Ozu und Uchiko / 大洲市, 内子

Nach unserem Wochenendausflug mit den Imai-san-tachi war der Montag ausgefüllt mit diversen Notwendigkeiten: Wäsche waschen, Thom’s Hemden in die Reinigung bringen, Einkaufen, Pakete packen etc. Am Dienstag (8.12.) stand dann wieder ein Ausflug in die Umgebung auf dem Programm: Ozu (大洲市, weniger bekannt) und Uchiko (内子, sehr bekannt), beides ca. 30 Schnellzugs-Minuten südwestlich von Matsuyama gelegen.

Wir radelten früh zum Bahnhof (gute 10 Minuten), u.a. durch den Park, wo uns zahlreiche Fahrradfahrer entgegenkamen.

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Matsuyama, Partnerstadt Freiburgs im Breisgau, ist – selbstverständlich – auch eine richtige Velostadt: Die Temperaturen und das Wetter sind meist gut, es ist flach, und man kommt mit dem Rad immer prima voran. Unsere Räder kamen am Bahnhof in ihre Taschen, denn sie würden uns einen grösseren Bewegungsspielraum auf unserem Ausflug verschaffen.

Der Zug brauste aus der sonnigen Stadt und den Vororten in die Berge, und da war es erstmal ziemlich neblig. Wir stiegen in Iyo-Ozu aus, dem neueren Stadtteil, und radelten über die grosse Brücke des Flusses Hijikawa in den älteren Stadtteil mit den Sehenswürdigkeiten.

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Durch den Nebel, der sich nach ca. einer guten Stunde auflöste, war es zunächst mal recht kalt, und Ozu mit seinem kleinen Schloss zeigte sich zunächst etwas trüb und auch – im wahrsten Sinne – verschlossen. Es waren wenig Menschen zu sehen, und die ursprünglich wohl lebhaften Strassen mit ihren alten Häusern und Läden, wirkten verlassene und leer. Viele der Häuser scheinen dem Verfall preisgegeben zu sein. Das ist in Japan – insbesondere auf dem Lande – ein generelles Problem.

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In Ozu gibt es – neben den alten Gebäuden – noch ein paar Sehenswürdigkeiten. Im Sommer ist die Hauptattraktion das Kormoranfischen. Boote und Kormorane hatten nun Ferien. Die Kormorane, die wir sahen, flogen zahlreich und frei herum.

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Hinter einem restaurierten Backsteingebäude (Ozu Akarenga Kan) entdeckten wir dann eine lustige Ansammlung von alten Gebäuden und Gegenständen (Werbeschilder, alte Autos, Verkaufsbuden) und es stellte sich als eine Art „Museum der 60er und 70er Jahre“ heraus mit Dingen aus dieser Zeit, die offenbar aus irgendwelchen Läden in Ozu konserviert worden sind.

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Pokopen Yokocho und Omoide Sōko. Eine komplette Coiffeureinrichtung, ein Spielzeugladen, eine Wohnungseinrichtung. Fast schon wie im Ehime-Museum, aber im Gegensatz zu den dortigen Exponaten schon mächtig angestaubt.  Und an diesem Tag und zu dieser Jahreszeit waren all die Buden natürlich geschlossen, es war kaum ein Mensch in den Strassen.

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Ein Muss für die Besichtigung ist die alte Villa – bzw. das Sommerhaus – am Fluss, Garyu Sanso, die sich ein reicher Wachshändler (Uchiko und Ozu waren Zentren der Wachs- bzw. Kerzenherstellung in Japan) an den Fluss gebaut hatte. Die beiden Gebäude sind nach dem Vorbild zweier Tempel in Kyoto errichtet worden, und in den Gebäuden gab es zahlreiche Details, die wir so nicht bemerkt hätten. Fotos durfte man allerdings keine machen, nur im Garten.

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Die nette Ticketverkäuferin war aber – nachdem wir etwas auf Japanisch geplaudert hatten – ganz eifrig, uns alles zu zeigen und zu erklären, und wir haben doch sehr viel verstanden. Auch der schmale Garten am Flussabhang ist ein Kleinod, mit wunderbaren Teppichen aus Moos, Steinlampen, einem kleinen Brunnen und einem Teehaus, alles liebevoll gepflegt.

