Talmont sur Gironde – Bordeaux – La Réole

Dienstag, 27.9.
Talmont sur Gironde – Blaye
(Fahrtstrecke 84 km, Fahrzeit 5:38 h, Schnitt 14.9 km/h, Höhenmeter 335m)

Der Abschnitt Talmont – Blaye ist noch als provisorisch deklariert (auf der Website), aber man ist mit den Arbeiten auf gutem Weg. Die Signalisation ist teilweise neu, die Route inzwischen passabel ausgeschildert und führt ab Barzan bis Mortagne sur Gironde durchs Hinterland. Das ist ein ziemlich anstrengendes Auf- und Ab, und das am frühen Morgen! Etwas fertig erreichen wir nach nur ca. 15 km Mortagne, ein Dorf auf den Gironde-Klippen, und mit Supermarkt und Bäckerei wichtiger Boxenstop, denn danach kommt sehr lange keine menschliche Siedlung mehr, bzw. die wenigen Dörfer sind weit von der Route entfernt.

Es geht dann unten im topfebenen Éstuaire der Gironde weiter, gut ausgeschildert und mit teilweise nagelneuen Velo-Pisten, die im Zickzack durch die Marais-Landschaft führen. Vögel, Kühe und Esel sind die einzigen Bewohner. Mit Conan und Vitrezay gibt es noch zwei kleine Häfen für Fischer und Freizeitsegler. Die grösste Anlage weit und breit ist das Kernkraftwerk Blaye, mit 4 Druckwasserreaktoren eines der leistungsstärksten in Frankreich (gemäss Wikipedia). Etwas komisch, da so vorbeizuradeln, und dass die EDF  (Électricité de France) das grosse, umzäunte Areal zum wertvollen Naturschutzgebiet hochstilisiert, kommt uns – obwohl es ja durchaus stimmen mag – schon etwas schräg vor.

Die nüchterne Marais-Landschaft ist vielleicht Geschmackssache. Bei schlechtem Wetter wird es auch weniger erbaulich sein, diese 80 Kilomenter im Nichts abzustrampeln. Aber wir haben weiterhin Wetterglück, und so hat auch dieser Tag seinen Reiz.

Begeisterte Altbrot-Verwerter!

An sich gibt es im Éstuaire zahlreiche kleine Strassen, die man ebenfalls befahren könnte. Aber ich würde mit Varianten oder Abkürzungen vorsichtig sein, denn manche der Strässchen enden im Nichts bzw. vor einem unüberwindbaren Kanal. Auf den wenigen Hauptsträsschen ist zwar wenig Verkehr, jedoch wird recht rasant gefahren (wie überall), und es kann dann ungemütlich werden, wenngleich die meisten französischen Autofahrer den geforderten Abstand von 1,50m sehr grosszügig halten.

Ab Atomkraftwerk geht es ein Stück östlich bis Étauliers, eher ein unnötig erscheinender Schlenker. Ist er aber nicht, denn von dort aus geht es auf einer ehemaligen Bahnlinie, jetzt nur für Velofahrer, die letzten 8km direkt nach Blaye ins Zentrum. Ein schöner Ausklang!

Unser Logis-Hotel La Citadelle*** liegt – wie der Name bereits sagt – in der Vauban-Festung der Stadt. Wir sind müde, und da wir Blaye von unserem Besuch 2009 kennen, bleiben wir „zuhause“ und gönnen uns lieber ein feines belgisches Bier mit Ausblick auf die Gironde vor dem Abendessen.

Mittwoch, 28.9.
Blaye – Bordeaux
(Fahrtstrecke 63.5km, Fahrzeit 3:58 h, Schnitt 16 km/h)

Die Fähre von Blaye bis auf die andere Seite der Gironde fuhr um 10:00 Uhr (Nebensaison-Zeit). Frech mogelten wir uns an den wartenden Autofahrern vorbei und bekamen ohne Probleme einen Standplatz zugewiesen. 2009, auf unserer ersten Fahrt, war die Fähre noch ein übel lautes, die Umwelt verpestendes altes Gefährt gewesen. Nun ist es ein schönes, modernes, leises Schiff, und so war die gut 30minütige Überfahrt ein angenehmer Tagesauftakt.

Ab Lamarque ist die Route erst einmal ganz ordentlich beschildert, macht aber komische (überflüssige??) Schlenker durch die Reben der Medoc. Nach Margaux hört die Signalisation aber plötzlich auf, bzw. wir werden – durch was auch immer – fehlgeleitet,  landen in Labarde und müssen uns weiter per Karte orientieren. Mist… Offenbar haben die hochedlen Wein-Gemeinden kein wirkliches Interesse an Velotourismus. Die Strecke ist auch noch als provisorisch im Web verzeichnet. Also ist Pfadfindung gefragt.

Auf der D209, die wir zuerst wählen, hat es uns zu viele Lastwagen, daher biegen wir ab nach Ludon-Médoc und auf die D210. Dort gibt es für einige Kilometer sogar einen Velostreifen, so falsch kann es also nicht sein. Ab Parempuyre geht es dann endlos durch ein gigantisches Industriegebiet,  zwar auf separatem Veloweg, aber trotzdem grauenhaft wegen des unglaublichen Schwerverkehrs. Es sind praktisch nur gigantische Laster unterwegs. Pi mal Schnauze und mit grober Karte fahren wir Richtung Bordeaux. Plötzlich gibt es wieder Veloschilder, sogar Sauveterre de Guyenne ist ausgeschildert (unser Ziel des nächsten Tages).
Leider vermiest Sylvie den Resttag. Zu genervt von einem parkenden Lieferwagen bringt sie den Hänger mit einem Bordstein zum Kippen. Danach ist die Deichsel ziemlich verbogen. Auch das Hinterrad hat eine ziemliche Acht. Weiterfahren geht, aber nur langsam. Unser Hotel IBIS Centre Bastide liegt auf dem anderen Gironde-Ufer, und nach Ankunft am späten Nachmittag suchen wir per Internet erst einmal ein Velogeschäft.

