Im Februar hatten wir unsere Frankreich-Veloferien 2018 eigentlich fix und fertig geplant: Wie 2016 sollte es wieder an die Atlantikküste gehen und wir wollten das Reststück der Velodyssée von Rochefort bis Bayonne bzw. Hendaye zu Ende fahren. Die Route war berechnet, die Hotels gebucht. Alles schien soweit gut, bis wir im März (mehr oder weniger zufällig über die Pro-Velo-Zeitschrift) erfuhren, dass TGV Lyria die Velomitnahme zwischen Paris und Zürich per Dezember 2017 eingestellt hat. Zwar ist die Mitnahme in eingepacktem Zustand (Tasche mit Maximalabmessung) noch möglich, aber das war für unsere Riesenräder nutzlos. Das sollte es mit unseren Ferien gewesen sein?? Ein paar Wochen verbrachten wir zwischen Panik, Trübsal und dem Finden einer Alternative.
Das Absurde: Zwischen Paris und La Rochelle (bzw. den Rückweg Bordeaux-Paris) konnten wir im Mai/Juni das Ticket inklusive Velomitnahme für den TGV buchen, was wir auch taten, um uns wenigstens diese Möglichkeit nicht noch zu verschenken. Aber wie würden wir mit Velos und Gepäck nach Paris kommen?
Nach Stunden langer Internet-Recherchen war dann der Stand Folgender: Es gab (gibt) offenbar eine als regional klassifizierte, durchgehende TER-Zugsverbindung zwischen Mulhouse/Belfort bis Paris, in dem offenbar die Mitnahme von Fahrrädern möglich ist. Jedoch gab es weder detaillierte Auskünfte noch Bilder dazu, und vom Bahnhofspersonal Mulhouse war vorab auch nur Widersprüchliches zu hören, was die Platzzahl bzw. die Reservationsmöglichkeit oder auch Sicherheit der Mitnahme anging. Also mussten wir diesen mysteriösen Zug einfach mal testen und ausspähen.
Zwei Wochen vor unserem Abreisetermin, an Thom’s Geburtstag (26.7.) war es dann soweit: Um 5 Uhr früh stiegen wir mit den grossen Velos in den Zug ab Zürich und standen 2,5h später in Mulhouse am Bahnhof zur Test-Tour.
Hier die Facts mit Ansichtsfotos:
- Der sehr schmucke neue Zug, ein Intercité bzw. TER, existiert tatsächlich.
- Er fährt ab 7:45 Uhr in viereinhalb Stunden von Mulhouse quer durch die Provinz (via Vesoul, Chaumont, Troyes) nach Paris-Est.
- Die Mitnahme der Velos ist gratis (wie in den Regionalzügen Frankreichs üblich).
- Es gibt 3 Stellplätze, die Reservation ist nicht möglich. Sind die Schaffner nett, dulden sie für kurze Strecken (bis zum nächsten Bahnhof) auch mehr Fahrräder im Zug. Ein weiteres Rad haben wir auch noch auf der Gepäckablage am anderen Ende des Zugs gesehen. Das geht für ein normal-kleines Zweirad, aber nicht für unsere Maxi-Versionen… Aber bei viel Gepäck bzw. vielen Koffern: Fehlanzeige.
- Ergo sind starke Nerven bis zur Abreise gefragt.
Tatsächlich waren an diesem Tag bereits zwei Fahrräder da. Wir stellten uns die 20 Minuten bis Belfort sicherheitshalber brav daneben. Zum Glück interessierte das den Schaffner auch eher wenig. Mit einem anderen Velobesitzer kamen wir dann ins Gespräch. Er würde die Strecke werktags fahren, und die Anzahl der Räder sei sehr unterschiedlich. Horden von Radtouristen schienen somit nicht unterwegs zu sein. Die Ungewissheit mussten wir also bis zum Abfahrtstag aushalten können. Immerhin würden theoretisch wir bis Mittag nach Paris kommen und unseren TGV erreichen. Das Restrisiko betreffend möglicher Stellplatz-Konkurrenten mussten wir einfach noch zwei Wochen aushalten.
Erstmal genossen wir den Tag und stiegen wie geplant in Belfort aus dem Zug, der von einer koreanischen Reisegruppe mit gigantisch viel Gepäck gestürmt wurde. Soso, auch sie haben also diesen Zug im Visier.
In Belfort frühstückten wir erstmal und erkundeten kurz die Altstadt mit der Festung (die jedoch noch geschlossen war), bevor wir dann an den Fluss zurückkehrten und den Schildern des Voie verte „La FrancoVéloSuisse“, Route 64/643 folgten, die von Belfort bis Delle führt. Von Delle/Boncourt (CH) wollten wir weiter nach Porrentruy und dann per Zug wieder zurück nach Zürich.
Die 22 Kilometer geht es zuerst sehr malerisch am Fluss La Comtoise entlang, dem Coulé vert bis Sevenans. Dort radelt man dann weiter über harmlose Hügel via TGV-Bahnhof Belfort-Montbéliard (WC-Pause!) bis zum Canal du Rhône au Rhin, wo man die EuroVelo6-Route kreuzt.
Bis Delle kurvt man dann über eine hübsch angelegte Route sehr entspannt durch die Wiesenlandschaft. Gegen Mittag erreichten wir dann Delle, und über den Grenzhügel kamen wir in Boncourt (CH) an. Sehr viel war nicht los, immerhin gab es einen Coop zum Getränke kaufen. Der grosse Schreck folgte dann am Bahnhof: Kein Zug zwischen Delle und Porrentruy bzw. Délemont. Der Bus würde keine Fahrräder mitnehmen. Die heutige Velotour entpuppte sich somit als eine einzige Fehlplanung. Grund: SBB-Sommer-Bauarbeiten. Lesson learned: Vorher in den Fahrplan gucken, insbesondere nach Fahrplanwechseln… :-\
Also wieder retour bis Delle, wo wir erstmal zu Mittag assen. Wer weiss, wozu wir die Wegzehrung noch brauchen würden.
Dann wieder zurückgeradelt an den Canal und auf gut ausgebauter, ebener Strecke Richtung Mulhouse gesaust. Zum Glück war es eher abschüssig. An sich hatte ich nicht vorgehabt, die ganzen 40 Kilometer zurückzufahren, da ich wegen der Hitze (32°C) schon auch recht müde war. Aber Thom war natürlich unerbittlich. In einer kleinen Buvette konnten wir für die letzten 20 Kilometer bis Mulhouse nochmals Flüssiges auftanken.
Alles in allem kamen doch über 80 Kilometer zusammen – statt der ursprünglich geplanten 40 Kilometer Belfort-Porrentruy. Kein schlechter Trainingstag für den Anfang.