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Nach einem kleinen Mittagessen (Udon-Nudeln) und vor der Schlossbesichtigung radelten wir noch kreuz und quer durch die Strassen an einigen schönen alten Gebäuden vorbei.

Ozu war zur Edo-Zeit eine grössere Provinz und Sitz eines lokalen Herrschers, eines Daimyo. Die grosse Anlage ist weitgehend zerstört worden, nur zwei Türme sind erhalten. Das eigentliche Gebäude wurde jedoch vor knapp 10 Jahren nach alter Technik wieder aufgebaut. Alles sieht noch recht neu aus und das Holz verströmt den feinen Duft japanischen Zedernholzes.

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Von der obersten Plattform hat man einen sehr schönen Blick auf das Flusstal.

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Im Innern werden die alten Techniken erklärt (u.a.  wieder die raffinierten Holz-Steckverbindungen) und eine hübsche Ausstellung mit originellen, individuell gestalteten Figürchen erläutern die Errichtung des Schlosses und die Lebenswelt Ende des 16. Jahrhunderts.

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Ursprünglich hatten wir geplant, am Vormittag Ozu, und am Nachmittag Uchiko anzuschauen. Nun war es doch recht viel später geworden, als wir wieder am Bahnhof ankamen. Gut, dass es bis Uchiko nur 10 Minuten sind. Denn in Uchiko wollten wir diesmal unbedingt das alte Kabuki-Theater sehen.

Bereits 2007 bei unserem ersten Besuch waren wir erst am späten Nachmittag dort angelangt, damals hatten wir keine Zeit mehr gehabt. Nun war es immerhin etwas früher, aber das hiess auch, dass wir es wieder nicht schaffen würden, alle Sehenswürdigkeiten Uchikos zu besuchen. Dazu gehört, nach dem sehr schönen alten Stadtbild mit traditionellen Häusern und Geschäften auch das Wachsmuseum. Nächste Reise. Uchikos deutsche Partnerstadt ist übrigens passenderweise Rothenburg ob der Tauber.

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Das Kabuki-Theater ist Ende des 19. Jahrhundert (also in der Meiji-Zeit) von der Stadt errichtet und vor einigen Jahren umfassend saniert worden. Das Theater ist nicht sehr gross, aber alles, auch die Technik, ist noch originalgetreu. Neben Kabuki-Stücken wird es auch für andere Aufführungen genutzt: Bunraku (japanisches Puppentheater), Filmvorführungen, Karaoke-Abende etc.

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Thomas und ich hätten ganz gerne eine Aufführung gesehen, aber von diesem Gedanken nahmen wir nun doch eher Abstand. Mit unserer Körpergrösse sind wir für das alte Theater nicht geschaffen. Schon beim Probesitzen mussten wir uns zwischen den Reihen extrem zusammenfalten. Und das dann über einige Stunden hinweg? Da freuen wir uns doch eher auf die bequemen Sessel in Kyoto…

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Es blieb noch eine gute Stunde, um mit dem Velo etwas durch die Altstadt zu streifen und ein paar Fotoeindrücke zu sammeln.

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In einem Geschäft mit einer ausgesprochen engagierten Verkäuferin kauften wir noch ein paar Gewürze (Sojasauce) ein, dann war es 17 Uhr – und alle Geschäfte schlossen wie auf Kommando. Es dämmerte ja schon, und es war kaum noch jemand unterwegs. Auch dieser freundliche Geselle, ein echter Shiba-Inu, schien Feierabend zu haben.

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Am Bahnhof mussten wir dann noch etwas Zeit vertrödeln, denn der nächste Zug ging erst eine Stunde später. Und während wir so wartetet, kam plötzlich die Verkäuferin aus dem Sojasaucen-Shop angeradelt: Sie hatte vergessen, eine der Saucen einzupacken! Und wir hatten es nicht einmal bemerkt. Da wir während des Einkaufs erzählt hatten, dass wir nach Matsuyama zurück mussten, war es nicht unschwer nachzuvollziehen, auf welchen Zug wir am Bahnhof warten würden. Alle freuten wir uns: Sie, dass sie uns das noch geben konnte, und wir uns über diesen aufmerksamen, netten Service.

 

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