Nara Tempel-Tour – 奈良

Wie angekündigt ging es Mittwoch Richtung Nara, der alten Hauptstadt Japans von 710 bis 784. Die Stadt sowie die Umgebung sind zu Recht eine der touristischen Höhepunkte Japans. Auf unserer ersten Japan-Reise 2006 hatten wir der Stadt sowie unter anderem dem Tōdai-ji einen Besuch abgestattet. Nun standen drei Tempel ausserhalb der Stadt Nara auf dem Programm, die ebenfalls Unesco-Weltkulturerbe sind. Sie sind mit Zug und Bus zwar halbwegs zu erreichen, aber es ist nach der Stadt Nara noch ein zusätzlicher Tagesausflug. Die Strecken sind nicht zu unterschätzen.

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Die Bahngesellschaft Kintetsu brachte uns von Ōsaka-Uehonmachi nach Kōriyama, dort packten wir unsere Velos aus und radelten mit einer ungefähren Richtungsvorstellung zum Hōryū-ji-Tempel los. Es ist der älteste Tempel Japans, mit den ältesten noch erhaltenen Holzgebäuden der Welt. Der Tag war bewölkt, eigentlich ein Glück, denn wir wollten ja doch einige Kilometer radeln. Zum Hōryū-ji waren es schätzungsweise 10-12 Kilometer. Und von der Sonntags-Velotour bei 36°C war ich noch etwas traumatisiert …

Während wir aus Yamatokōriyama hinausfuhren, wunderten wir uns etwas über die vielen Teiche, die es dort gab. Ziemlich viele, kleine und grosse. Zuerst vermuteten wir, dass diese zum Anbau der Lotos-Wurzel wären. Nein, ganz falsch. Wozu haben wir denn Japanisch gelernt, denn wir erspähten des Rätsels Lösung an einem der nächsten Teiche, an denen ein grosses Plakat hing: ‚金魚 = kingyo‘, hier war ein Zentrum der Zucht von Goldfischen!
Im trüben, braunen Wasser waren diese aber kaum zu sehen, nur einige orange Tupfen konnte man erkennen. Daher gibt es auch kein Foto, leider … Goldfische klingen für mich etwas langweilig und verstaubt. Doch das Internet (via Youtube) offenbart, dass diese auch sehr niedlich sein können. Als ‚Mini-Koi‘ werden sie für uns schon interessanter. Aber sie hätten wohl keine Überlebenschance in unserem Gartenteich.

Was uns ebenfalls auffiel waren die vielen Feigenbäume, und an einem kleinen Verkaufsstand kurz vor dem Hōryū-ji mussten wir natürlich anhalten und eine Schale kaufen. Es sollte unser köstliches Mittagessen sein.

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Vorbei an Dörfern, Reisfeldern, Gemüsegärten und immer der vielbefahrenen Strasse entlang stiessen wir tatsächlich die letzten Kilometer auf einen ausgeschilderten Veloweg zum Hōryū-ji (法隆寺), den wir kurz danach erreichten.

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Der gesamte Tempelkomplex des Hōryū-ji ist ziemlich gross, und schon auf dem Weg zum Eingang war klar, das wir nicht die einzigen Besucher sein würden. Der Andrang ausländischer Touristen war überschaubar. Doch der Ansturm japanische Schulklassen war immens. Das kannten wir bereits von Nikko und Kamakura.

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Wo ein UNESCO-Kulturerbe, da mindestens eine Schulklassen pro Quadratmeter. Es ist ziemlich lustig, die 14-17jährigen zu beobachten, wie sie teils gottergeben, teils interessierter, oft aber ziemlich gelangweilt den Ausführung der Reiseführerin oder der LehrerInnen lauschen. Auch die Aufstellung zum obligatorischen Klassenfoto verläuft nicht immer ganz geordnet.
Doch japanische Schulklassen wissen sich zu benehmen, und laut ist es eigentlich kaum. Daher herrschte an diesem Mittwoch morgen eine ganz entspannte, ruhige Atmosphäre. Wir sind sicher, es kann auch anders sein.

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Mancher Schüler traute sich mit einem ‚haro'(=hallo) uns anzusprechen. Inzwischen mache ich mir einen Spass daraus – insbesondere wenn ich das Gefühl habe, das „Hallo“ ist etwas herausfordernd-frech gemeint – auf japanisch zurückzufragen: ‚Eigo o hanashimasuka‘ – Sprichst Du Englisch?? Worauf dann meist nicht mehr viel kommt. 😉

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Die Sehenswürdigkeiten des Tempels bestehen aus einigen grossen Hallen, der mehrstöckigen Pagode sowie dem achteckigen Pavillon, alle mit diversen Statuen. Und Museumsgebäuden mit den wirklich sehr alten Statuen und Gegenständen.
Die meisten Gebäude sind aus dem 7. Jahrhundert, was wir fast nicht glauben können, denn dass Holz sieht noch recht gut erhalten aus. Vielleicht sind Teile davon auch nicht mehr so alt, sondern ersetzt (wie beim Freiburger Münster)? Es wäre interessant, mehr darüber zu erfahren.

