Sightseeing in Yudaonsen – Yamaguchi (湯田温泉 – 山口市)

Unser erster Tag in Japan (14.11.) begann erstmal mit Verschlafen. Ziemlich benommen wachten wir um 7:05 Uhr auf und realisierten langsam, dass der Wecker (das Handy) nicht geklingelt hatte. Welch ein Desaster! Wir waren um 7 Uhr mit Imai-san zum Frühstück verabredet! In Rekordzeit (15 Minuten) waren wir (beide!) geduscht und angezogen. Imai-san rief per Zimmertelefon kurz an, um zu fragen, ob alles o.k. sei. Mit vielen „Sumimasen“ und „Gomen nasai“ erschienen wir dann noch rechtzeitig vor 7:30 Uhr im Frühstücksraum. So was von peinlich.

Thom legt Wert auf die Feststellung, dass ich es am Vortag nicht geschafft habe, den Handywecker richtig zu stellen. Dies stimmt leider, und ob es die vielen Biere von gestern waren oder der komatöse Jetlag-Zustand oder beides ist letztendlich nicht von Belang. Aber immerhin haben wir es ja noch geschafft, während unseres Frühstücks-Zeitslots zu kommen. Diese dauern immer eine halbe Stunde, um zu grosses Gedränge vor dem Buffet zu vermeiden. Dieses Buffet ist sehr nach unserem Geschmack, man kann sich da sein japanisches Frühstück (asa-gohan) nach Belieben zusammenstellen, mit allem was dazu gehört: Reis, Miso-Suppe, Salat, Gemüse, Tofu, Fisch… Dazu gibt es noch die westlichen Errungenschaften wie Würste, Bolognese, gebratener Schinken und Rührei etc. …

Für unsere Sightseeing-Tour hatte Imai-san sich ein Hotel-Velo gemietet und stieg nach gut 10 Jahren zum ersten Mal wieder aufs Fahrrad. Es hatte in der Früh noch etwas geregnet, nun war es nur noch bewölkt, und wir konnten in gemütlichem Tempo losfahren. Bis zum ersten Tempel Rurikō-ji sind es ca. 5 km. Zu Fuss hätte das lange gedauert, und wir wollten ja auch noch andere Sehenswürdigkeiten anschauen. Mit dem Bus wäre es umständlich und zeitaufwändig gewesen. Letztendlich ist ein Fahrrad einfach das perfekte Fortbewegungsmittel in Japan. Das hat wohl selbst Imai-san überzeugt. Wir freuten uns natürlich sehr darüber.

Yuda Onsen ist eigentlich ein Stadtteil von Yamaguchi-Stadt, einer grossen Gemeinde mit knapp 200‘000 Einwohnern. Es ist zudem die Hauptstadt der Präfektur Yamaguchi, die im letzten westlichen Zipfel der japanischen Hauptinsel Honshū liegt. Unserem ersten Eindruck nach war Yuda Onsen bzw. Yamaguchi eine gute Wahl für den Beginn unserer Reise. Alles scheint – wie so oft in den eher ländlichen Provinzen – etwas ruhiger vonstatten zu gehen. Und ausserdem ist in einem Onsen-Ort das gastronomische Angebot immer üppig. 🙂

Also radelten wir über wenig befahrene Stadtteilstrassen zu unserem ersten Ziel. Die Orientierung ist relativ einfach, da die Städte meist schachbrettartig aufgebaut sind. Für ungestörte Fahren folgt man einfach einer der zahlreichen Nebenstrassen zu einer Hauptstrasse. Rurikō-ji erreichten wir nach einer halben Stunde. Grund der Besichtigung: Dort steht eine der drei ältesten fünfstöckigen Pagoden Japans, ein nationales Monument von 1404. Die beiden anderen Pagoden in Kyoto und Nara kennen wir selbstverständlich schon. 🙂

Die Pagode ist Teil eines Tempels sowie eines schönen Parks, in dem man zu dieser Jahreszeit prächtiges rotes Herbstlaub bewundern kann. Das „Momiji“ erfreut sich – wie die Kirschblüte im Frühjahr – grosser Beliebtheit, und manche Fotografen (wir inklusive) legen sich da mächtig ins Zeug.

Unser nächstes Ziel war dann der Jōei-ji Tempel, ca. 3 km weiter durch die Stadt, vorbei an einem Schrein und Wohnhäusern. Teilweise blüht es noch sehr dekorativ.

