Kusatsu Onsen

Ich überspringe jetzt eine ganze Woche Tokyo-Aufenthalt, um bei den Blogeinträgen etwas aufzuholen.

Am Sonntag, den 22.3. verabschiedeten wir uns von unserem Appartement, von Akasaka, dem lokalen Starbucks und Tokyo und bestiegen am Bahnhof Ueno den JR-Expresszug „Kusatsu Onsen Limited Express“, der Badebegeisterte ohne Umstiege und in 2h zu einem Bahnhof mit höchst komplizierten Namen bringt: Naganoharakusatsuguchi (jap.: 長野原草津口). Dort steigt man in einen der wartenden Busse, die die Zugreisenden mitsamt Gepäck empfangen. Die meisten reisen natürlich mit kleinen Köfferchen oder Taschen, denn zu einer Übernachtung in einem japanischen Badeort braucht es eigentlich nicht viel. Wir mit unserem Schwergepäck waren mal wieder die Ausnahme, aber es gab Platz genug.

Tatsächlich muss man bei solch einem Kurzaufenthalt je nach Hotelqualität bis auf frische Unterwäsche eigentlich gar nichts mitnehmen, denn es ist alles da. Der Yukata, die Einmal-Zahnbürste, Schläppchen und Kosmetikartikel, Kämme und Rasierzeug etc.. Zudem ist eine (1) Übernachtung der Normalfall bzw. das Höchste der Gefühle. Wir blieben drei Nächte. Das fällt dann schon aus dem Rahmen, und auch die Küche muss sich da noch zwei weitere Varianten fürs Frühstück einfallen lassen. 😉

Kusatsu Onsen in der Präfektur Gunma liegt auf knapp 1200 Metern beim Vulkan Shirane, und ist einer der ältesten und beliebtesten Badeorte Japans. Mit über 1 Million Besuchern gilt es auch als der meistbesuchte Onsenort Japans. Grundsätzlich klingt das erstmal abschreckend, aber Thom hatte vor Jahren ein interessantes Buch über den Ort gelesen und so wollten wir diesen Rummel durchaus bewusst kennenlernen. Aufgrund des Coronaeffekts haben sich die Übernachtungszahlen zwar ziemlich reduziert. Die Besuche der chinesischen und koreanischen Gäste fallen seit Wochen ganz weg. Dafür waren erstaunlich viele junge Japanerinnen und Japaner (Studierende) unterwegs. Wir vermuteten Sonderangebote der günstigeren Hotels, um die Zahlen wieder auszugleichen.

Der Zug hatte Tokyo bei strahlendem Frühlingswetter verlassen. Je näher wir nun an die Berge herankamen, verdüsterte sich der Himmel, und bei Ankunft gab es erstmal Regenwetter. Das Schlechtwetter vom asiatischen Festland bzw. der Japan-See bleibt in der Regel an den japanischen Alpen kleben, und was nicht schon an der Westseite heruntergekommen ist, erleichtert sich dann eben noch auf der anderen Seite. Der Spaziergang zum Hotel mit all unserem Gepäck war somit nicht sehr attraktiv. Für den netten Aufpasser am Busterminal war es natürlich auch keine Frage: Hotel Boun? Viel Gepäck? Ein kurzer Anruf von ihm, und keine 10 Minuten später luden wir alles in den Hotelbus, der uns bergauf, bergab zu diesem sehr schönen Ryokanhotel Boun brachte. Kusatsu ist übrigens ziemlich hügelig…

Nach dem Check-in in unserem schönen Hotelryokan machten wir uns nach einer Begrüssungs-Tee-Pause – mit Hotelschirmen bewaffnet – auf eine kleine Ortsbesichtigungstour. Das Wetter spielte den April und wechselte alle 10 Minuten zwischen Sonnenschein und Regengüssen. Durchaus unterhaltsam, aber fototechnisch sehr unpraktisch.

