Shimonoseki (下関)

Am nächsten Tag war das Wetter ziemlich zugezogen (aber immerhin tropfenfrei), und bot daher die besten Voraussetzungen für ein eher indoor-orientiertes Programm: Besuch des Fischmarkts, des Aquariums, einiger alter Häuser sowie ein Kurzausflug per Fähre auf die andere Seite der Kammon-Strasse.

Wir hatten Glück, zum Wochenende hin angekommen zu sein, denn sonntags ist der Karato-Fischmarkt ein einziger, grosser Imbissstand. Es wird auch frischer Fisch verkauft, im speziellen natürlich Fugu. Auch das bereits erwähnte Shirako gibt es da.

Jedoch kommen die Mehrzahl der Besuchenden von 8 – 15 Uhr zum Sofort-Essen. Zu wirklich günstigen Preisen werden allerlei Köstlichkeiten angeboten: frisch zubereitetes Sushi, Suppe, Tempura etc.. Denn die Besucherinnen und Besucher wollen vor allem eins: Essen, bzw. Frühstücken und Mittagessen. Sushi-Fans müssen jetzt sehr tapfer sein. 😉

Viele Stände buhlen um die Gunst der Hungrigen, und ruckzuck bekommt man eine Schale in die Hand gedrückt, die man sich nach Lust und Laune füllen kann. Als  einzige Nichtasiaten unter Japanern, Chinesen und Koreanern fielen wir wieder mal recht auf. Nach genauer Sichtung haben wir dem Stand mit den gelben Kitteln den Vorzug gegeben, und sie haben sich gefreut, dass ihre Sushi in unseren Mägen gelandet sind.

Pro Sushi zahlt man 150 Yen, also ca. CHF 1,30 oder EUR 1,15. Für ca. CHF 35 konnten wir uns ziemlich ordentlich satt essen. Und so hausgemacht, frisch und gut hatten wir das selten. Also wenn nach Shimonoseki, dann nur noch an Sonntagen. 🙂

So gestärkt konnten wir dann die weitere Fischbetrachtung durchführen, diesmal am lebenden Objekt in der Kaikyokan (海響館). Die Übersetzung der Zeichen lautet sehr poetisch in etwa „Meeres-Klang-Halle“, also nicht nur schnöde „Aquarium“.

Zwei grosse Becken kann man dabei in einem Tunnel durchwandern, und es ist schon spannend, den Tieren beim Schwimmen zuzusehen. Ein Foto von einem pfeilschnell durchflitzenden Pinguin zu machen, ist absolut unmöglich. Thom hat es irgendwie trotzdem geschafft.

Die Delfin-Show haben wir nur etwa 10 Minuten verfolgt. Viel interessanter fand ich es, den beiden Delfinen im Nachbarbecken zuzuschauen, die nicht bei der Show im Einsatz waren, und die sich sichtlich langweilten…

Neben den bereits erwähnten hundert Fugu-Spezies (manche übrigens mit ziemlich spitzen Stacheln) gibt es natürlich Aquariums-Klassiker wie die bunten Korallenfische, aber auch solche, die wir noch nie gesehen hatten, z.B. den Arapaima, ein sehr grosser, etwas unheimlich aussehender Süsswasserfisch, der im Amazonas lebt.

Nicht weit entfernt vom Aquarium stehen die ältesten Meiji-Häuser Shimonosekis. Es sind das ehemalige britische Konsulat (1906), das älteste, noch betriebene Postgebäude Japans (von 1900) sowie das ehemaliges Geschäfts- und Wohnhaus der Familie Akita (1915). Letzteres ist ziemlich originell: In dem völlig westlichen Bau hat der Besitzer sich im 2. und 3. Stockwerk traditionell japanische Räume mit Shoji-Türen und Tatami-Zimmer einbauen lassen. In jedem Fall wird es dort im Winter wärmer und im Sommer kühler gewesen sein als in traditionellen japanischen Häusern ohne jegliche Isolation… 😉

Zurück am Quai kauften wir für uns und die Birdys Tickets für das Fährschiff, um noch einen Blick auf die andere Seite der Kammon-Strasse werfen zu können.

Mit einer anderen Fähre kann man auch noch die kleine Insel Ganryū-jima im Hafengebiet Shimonosekis besuchen. Sie ist für das berühmte Duell der beiden Samurai und Schwertkünstler Musashi und Kojirō  bekannt, das am 13. April 1612 stattgefunden hat. Immerhin mir sagte das noch etwas, da die drei Filme „Musashi“ aus den 50 Jahren (mit Toshiro Mifune als Musashi) in der häuslichen DVD-Sammlung stehen. So Fans alter Kampfgeschichten sind wir aber dann doch nicht, zumal es dort nicht wirklich mehr zu sehen gibt als ein Denkmal.

Die Fähre düst in knapp 10 Minuten quer übers Wasser nach Moji bzw. Mojikō, dem Hafen auf der Kyūshū-Seite, wo ebenfalls noch eine Seepromenade auf Kundschaft und Einkäufer lauert.

Dort stehen auch weitere Meiji-Häuser, jedoch überwiegend Nachbauten. Die genauere Besichtigung Mojikōs planten wir aber für den nächsten Tag. Für heute radelten wir den gut ausgeschilderten Seepromenadenweg entlang Richtung Kammon-Fussgängertunnel.

Mit dem Lift fährt man ziemlich tief hinunter. Die Fussgängerpassage befindet sich noch unterhalb des Strassentunnels, den man hören kann. Ein merkwürdiges Gefühl.

Im Fussgängertunnel müssen Velo- und Motorradfahrer ihr Gefährt schieben, sonst wird man sofort per Lautsprecher verwarnt. Die Mitte des 780m langen Tunnels ist dann markiert, und man kann sich dann mit einem Bein auf den beiden Inseln Japans, Honshū und Kyūshū aufstellen, ein beliebtes Fotosujet.

Wieder zurück auf der Shimonoseki-Seite erinnern Kanonen an die beiden berühmten Kämpfe in der Kammon-Strasse. Der Shimonoseki-Krieg fand 1864 statt, und zur Erinnerung hat man dekorativ einige Kanonen aufgestellt.

Für die frühe japanische Geschichte ist jedoch die Schlacht von Dan-no-ura  von Bedeutung. Fünf Jahre lang hatten die verfeindeten Familien der Minamoto (Genji) und der Taira (Heike) um die Vorherrschaft in Japan gekämpft.  Nun entschied Minamoto no Yoshitsune (Held und beliebte Figur im Kabuki) die Seeschlacht für seine Seite. Der Kindkaiser Antoku (aus der Taira-Familie) ertrank, da sich seine Grossmutter mit ihm in die Fluten stürzte. Ihm ist der Akama-Schrein in der Nähe gewidmet, den wir ebenfalls noch einen Besuch abstatteten.

Einen kleiner Sub-Schrein auf dem Gelände, dessen Statue einen blinden Musiker darstellte, konnten wir zuerst nicht deuten.

Zum Glück kann man heute alles schnell im Internet herausfinden. Dargestellt ist hier «Hoichi der Ohrlose» (mimi-nashi Hoichi), eine Figur aus der japanischen Mythologie, die durch die Kwaidan-Geschichten (Geistergeschichten) des Schriftstellers Lafcadio Hearn bekannt wurde. Zwar wissen wir etwas über Lafcadio Hearn, der in Matsue gelebt hat. Mit solchen Geschichten haben wir uns bisher noch überhaupt nicht beschäftigt. Wieder etwas für unsere Liste, die mit jeder Japan-Reise länger wird…

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