Heute waren gleich zwei Museumsbesuche angesagt, und so düsten wir gegen 9 Uhr früh erneut mit der Fähre von Shimonoseki nach Mojikō. Nur wenige Fahrgäste gab es zu dieser Tageszeit, und einer der Angestellten des Schiffs, ein älterer Herr, nutzte die Gelegenheit zu fragen, woher wir denn kämen. Bei «Suisu» bekam er glitzernde Augen, und es stellte sich heraus, dass er als begeisterter Skifahrer schon einige mal in der Schweiz war, um seinem Hobby zu nachzugehen. Lange sprechen konnten wir aber leider nicht miteinander, denn schliesslich war er bei der Arbeit. Und wir mussten bei der flotten Fahrt über die Kammon-Strasse auch unsere Velos gut festhalten.
Drüben angekommen schauten wir zuerst einige der alten Meiji-Häuser an. Sie sind teilweise noch original, bzw. sehr gut in Stand gesetzt. In ein paar kann man hineinschauen, aber in den ein, zwei, die wir besuchten, fanden wir das Innenleben nicht so spannend.
Um 10 Uhr hatten wir sowieso eine Verabredung mit dem Idemitsu Museum of Art (Moji) gleich in der Nähe.
Das Museum ist ein Ableger des Idemitsu Museum of Art in Tōkyō, das von dem Öl-Unternehmer Idemitsu Sazō gegründet worden ist. Ausgestellt sind die von Idemitsu Sazō gesammelten Schätze, und in Mojikō widmet man sich dabei der kunsthandwerklichen Kollektion bzw. der Keramik. Die momentane Ausstellung zeigte kostbare Stücke von altem «Karatsu-Porzellan». Prima, Karatsu lag ja eh noch auf unserer Reiseroute, und so würden wir schon mal einen kleinen Überblick bekommen.
Im Erdgeschoss erfährt man zuerst mal sehr ausführlich und multimedial etwas über den Unternehmer Idemitsu Sazō (1885-1981). Inwieweit er tatsächlich so philantrophisch war, wie dargestellt, konnten wir nicht so recht beurteilen. Wikipedia ist da etwas kritischer… Immerhin hatte der Unternehmer aber einen erlesenen Kunstgeschmack, denn die im 1. und 2. OG ausgestellten Keramikstücke waren ausnehmend schön – das sahen sogar unsere ungeübten Laienaugen. Wir lernten schon mal, dass es verschiedene Karatsu-Stile gibt, die sich durch die Farbgebung, Glasur und sowie in den Motiven unterscheiden. Besonders gut gefiel uns der Chōsen-Stil, der sich durch eine weiss-schwarze Glasur auszeichnet (hier ein Beispiel aus dem Internet).
Und wie wir dann später erfahren würden, steigt der Preis bei besonders kunstvollen Glasurverläufen gewaltig. Der Preis für die oben gezeigte Teeschale (für die Teezeremonie) liegt bei etwa CHF 1500… Also nicht gerade Keramik für den täglichen Gebrauch und den Geschirrspüler. 😉
Draussen boten noch einige herbstliche Kirschblätter ein schönes Motiv.
Unser nächstes Museum lag dann in Kokura, dem Zentrum des Kitakyūshū-Gebiets, etwa 15 Minuten Zugfahrt von Mojiko entfernt. Leider steckt der sehenswerte, historische Bahnhof von Mojikō gerade hinter einem gigantischen Bauzaun, er wird bis 2019 restauriert. Am Bahnhof selbst standen viele Leute vor der «Kaisatsuguchi», der Bahnhofssperre, und nichts tat sich.
Auf Nachfrage erklärte uns ein älterer Herr, dass es wohl am frühen Morgen ein Personenunfall gegeben hatte. Man hoffte, dass die Züge bald wieder fahren würden, aber niemand wusste genau, wann dies sein würde. Es hiess also erstmal warten, denn eine Alternative zur Bahn gab es nicht. Aber glücklicherweise wurde die Strecke 30 Minuten später dann freigegeben und wir konnten nach Kokura fahren.
Bereits am Bahnhof war zu sehen, dass Kokura das Zentrum Kitakyūshūs ist. Auch Shimonoseki nimmt sich da eher dörflich aus. Nach fast 2 Wochen Landleben war es fast ungewohnt, mal wieder in einer richtig grossen Stadt zu sein! Nach einem kurzen Besuch des Tourismusbüros im Bahnhof und der Versorgung mit Infomaterial radelten wir im dichten Verkehr in Richtung Toto-Museum.
Dass Kitakyushu vor allem eine Industriestadt ist, merkt man auch am vielen Schwerverkehr, und es war keine Frage, dass wir da zur Sicherheit lieber am Fluss bzw. auf dem Gehweg entlang fuhren, was in Japan zwar auch nicht grade erlaubt, aber wohl geduldet ist. Vor allem von den Autofahrern… Wir haben in Kokura aber auch einzelne Velowege gesichtet.
Mit Keramik hatte unser zweiter Tagesordnungspunkt ebenfalls zu tun, allerdings in etwas anderer Form. Die Firma Toto ist Japans führender Toiletten und Sanitärausstattungshersteller, und wie bereits erwähnt (s. Blogbeitrag vom 18.11. ) begegnet man dem Label bzw. den Produkten überall im Land. Wer auf Design und Qualität setzt, hat ein Toto-WC.
Das Kitakyūshū Toto-Museum mit seiner aussergewöhnlichen Architektur befindet sich am Rande des Produktionsgeländes der Firma. Es ist 2015 eröffnet worden und damit rechtzeitig zum 100jährigen Jubiläum der Firma in diesem Jahr.
In dieser Design-Umgebung beschäftigten wir uns also ausführlich mit der Entwicklung und Geschichte der japanischen Toilette, die in den schönen, modernen Ausstellungsräumen mittels App ausführlich in viele Sprachen übersetzt wird. Sogar behindertengerecht mit Vorlesen. Wow, da haben sie sich wirklich mächtig angestrengt.
https://act.qrtranslator.com/0016000001/000101
Alles so spannend und lehrreich, dass wir da fast drei Stunden mit wirklich praktischer Industriegeschichte verbrachten. Und ja, wir gestehen, dass das neue Neorest-Washlet unser heimlicher Wunsch wäre… 🙂
Auch technisch wurden die einzelnen Toto-Entwicklungen und Innovationen erklärt, aber da war Fotografieren natürlich streng verboten. Überaus angenehm ist es auch, in einer solchen Institution die Besuchertoilette zu benutzen. Das Neorest kann da in aller Ausführlichkeit getestet werden (komischerweise aber nicht im EG, also besser ins 1. OG gehen).
Als wir dann endlich (gegen 16:15 Uhr Ortszeit) aus dem Museum herauskamen, war die Sonne schon recht gesunken. Der Sicherheitsmann hatte unsere Velos gut gehütet (es hat tatsächlich einen Veloparkplatz) und verbeugte sich, als wir wieder davonradelten.
Ohne Experimente radelten wir dieselbe Strecke wie am Mittag zurück zum Bahnhof und nahmen dann den nächsten Zug zurück bis nach Shimonoseki. Das ist ohne Umstieg nicht nur einfacher, sondern auch viel billiger als mit der Fähre.
Wir ahnten schon, dass uns zu wenig Zeit bleiben würde, um die Metropole Kitakyūshū etwas ausführlicher kennenzulernen. Schade, aber so haben wir sicher einen Grund, mal wieder zu kommen.