Zum Abschluss unseres Aufenthalts noch ein paar Matsuyama-Ansichten. Uns gefällt es hier ausgesprochen gut und wir fühlen uns sehr wohl hier. Wobei uns die Stadt nicht unbedingt als etwas besonderes vorkommt. Mit über 520.000 Einwohnern ist es für europäische Verhältnisse ja schon eine Grossstadt, es geht hier aber relativ gemülich zu, denn für japanische Verhältnisse ist die Stadt ja nicht so gross (nur Platz 26 in der Rangliste japanischer Städte). So gibt es hier nicht einmal eine Filiale der Elektronikriesen Yodobashi oder BigCamera.
Und mehr als zwei grosse Kaufhäuser gibt es auch nicht. Mitsukoshi und Takashimaya sind vertreten, letzteres besitzt das Riesenrad auf dem Dach des Gebäudes.
Hier noch ein Tipp: Eine Fahrt mit diesen überall in Japan anzutreffenden Kaufhaus-Riesenrädern lohnt sich. Anfangs waren wir nicht so überzeugt, aber bei gutem Wetter hat man wirklich eine tollen Ausblick.
Matsuyama liegt in einer grossen Ebene, nur durchsetzt von ein Paar kleineren Hügeln und umrundet von Bergen und dem Meer.
Die wichtigsten touristischen Sehenswürdigkeiten sind das Schloss Matsuyama-joo, das berühmte Thermalbad (Onsen) Dogo und – eher für Japaner – das Saka-no-ue-no-kumo-Museum, ein Bau des japanischen Architekten Tadao Ando. Mehr steht in den internationalen Reiseführern auch nicht drin. Das Museum war zum Beispiel neu für uns.
‚Saka-no-ue-no-kumo‘ ist ein historischer Roman des bekannten japanischen Autors Ryotaro Shiba, dessen Handlung in Matsuyama spielt. Er schildert das Leben dreier bekannter Männer während der Meiji-Zeit (1868-1912), einer der wichtigsten Phasen der japanischen Geschichte. Nachdem sich Japan jahrhundertelang dem Westen verschlossen hatte (Edo-Zeit, 1603-1868), war es in den Jahrzehnten nach der Öffnung bemüht, den Anschluss an den Westen zu schaffen und sich zu einem modernen Staat zu entwickeln. Die Reformen betrafen praktisch alles: Medizin, Technik, Politik, Recht, Adminsitration, Verkehr. Und zwei der Protagonisten des Romans, die Akiyama-Brüder, die bei der Reform des Militärwesens entscheidend waren, stammen aus Matsuyama. Da wir erst jetzt gemerkt haben, wie wichtig dies für Matsuyamas Geschichte ist, hoffen wir, dass wir kurz vor Schluss noch einen Besuch im Museum schaffen werden.
Das Highlight und die meistbesuchte Sehenswürdigkeit ist natürlich das Schloss.
Original erhalten ist es nicht. Wie so viele Gebäude in Japan wurde es mehrfach durch Brände (Kriege und Erdbeben) zerstört, zuletzt im 2. Weltkrieg. In Matsuyama wurde das Schloss aber immerhin in den 50er Jahren originalgetreu und nach alter Bautechnik restauriert, auch im Inneren des Gebäudes. In Osaka und auch vielen anderen Städten ist das schöne Äussere nur Fassade. Innen steckt ein Betonkern mit Aufzug, Museum und touristischer Infrastruktur. Das berühmteste japanische Schloss ist Himeji-joo, das auch UNESCO-Weltkulturerbe ist. Das ist eines der wenigen Schlösser, das noch wirklich original erhalten ist.
Hier nochmals Matsuyama-joo mit Kirschblüte und zwei Touristen.
Über das alte Badehaus in Dogo habe ich ja schon geschrieben (Eintrag vom 20.3.09). Nochmals ein anderes Foto:
Auch sehr nett: Zwischen dem Bahnhof Matsuyama und dem Thermalbad Dogo tuckern im Normalbetrieb zwei historische Dampflocks, ‚Botchan‘ genannt. Mir gefällt, dass sie nicht nur zu bestimmten Zeiten fahren, sondern regulär als Strassenbahnen eingesetzt werden. Wahrscheinlich laufen sie nur deshalb noch so gut, weil sie nicht vor sich hinrosten müssen.
Wie jede andere Stadt in Japan hat Matsuyama eine lange, überdachte Einkaufspassage. Hier heisst sie Okaido. Überdacht sind sie wohl deshalb, dass man bei den frühsommerlichen sintflutartigen Regenfällen immer noch unbeschwert shoppen kann.
Hier der Eingang mit dem gekreuzten Zebrastreifen. Sehr praktisch und sehr lustig, besonders beim Radfahren.
Und das war es auch schon. Ein Besuch im Präfektursmuseum ist nicht wirklich überzeugend. Die lokale Bibliothekswelt haben wir ehrlich gesagt noch nicht erkundet. Und vieles andere, möglicherweise Interessante, erschliesst sich einem halt ohne sehr gute Japanisch- und Kanjikenntnisse nicht.
Die süsse Spezialität von Matsuyama ist das hier: Das Bohnenküchle in Wellenform. Diesmal ein echtes.
Der Vorteil an einer überschaubaren Stadt wie Matsuyama ist, dass man sich recht bald auskennt und mit allem vertraut wird. Ausserdem liegen die Lebenshaltungskosten etwas unter dem japanischen Durchschnitt und alle betonen, dass der Fisch natürlich viiiel frischer sei als in den grossen Städten.
Wir erleben die Stadt und ihre Bewohner als sehr freundlich. Spätestens beim zweiten Besuch des Starbucks oder im Restaurant wird man schon wiedererkannt und erfreut begrüsst, beim dritten mal gehört man schon dazu.
Natürlich fallen wir mitteleuropäische Riesen mit den Zwergenvelos auf, aber es ist doch nett, wenn einem selbst der Aufpasser an der Baugrube beim Durchwinken freundlich grüsst.
Nein, ich werde nicht vom lokalen Touristenbüro gesponsert… 😉 Wir sind jedenfalls schon gespannt, wie wir Fukuoka/Hakata innerhalb einer Woche erleben werden.