Thom, der „Details vor Ort“-Planer der Reise, hatte vorgeschlagen, früh von Kobe abzufahren und lieber die Zeit mehr für Japans viertgrösste Stadt zu nutzen: Nagoya.
Mit dem Shinkansen sind die 223 km natürlich ein Katzensprung, der schafft das in einer Stunde. Da lohnte es sich nicht einmal, das Laptop herauszukramen.
Unser Business-Hotel, diesmal von der APA-Kette, lag nicht allzu weit vom Hauptbahnhof entfernt, wir liefen mit Koffer und Velo und checkten erstmal ein.
Alles kein Problem um 11.30 Uhr, aber was den Bezug des Zimmers angeht, da sind die japanischen Hotels absolut eisern: Vor der offziellen Check inn-Zeit (zwischen 15 und 16 Uhr) ist nichts zu machen. Aber immerhin ist man den Koffer-Ballast los, dieser wird selbstverständlich aufbewahrt.
Dann radelten wir umgehend zum Aichi Prefectural Museum of Arts, das in einem ziemlichen Klotz von 12-stöckigem Hochhaus, dem Aichi Kulturzentrum, untergebracht ist.
Es ist relativ merkwürdig, in Ausstellungsräumen herumzulaufen und sich bewusst zu machen, dass man sich zehn Stockwerke über dem Erdboden befindet. Die Räume sind, wie bei vielen Museumsbauten, die wir kennengelernt haben, grosszügig und funktional (ausser einige Bauten der Stararchitekten …). Eine aktuelle Ausstellung präsentierte zeitgenössische chinesische Kunst mit interessanten Exponaten (Malerei, Videokunst), etwas, was man in Europa eher selten zu sehen bekommt.
Nach Starbucks-Koffeinzufuhr ging es weiter zu Noritake, einer Stiftung mit Porzellanmuseum und grossem Park, unweit von Nagoya Station. Dies war eher eine Überraschung für uns, denn wir waren auf einen japanischen Garten und ein klassisches Porzellanmuseum eingestellt.
Der Park entpuppte sich aber eher als wohlgestaltete Rasenfläche mit ein paar Überresten der historischen Firmengebäude. Auf jeden Fall waren die riesigen Koi-nobori sehr nett, und die Kinder freuten sich sehr darüber.
Ein Museum des Komplexes war zwar ein Porzellanmuseum, doch man konnte (endlich!!) bei der Produktion handbemalten Porzellans zusehen, und viele Videofilmchen (auch auf Englisch) erläuterten den Prozess. Das von Noritake seit Ende des 19. Jahrhunderts hergestellte Porzellan hat jedoch nichts mit den alten Porzellanherstellern wie in Narita zu tun. Der Gründer der Firma hatte nur eines im Sinn: den Export japanischer Porzellanwaren nach Europa und in die USA. Die Vasen und Services wurden fast ausschliesslich nach westlichem Geschmack gestaltet, mit ausgesprochen edlen Designs und sehr kostbar. Thom und ich mutmassten, dass sie vor allem bei den Fürstenhöfen und steinreichen Amerikanern gefragt waren. Uns haben die Sachen überhaupt nicht gefallen, wir fanden sie viel zu oppulent.
Was wir nicht erwartet hatten war der moderne Museumsteil. Noritake stellt zwar immer noch – inzwischen auch bezahlbares – Porzellan her, vergleichbar vielleicht mit Villeroy & Boch. Inzwischen sind sie ein industrielles Grossunternehmen für Keramikprodukte aller Art, und wie wichtig dieser Stoff in der Medizin und in der Industrie (Autoproduktion, Raumfahrt, Sanitärproduktion, Energieversorgung) ist, untermalte das Museum sehr informativ.
Wie fast üblich wurden wir um 17.30 Uhr mit der Schliessung zur Türe hinausgefegt, das Tourismusprogramm war somit für diesen Tag wieder abgeschlossen. Der Himmel sah ziemlich düster aus und wir radelten rasch zum Hotel zurück, wo wir nun unser Zimmer beziehen konnten. Dieses war eher wieder von der ökonomischen Sorte, ca. 9 Quadrameter inkl. Mobiliar und Badezimmer, aber alles sehr angenehm neu und schön gestaltet. Der Grund, warum ich aber ausgerechnet dieses Hotel ausgewählt hatte: Es gab auf dem Dach des Gebäudes ein kleines Hot Spring-Bad, und das mitten in der Stadt!
Das erleichterte übrigens auch die morgendliche Badezimmernutzung, ich ging diese letzten Tage dann nämlich morgens der Einfachheit halber ins Damenbad.
Mangels Damen unter den vielen Business-Men konnte ich das schöne Bad meist ganz alleine geniessen und hemmungslos herumplantschen. Sofern man in über 42°C warmen Wasser noch Lust dazu hat …
Der absolute Clou ist aber das Aussenbecken, der Rotemburo auf dem Dach des Gebäudes. Dort liegt man dann nachts, sanft erleuchtet, im heissen Thermalwasser und kann 14. Stockwerke tiefer dem Verkehrslärm lauschen. Geniales Japan-Feeling!