Die Hauptsehenswürdigkeit von Kusatsu ist das „Yubatake“, was übersetzt in etwa der „Heisswasserfeld“ bedeutet. Die Thermalquellen sind unbeschreiblich heiss und sprudeln mit einer Temperatur von 50-95°C (je nach Quelle) aus dem Boden. Daher müssen sie zur optimalen Badetemperatur von 42°C gekühlt werden, was über die langen Holzkonstruktionen in der Ortsmitte anschaulich dargestellt ist. Alternativ wurde das Wasser mit langen Holzpaddeln gerührt und gekühlt. Diese Technik wurde von Singen und Tanzen begleitet und kann heute als kleine Show im neugebauten „Netsu noh Yu“ in der Ortsmitte erlebt werden.

Die Zusammensetzung des Wassers sowie seine Heileffekte sind legendär und wurden vom deutschen Arzt Erwin Bälz nach 1870 untersucht und beschrieben. Das Wasser ist schwefelhaltig (es riecht überall nach Eiern…) und stark sauer, also zwischen 1,5 – 2 pH! Die Heilwirkung ist so ziemlich gegen oder für alles. Auch bakteriozide Eigenschafen werden ihm nachgesagt. Unsere Behauptung wäre, dass das sicher auch ziemlich virenfeindliches Territorium ist. 😉 Gemäss lokaler Tourismuswerbung hilft es gegen alles, ausser Liebeskummer.

Wir knipsten das Yubatake von allen Seiten und stapften dann zum kleinen Tempel hoch. Das kleine Bauwerk daneben mit einem riesigen Schilfdach war speziell. Und Thom nutzte natürlich mal wieder die Gelegenheit, um sich (gegen 100 Yen) an der Tempelglocke zu vergreifen.

Wie in einem Badeort ganz normal kamen uns immer wieder Leute in Yukatas plus dem Tanzen, dem wärmenden Mantel, sowie barfuss in Schläppchen entgegen. Bei Temperaturen von ca. 14°C eine tapfere Leistung.

In Kusatsu gibt es drei grosse öffentliche Bäder mit sehr unterschiedlichem Charakter, in die man unbedingt hineinsteigen sollte: Das Ohtaki-no-yu, das auch als normales Badehaus (Sento) für die Leute aus Kusatsu und der Umgebung dient, das Sai no Kawara mit je einem grossem, schönen Rotemburo (= Aussenbecken) für Damen und Herren, sowie das neuere Gozanoyu in einem schönen, neuen Holzgebäude im Ortszentrum.

Im Ort selbst kann man noch zahlreiche weitere, kleinere Badehäuser besuchen, und die sogar gratis sind. Die beliebten Fussbäder (ashi no yu) gibt es sowieso an jeder Ecke. Einfach Schuhe und Strümpfe aus, Hosen hochgekrempelt und die Füsse reintauchen.

Unser Hotel Boun hatte allerdings gleich drei eigene Bäder für seine Gäste, und alle mit Rotemburo, einem Aussenbecken, die wir natürlich ausgiebig nutzten.

Bald wurde es schon wieder dunkel und wir mussten uns etwas zum Essen suchen. Regulär wählt man mit einer Übernachtung Halbpension. Das Menü in Kusatsu ist jedoch ziemlich fleischlastig – schliesslich ist man vom Meer ein gutes Stück entfernt.  Als 80%-Veggies mussten wir deshalb auf Halbpension und das Abendessen im Hotel verzichten. Im Ort selbst gibt es jedoch viele Verpflegungsmöglichkeiten, und so gab es mal wieder Soba-Nudeln (Buchweizennudeln mit Begleitung), was ebenfalls eine Spezialität der Gegend ist und mengenmässig auch absolut ausreicht.

Und nach dem Essen sowie der vorgeschriebenen Verdauungspause hüpften wir erstmalig in die grosszügigen Hotelquellen. Damit Männer und Frauen die drei etwas unterschiedlich gestalteten Bäder geniessen können, werden sie jeweils morgens und nachmittags gewechselt. Überhaupt ist das 400jährige Ryokanhotel ausgesprochen edel – natürlich auch im Preis. Aber einmal pro Japanreise darf das schon mal sein.

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