Zum Schluss ging es etwas den Berg hoch, und Imai-san musste ihr japanisches Billigrad mangels Kondition und Gangschaltung eine Weile schieben.

Der Jōei-ji ist bekannt für seinen prächtigen Landschaftsgarten, der irgendetwas mit dem Maler Sesshū (15. Jh.) zu tun hat (siehe auch unten). Zudem waren die sehr neuen Tempelgebäude beeindruckend. Es gab sogar einen kleinen Steingarten zu bewundern. Und natürlich Momiji.

Zudem schloss ich noch kurze, intensive Freundschaft mit einem jungen Shiba-Inu. Die fuchsartig aussehende, sehr alte japanische Hunderasse mag ich gern, und dieser Welpe war wirklich ausgesprochen herzig.

Als Programmpunkt drei stand dann das Kunstmuseum auf dem Programm. Wir schlängelten uns zurück Richtung Stadtzentrum, wo in einem grossen Parkgelände das Kunstmuseum, das Naturkundemuseum und auf der anderen Strassenseite die Präfektursbibliothek nahe beieinanderliegen.

Leider hatte das schöne Kaffee im Museum bereits kein Mittagessen mehr (es war schon 13:30 Uhr vorbei), also suchten wir noch nach einer warmen, salzigen Verpflegung. Richtung Stadt gönnten wir uns in einem kleinen Restaurant warme Soba-Nudeln in Brühe. Zurück im Museum gab es dann das Dessert in Form von sehr feinem Grünteekuchen mit exzellentem Cappuccino. Der Kaffee war bitter nötig, denn wegen des Jetlags und des Koffeinmangels hatten Thom und ich ziemlich fiese Kopfschmerzen.

Im Museum gab es Kunst in Form zweier Ausstellungen. Eine war dem bereits oben erwähnten Maler Sesshū Tōyō (1420-1506) gewidmet, der in Yamaguchi gelebt hatte, und dessen Werk in den folgenden Jahrhunderten vielfach kopiert worden war. In der anderen Ausstellung war der Tempelschatz des Saidaiji-Tempels in Nara zu sehen. Gut, dass Imai-san uns einiges erklären konnte, denn alles war eine sehr japanische Angelegenheit. Für ausländische Besucherinnen und Besucher gibt es kein Material, und es würde sich ja nicht annähernd lohnen, die Prospekte übersetzen zu lassen.

Zudem scheint man im Museum Yamaguchi etwas fortschrittlicher unterwegs zu sein.
Punkt 1: Das Velo darf direkt und überdacht vor dem Museum parkiert werden. Das ist gar keine Selbstverständlichkeit in Japan.
Punkt 2: Auch Herren dürfen auf dem WC ihren väterlichen Pflichten nachkommen. 🙂

Um 17 Uhr folgte pünktlich der Rausschmiss, und unser Besichtigungstag war beendet. Die Dämmerung setzt hier viel schneller ein, und als wir nach etwa zwanzig Minuten wieder am Hotel angelangt waren, war es Nacht.  Imai-san hatte in einem anderen Restaurant reserviert, dort gab es ebenfalls gute Sachen zu essen, und insbesondere ein lokales Crafts-Bier zu trinken: Akiyoshi-Bier, welches wir natürlich durchprobieren mussten.

Nett fand ich die Namensgebung: Das Pilsner war das Akiyoshi-dai, das Schwarzbier das Akiyoshi-do. Akiyoshi-dai ist die Karstlandschaft mit der Hauptsehenswürdigkeit Akiyoshi-do, der Höhle, die wir noch besuchen werden. Und in Höhlen ist es ja bekanntermassen dunkel.

Mit Imai-san Essen zu gehen war natürlich wieder sehr lässig. Denn es ist schon ungeheuer praktisch, so eine Vorleserin dabei zu haben. Normalerweise ist so eine Normalspeisekarte (ohne Bilder) für uns (bzw. Nicht-Japaner) ja immer wieder herausfordernd. Ob es Fleisch, Fisch oder Gemüse oder etwas zu trinken ist, sehen wir gerade noch. Wir kennen zwar schon einiges, was im Allgemeinen aufgetischt wird, können wir jedoch nicht unbedingt die besonderen Spezialitäten. Und in Japan gibt es dann noch die speziellen Köstlichkeiten einer bestimmten Gegend.
Aber das können vielleicht alle nachvollziehen, die mal in einer mediterranen Markthalle an der Fisch- oder Gemüsetheke standen. Was es ist, ist ja letztendlich (fast) egal. Hauptsache es schmeckt. 🙂

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