Cyvea“ war unsere Rettung: ein tipptopp Fahrradladen mit Reparaturwerkstatt und Internet-Shop, extrem gut sortiert. Sie waren sehr hilfsbereit und fixten noch am Abend mein Hinterrad, so dass wir die Reise fortsetzen konnten. Was die Deichsel des Hängers anging, so konnten wir diese via Web-Shop bestellen und an eine Filiale in Toulouse liefern lassen. Bingo! Danach konnten wir noch einen kurzen Stadtspaziergang einlegen.

Unser Lieblingsrestaurant von 2009 gibt es leider nicht mehr. Gleich nebenan machte ein griechisches Restaurant einen ganz guten Eindruck. Nach viel Fisch, Moules frites und Crèpes waren die mediterranen Vegi-Gerichte eine schöne Abwechslung.

Donnerstag, 29.9.
Bordeaux – La Réole
(Fahrtstrecke  78 km, Fahrzeit  5:00h, Schnitt 15.5 km/h, Höhenmeter 557 m)

Im IBIS gibt es frühes Frühstück, also kommen wir zeitig in die Pedale. Um 8:30 Uhr sind wir unterwegs und fahren ab der Pont Saint Jean das rechte Gironde-Ufer entlang flussaufwärts. Der Veloweg geht entlang der anfangs vielbefahrenen Strasse, ist aber gut abgetrennt und bestens fahrbar.

Apropos Velowege Bordeaux: Diese sind fantastisch, wie wir bereits seit unserem Aufenthalt 2009 wissen. Wir sind total neidisch und versuchen nicht, an die armselige Zürcher Situation zu denken. Uns scheint es fast, als hätte die „Kopenhagisierung“ in der Gironde-Stadt ihre tiefen Spuren hinterlassen. Es wird unglaublich viel Fahrrad gefahren, und die radelnden Bordelaiser sind recht zackig und unverfroren unterwegs. Rote Ampeln? Gibt es nicht. Als wir brav vor einem Rotlicht stehen bleiben, werden wir gleich gefragt, ob wir Deutsche sind. :-0

Gut beschildert geht es die 8km nach La Tresne. Dort beginnt die „Piste cyclable Roger Lapébie“, für uns nun einer der schönsten Velowege Frankreichs. Er führt 54km auf einer stillgelegten Bahnlinie nach Sauveterre de Guyenne im Entre-deux-Mers.  54km „Voie verte“: keine Autos, nur Velofahrer (oder wenige Spaziergänger), durch Wälder und Weinberge. Die alten Bahnhöfen wurden teilweise in Restaurants oder Buvettes umgewandelt. Picknickplätze wurden errichtet. Die Velo-Beschilderung ist fast schon etwas überdimensioniert. Wir sind restlos begeistert.

Ein kurzer, lohnenswerter Abstecher führt uns zu den Klosterruinen der Abbaye de la Sauve-Majeure. Sightseeing-Pause.

Im ehemaligen Eisenbahntunnel geht das Licht per Bewegungsmelder an. Es ist Mittag und durch die spätsommerliche Hitze (28°C) kommen wir ins Schwitzen. Im Wald zu fahren ist sehr angenehm, aber es geht auch kilometerweise durch die pralle Sonne.

Bis Sauveterre geht der Weg sehr sanft auf- und abwärts. Wir erreichen die kleine Stadt am Nachmittag. Der an sich schöne Marktplatz der mittelalterlichen Ortschaft ist leider ein grosser Parkplatz, und es tut sich nicht viel. Also keine Kaffeepause, sondern weiterfahren.

Nun war ich gespannt, ob Sauveterre Velotourismus-freundlich ist, und siehe da: Die Strecke scheint ausgeschildert zu sein, zwar nicht nach La Réole aber nach Montségur, einer Stadt weiter östlich. Mal sehen, wie sich das entwickeln würde.

Man wird auf ruhigen Nebenstrassen (D21) nach Süden geleitet, allerdings geht es diese letzten 15 km ordentlich auf und ab. Insbesondere das Dropt-Tal liegt ziemlich tief, und was man runter fährt, muss man bekanntlich wieder hochstrampeln.
Die Beschilderung hört dann auch ab Loubens auf. Die Wegfindung bis zum Ziel ist nicht das Problem,  aber es folgen auf den letzten 6-7 km nochmals ein paar üble Steigungen, so dass wir den „Höhenrekord“ unserer Tour erreichen.
Wie ich im Internet gesehen habe, sind sie dabei, bis La Réole eine Variante entlang dem Fluss Dropt zu planen, die dann wohl eben ist. Das finde ich eine ausgesprochen gute Idee!

In La Réole sind wir dann ziemlich kaputt… Aber unsere wunderbare Unterkunft, das charmante Chambre d’Hôtes „La Parenthèse“ lässt uns alles vergessen. Die freundliche Inhaberin empfiehlt uns dann noch das Restaurant „Aux Fontaines“, in dem wir das beste Essen unserer gesamten Reise geniessen. So entpuppt sich der ursprüngliche „Zwangsübernachtungsort“ als einer der besten und günstigsten Gelegenheiten zum Schlafen und Essen. Wenn der neue Veloweg fertig ist, kommen wir wieder!

 

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