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Beim Kauf des – für japanische Verhältnisse relativ teuren Eintritts (YEN 1000) – hatten wir auch ein Infoblatt auf deutsch erhalten. Es war gelb, und so konnte jeder der freundlichen Aufsichtsherren geich erkennen: Da kommen Doitsu-jin. Worauf wir mit einem strammen „Guten Tag“ begrüsst wurden. Die Herren hatten mächtig Spass dabei, um so mehr, als wir uns auf Deutsch bedankten und in unserem allerbesten Japanisch fragten, ob sie denn Deutsch sprächen. Nein, das nun nicht, aber sie hatten tatsächlich einige wichtige Anweisungen auf Deutsch gelernt: „Gehen Sie die Treppe hinauf und rechts wieder herunter“. Alles klar.

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Um 12 Uhr wurde dann auch die Tempelglocke geschlagen, ein langwieriger Prozess. Die alten Glocke hatte einen wunderbar langen Nachklang, sicher gut eine Minute, und so dauerte es etwa eine Viertelstunde, bis der Glöckner fertig war. Und damit er sich ja nicht verzählt hatte er 12 Steinchen hinter sich liegen. Nach jedem Schlag schob er ein weiteres Steinchen auf die Seite. Sicher ist sicher.

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Nach dem Genuss unserer supersüssen Feigen schwangen wir uns wieder auf unsere Birdys und radelten gen Nordwesten. Der Veloweg, den wir ‚entdeckt‘ hatten, entpuppte sich als die ‚Nara Cycling Route‘. Welch ein gut gehütetes Geheimnis! Da radelten wir also eine Weile entlang bis wir an einer Kreuzung nicht aufpassten und den Veloweg wieder verloren. Mist.

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Richtungsmässig war es klar, wo wir hinmussten, aber ohne Karte und genaue Wegvorstellung?? Ich wäre eher zurückgeradelt, Thom nicht. Kurzer Beziehungstest inmitten von Reisfeldern.
Thom gewann (bzw. Sylvi gab nach?). Nun gut, diesmal hatte er Recht. Nach ca. 20 Minuten weiteren Weges standen wir vor dem anvisierten Tempel. 1:0 für Thom … 😉

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Der Yakushi-ji-Tempel (薬師寺) hat uns dann allerdings etwas enttäuscht. Es ist ebenfalls eine sehr alte Tempelanlage, sogar mit zwei Pagoden. Allerdings stammt nur noch eine davon wirklich aus dem 7./8. Jahrhundert. Die restlichen Gebäude sind teilweise erst in den letzten Jahrzehnten wieder aufgebaut worden, eines wurde erst 2003 fertig gestellt.

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Alles wirkte zu neu, zu glatt, zu schön, und war etwas zu professionell organsiert. Einige Mönche gaben wahre ‚Shows‘ für die zahlreichen touristischen Gruppen. Eigentlich ja sehr gut und professionell gemacht, aber in diesem Moment waren wir dafür nicht in rechter Stimmung.

Nun ja, möglicherweise waren wir einfach nur kurz tempelmüde. Es war bereits 15 Uhr, es wurde langsam immer bewölkter, und wir mussten ja noch das dritte Unesco-Weltkulturerbe besuchen. Der nächste Tempel, der Tōshōdai-ji (唐招提寺), lag nur 500 m entfernt.
Dieses ruhige, sehr bewaldete Gelände mit sehr alten Holzbauten, ähnlich dem Hōryū-ji gefiel uns wieder gut. So war es noch ein hübscher, friedlicher Abschluss.

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Fast pünktlich zur Tempelschliesszeit um 16.30 Uhr waren wir dann fertig, im wahrsten Sinne des Wortes. Der Kintetsu-Bahnhof Nishinokyō lag nah, der Zug kam bald, und als wir drin sassen, fing es an zu regnen. Perfektes Timing! Und zur Belohnung des langen Tages gingen wir am Abend endlich in ein richtiges Ōsaka-Dreh-Sushi-Restaurant, wo wir aber wieder mal viel zuviele Sushi assen. Hinweis: Mehr als drei Tempel pro Tag und zu viele Sushi können aufs Wohlbefinden schlagen … 😉

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