Dass uns am vorletzten Tag unserer Reise noch solch eisigen Temperaturen (0-5° C) erwischen würden, hätten wir nach den 4 Wochen nun doch nicht gedacht. Gut, es war Mitte Dezember, aber Fukuyama liegt in etwa auf der Höhe Nordafrikas (34°29 nördliche Breite). Wenn jedoch die unberechenbaren sibirischen Tiefausläufer heranziehen, kann es eben auch in normalerweise angenehmen Breiten ziemlich frisch werden.
Nach dem Frühstück radelten wir los. Der Schnee von gestern Abend war nicht wirklich liegen geblieben, höchstens an noch schattigen, geschützten Stellen. Die Strasse war trocken, auf manchen Autos, die vermutlich aus den Bergen kamen, lag eine gut 5 cm dicke Schneeschicht. Die Pflanzen und Rosen sahen nach dem kalten, weissen Nass von gestern aber schon etwas trauriger aus.
Unser Ziel war das Fischerdorf Tomonoura, gut 13 Kilometer entfernt an der Küste. Es gibt einen Bus dorthin, aber wir hatten uns vorgenommen, mit dem Velo zu fahren. Und was man sich vorgenommen hat, muss man schliesslich durchziehen. Wir konnten ja auch zufrieden sein, denn das Wetter war strahlend schön. Einfach nur ein bisschen kalt… 😉
Der Weg ist relativ einfach zu finden: Zuerst Richtung Fluss, dann über den Fluss, und dann die Haupt-Verbingungsstrasse 380 bzw. 22 entlang. Bis dorthin versuchten wir möglichst Nebenstrassen zu nutzen. Interessant war auch hier wieder die Mischzone von landwirtschaftlichen Nutzflächen in den Ausläufern Fukuyamas. Salat, Daikon, Reis, Feigenbäume und Zitrusfrüchte gedeihen da zwischen den Wohnhäusern. Wird irgendwann alles bebaut sein?
Bei Juntendo, einem Bau- und Gartencenter, legten wir eine kurze Pause ein. Erstens war es natürlich interessant, sich dort umzuschauen, und zweitens konnte man sich etwas aufwärmen (und drittens auch die Toilette nutzen).
Ab dem kleinen Ort Tajirichō führt die Strasse direkt am Meer entlang und wird die letzten 3 Kilometer teilweise ziemlich schmal. Vorsicht vor Lastwagen oder Bussen! Am Ortseingang von Tomonoura kann man aber abbiegen und durch die alte Dorfstrasse bis an den Hafen fahren. Dort machten wir erstmal Pause. An einer windgeschützten Stelle in der Sonne war es ein bisschen (wirklich nur ein bisschen) wärmer. Minipicknick mit Mikan.
Im kleinen Hafen lagen Fischerboote und die Fährschiffe zu einigen Inseln in der Nähe. Das bekannteste Wahrzeichen Tomonouras ist der Tōrodō, der steinerne Leuchtturm, sowie die breite Treppe der Hafenmauer aus der Edo-Zeit.
Im kleinen Hafenviertel mit den vielen historischen Häusern waren an diesem Tag die meisten Läden geschlossen. Eine ältere Frau verkaufte einen selbstgemachten, wärmenden Kräuterlikör. Den konnten wir wirklich gut brauchen! Das Probierschlückchen hielt aber leider nicht sehr lange, und mit einer Velotour durch das Dorf (zum Schrein, den Hügel hoch, ein Restaurant suchend, …) wurde es leider auch nicht wärmer. Zudem hatten wir auch Hunger, es war schon Nachmittag.
Als wahrer Lichtblick zeigte sich das kleine Lokal «Otebi» (おてび), das von drei Frauen – Tochter, Mutter und Grossmutter – geführt wird. Ein gemütliches Dorfrestaurant. Thom entschied sich für das Mittagsmenü mit diversen gebratenen Fischchen. Für mich war eine heisse Suppe mit Soba-Nudeln das Richtige, und beides war richtig gut.
Wir hatten nun wieder Kraft und Wärme für die Besichtigung des kleinen Fukuzenji-Tempels (福禅寺). Von dort bietet sich eine herrliche Aussicht über die beiden Inseln Bentenjima und Sensujima bzw. die Seto-Inlandsee.
Zu Beginn des 18. Jahrhunderts wurde sie als «die schönste Aussicht in Ostasien» gerühmt. Auch heute noch nicht zu verachten (wenngleich alles etwas zugebauter ist als damals…). Allzu lange verweilten wir aber nicht, denn für die Aussicht musste man die Schuhe draussen vor dem Eingang lassen. Zwar lief man auf Tatami-Matten, aber strümpfig war nicht wirklich behaglich (man lief ja mehr oder weniger im Freien herum).
Tomonoura ist ja wirklich charmant und gab sich an diesem Tag alle Mühe, aber bei diesen Temperaturen kamen wir nicht mehr zusammen. Auf dem Rückweg durchs Dorf gab es noch den ein oder anderen netten Anblick, sei es die hübschen Strassen, das Haus eines Menschen, dem das Wegwerfen offenbar schwerfiel, einem kleinen Tempel in der Strasse oder ein Hausbesitzer, der den Begriff «Urban Gardening» sehr ausufernd interpretierte.
Ziemlich zügig radelten wir nach Fukuyama zurück. Im Hotel stiegen wir erst einmal ins heisse Bad. Nach dieser Tagestour war ich wirklich bis auf die Knochen durchgekühlt, und das Auftauen-Aufwärmen im 40°C heissen Wasser dauerte ziemlich lang…
An sich grauste es mir, nochmals nach draussen zu gehen, aber wir wollten doch gerne etwas Warmes zu Abend essen. Wir hatten am Vorabend ein Fisch-Sushi-Restaurant nahe am Bahnhof entdeckt und Lust, wenigstens einmal in diesen Ferien Unagi-don, also Aal auf Reis zu essen.
Als wir gegen 18 Uhr eintraten waren wir die ersten und einzigen Gäste (später gesellten sich dann noch weitere dazu). Ein ganz traditionelles Familienrestaurant mit dem Meister hinter der Theke, dem Sohn in der Küche und der Frau für den Service. Fast war es uns etwas peinlich, Unagi zu bestellen, da die Sushi sicherlich auch sehr fein waren. Sogar ein bisschen (japanische) Konversation konnten wir mit der Familie machen. Der Meister hatte ja nichts zu tun, da der Sohn den Unagi zubereiten musste. 😉
Zurück im Hotel fielen wir sofort ins Bett. Die knapp 30km Velotour waren ja eigentlich nicht der Rede wert. Bei solchen Temperaturen den ganzen Tag (um 5°C) geht es aber doch an die Substanz. Aber immerhin hatten wir den Ausflug machen können. Alles andere wäre vielleicht langweilig gewesen. 🙂