Donnerstag (17.12.) ging es wieder weiter, und die nächste Station hiess Okayama. Damit hiess es auch Abschied nehmen von Shikoku und vom beschaulichen Landleben. Am Morgen, nach einem kurzen, kräftigen Schauer, gab es erst einmal einen riesigen Regenbogen zu bewundern. So gross, das er nicht mal auf ein Foto passte.
Wir waren zeitig am Bahnhof, um im direkten Zug von Nakamura nach Okayama die besten Plätze für unsere Birdies zu ergattern.
Tipp: Für grosses Gepäck hinten in den Wagons einsteigen. Dann kann man alles direkt hinter den ersten Sitzbänken deponieren. Gefahr droht nur, wenn der Zug die Richtung wechselt und die Sitze wieder in Fahrtrichtung umgedreht werden. Aber das ist selten der Fall. Unsere Velos passen in diesen Zwischenraum perfekt hinein, und es ist immer sehr beruhigend, sie dort verstaut zu wissen. Die dicken Koffer passen oben in die Gepäckablage, auch die sind gross genug. Und: Japanische Züge bieten auch erstaunlich viel Raum für unsere langen Körper. Wir haben da weniger Probleme als z.B. in den TGVs, die designmässig sehr hübsch daher kommen, aber was nützt der Chic, wenn man sich zusammenfalten muss?
Okayama erreichten wir dann am frühen Nachmittag nach einer Fahrt quer durch Shikoku und über die Seto-Ōhashi, der 1988 erbauten, ersten Brücken-Inselverbindung zwischen dem Festland Honshu. Mehr dazu folgt.
Unser Hotel in Okayama, das „Kōraku“, lag 10 Fussminuten vom Bahnhof und entpuppte sich als ausserordentlich gute, empfehlenswerte Wahl. Netterweise konnten wir sogar schon unser Zimmer beziehen, obwohl es für japanische Verhältnisse noch ziemlich früh war. Meist geht das erst ab 15:30/16:00 Uhr.
Nach dem Check-in gingen wir dann sofort wieder los: Dem berühmten Kōraku-en-Garten, der – neben dem Kairaku-en in Mito und dem Kenroku-en in Kanazawa zu den drei schönsten Gärten Japans gehört, mussten wir einen Besuch abstatten. Schliesslich hatten wir ja schon den Garten in Takamatsu geschwänzt.
Nach den milden Tagen am Pazifik empfanden wir die Temperaturen in Okayama als kalt, was insbesondere am kalten Wind lag, der fast sturmartig wehte. Und nicht mal ein heisses Bad am Abend in Aussicht! Das Wetter war zwar schön und klar, aber so war der Spaziergang im Garten nicht ganz gemütlich.
Das benachbarte Schloss wollten ebenfalls noch anschauen. Auch dieses war 1945 durch einen Bombenangriff zerstört worden. Von aussen sieht es recht original aus, aber es ist aus Beton, und im Inneren gibt es Ausstellungsräume, u.a. mit alten Gegenständen zur Geschichte und den ehemaligen Schlossherren, der Ikeda Familie, die mit der Meiji-Restauration ihre Herrschaft abgeben musste.
Kurz vor 17 Uhr, der Feierabendzeit für Sehenswürdigkeiten, war der Besichtigungstag dann zu Ende. In der nahegelegenen Okayama Symphony Hall, einem imposanten grossen Bau mit Konzertsaal, kauften wir günstige Tickets für ein Symphoniekonzert, das am nächsten Tag stattfinden sollte. Im Erdgeschoss gibt es eine grosse Maruzen Buchhandlung, in der wir ebenfalls noch etwas stöberten. Das Angebot an fremdsprachiger Literatur und Sprachlehrmitteln unterscheidet sich von Stadt zu Stadt etwas, und dass es in Okayama mehr ausländische Studierende und Bewohner gibt als z.B. in Matsuyama, bemerkten wir schon an der beachtlichen Auswahl von englischsprachigen und sogar französischen Büchern.
Bevor wir ins gemütliche Hotelzimmer zurückkehrten, bewunderten wir noch die Weihnachtsbeleuchtung am kleinen Kanal, der durch Okayama fliesst, und an dem unser Hotel lag. Die blauen Lichter sahen hübsch aus, und der kleine Kōban auf der Brücke sah mit den Lichtern fast wie ein kleines Schlösschen aus.
Auch wenn in Japan traditionell kein Weihnachten gefeiert wird, so hat man das Trara drumherum gerne adaptiert, ähnlich vielleicht wie in Deutschland oder der Schweiz das Halloween. Der Lichtersegen ist ja noch halbwegs zu ertragen, aber nach zwei bis drei Wochen haben wir gefühlte einhundertmal „Rudolph, the red nose reindeer“, „Jingle bells“ und andere berüchtigte Christmas songs in den Kaufhäusern und Geschäften gehört… Wir trösten uns damit, dass wir in Europa auch nicht verschont geblieben wären und freuen uns auf den 25. Dezember, wenn endlich wieder akkustische Normalität herrscht.