioniert. Die letzten paar hundert Meter auf der D6113 sind gut machbar. Trèbes empfiehlt sich übrigens zum Einkaufen von Proviant. 😉
Von Trèbes bis Marseillette ist der Kanalweg ganz gut befahrbar, jedoch zeigt sich ab hier nun das grosse Ausmass des dramatischen Platanensterbens entlang des Canal du Midi. Alle Bäume sind restlos von einem bösen Pilz befallen, sie müssen in den nächsten Jahren vollständig gefällt werden. Das Radeln und Boot fahren unter der Baumallee, die wunderbare Atmosphäre, die wir nach Toulouse noch geniessen konnten, ist hier nicht mehr. Das hat deshalb auch immer wieder Streckensperrungen zur Folge. Durch eine können wir uns halblegal durchmogeln, aber auch nur, weil Samstag ist. Und richtig wohl ist uns nicht, da man die Pilzsporen so weitertragen kann.
Immer wieder lodern Feuer am Wegesrand, weil die Bäume sowie der Wurzelbereich in grossen Löchern verbrannt werden (müssen). Ein trauriger Anblick. Mit gemischten Laubbäumen werden die Alleen wieder aufgeforstet, doch wird es noch Jahrzehnte dauern, bis ein annäherndes Bild wieder erreicht ist.
Interessanterweise scheint es inzwischen eine offizielle, ausgeschilderte Alternativ-Veloroute zum Kanal zu geben (vielleicht ein Angebot wegen der Fällarbeiten?). Allerdings folgen wir dem Angebot nicht, sondern halten uns ab der Ecluse de Marseillette an die Variante unseres Bikeline-Führers. Zuerst auf kleinen Strassen nördlich des Kanals über Puichéric – Roquecurbe – Castelnau d’Aude. Erstaunlicherweise ist es relativ flach in der Gegend, das hatte ich anders erwartet. So lassen sich viele Varianten sehr gut fahren.
Ein selbstgewählter Shortcut via Escales spart einige Kilometer bis nach Argens Minervois, wo man auf einer ungewöhnlichen, schmalen Metallbrücke die Aude überquert.
In Argent Minervois picknicken wir bei kühlem Sturmwind, der uns dann weiter nach Osten bläst. In Paraza ist der Kanalweg grade wegen der Fällarbeiten gesperrt, die Strasse führt daran vorbei. Tafeln informieren über das Platanensterben.
Auf Nebenstrassen entlang des Kanals (sogar beschildert) geht es weiter bis St. Marcel d’Aude, dann – entgegen dem offiziellen Veloweg – nach Moussan und Richtung Canal de la Robine. Die notwendige, erneute Überquerung der Aude sollte über eine inoffizielle, stillgelegte Eisenbahnbrücke erfolgen. Nicht wirklich zweifelsfrei, also mussten wir ab St. Marcel d’Aude ein kurzes, übles Stück über die Raserstrasse D607 bis zur Abzweigung nach Moussan in Kauf nehmen. Aber auch das ist zu schaffen.
Es folgen die letzten 15 km entlang des Canal de la Robine, die, je mehr man sich Narbonne nähert, immer besser ausgebaut sind. Narbonne scheint da etwas ambitionierter zu agieren als Carcassonne. 🙂
Narbonne, bzw. unsere Unterkunft (L’AppartCity***) erreichen wir dann im dichten Samstagsnachmittags-Verkehrsgetümmel um 15:30 Uhr. Unser Ziel haben wir zwar erreicht, aber bis zum Mittelmeer fehlen uns natürlich noch ein paar Kilometer.
Die letzte Etappe, von Narbonne bis ans Meer, ist für Dienstag vorgesehen. Erst dann haben wir unsere Tour „von Meer zu Meer“ abgeschlossen.