In unserem neuen Japanisch-Buch, Minna-no-nihongo Mittelstufe 1, wird ein französisches Wort erklärt, dass in Frankreich wohl seit einigen Jahrzehnten existiert: das Verb „tatamiser“. Tatamiser kommt vom japanischen Wort „Tatami“.
Ein Tatami ist die harte Matte aus Reisstroh und anderen Materialien, mit denen traditionelle japanische Zimmer (washitsu) ausgelegt sind. Heutige Wohnungen/Häuser haben ggf. noch ein Washitsu, der Rest der Wohnung gestaltet sich wie bei uns.
Wenn jemand nach französischem Sprachgebrauch „tatamisiert“ ist, so hat die japanische Lebensweise sehr von ihm Besitz ergriffen. Die Person ist vermutlich japanisiert, wie man vielleicht im Deutschen sagen würde. Offenbar ist der Begriff anfangs eher abfällig benutzt worden.
Thomas und ich sind zwar sehr Japan-begeistert, und nach der Rückkehr aus Japan haben wir durchaus einige Wochen Umstellungsschwierigkeiten. Aber als „tatamisiert“ würden wir uns noch nicht betrachten.
– Unser Büro wird nicht zum „Washitsu“ umdekoriert
– Unser Reiskocher ist nicht täglich in Betrieb
– Unser Speiseplan ist noch überwiegend mitteleuropäisch geprägt
– Noch unterhalten wir uns auf Deutsch
Aber wir wundern uns bei unserer Rückkehr immer, warum Aufzüge, Ampeln und Lastwägen nicht mit uns sprechen. Warum die VerkäuferInnen das Geld nicht sorgfältig in die Hand abzählen und sie sich nicht drei mal bedanken, wenn man den Laden verlässt. Warum sich niemand verbeugt, um sich zu verabschieden. Warum niemand brav in der Schlange steht, wenn der Zug oder Bus einfährt. Und ich hätte über Mittag häufig sehr, sehr gerne lieber ein O-Bento bzw. ein O-Nigiri als ein Käsebrot …
Nun hat die „Tatamisation“ aber doch eine weitere Stufe erreicht: Ich habe den Yukata gekauft, in den Inoue-san mich vor einer Woche gesteckt hat. Unter Begutachtung der gesamten Belegschaft sowie einer urplötzlich grossen Kundinnenzahl im engen Laden auf der Okaido Matsuyama wurde ich nochmals korrekt eingekleidet.
Was ich nicht wusste: Inoue-san hatte am Mittag extra nochmals angerufen um sicherzustellen, dass er noch nicht verkauft sei, und es auch einen Rabatt geben würde. Wie mehrfach erwähnt, Matsuyama ist einfach eine Kleinstadt…
Nun ist das gute Stück unterwegs nach Hause, im Postpaket. Hoffentlich klauen ihn die somalischen Piraten nicht!
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