Trüber Tag mit Kitakyūshū-Kultur (北九州市)

Kokura stand auch am heutigen Tag wieder auf dem Programm, allerdings war uns das Wetter nun weniger gewogen. Mit dem Regen war es zwar nicht kalt, aber feucht und unpraktisch. Mal sehen, wie sich das noch entwickeln würde.

Erstmal gab es bei Starbucks Shimonoseki-Bahnhof die übliche Ration Kaffee, bevor wir den Zug nach Kokura bestiegen.

In Kokura gab es dann gleich Anschluss in Richtung Edamitsu. Unser Ziel war heute ein weiterer Punkt des UNESCO-Weltkulturerbes bzw. der japanischen Meiji-Industrialisierung, die Yawata Imperial Steel Works. Die ehemaligen Stätten können jedoch mehrheitlich nicht besichtigt werden. Der ehemalige Hochofen «Higashida 1», der älteste Japans, ist aber restauriert und frei zugänglich.

Am Bahnhof «Space World» steigt man aus dem Zug. Eine merkwürdige Gegend. Gleich am Bahnhof ist der grosse Vergnügungspark mit mehreren gefährlich aussehenden Achterbahnen, der der Bahnstation ihren Namen gegeben hat. Auch das Kitakyūshū Museum of Natural History and Human History  sowie das Kitakyūshū Innovation Gallery and Studio  liegen nahe. Unter letzterem konnten wir uns erst einmal nicht viel vorstellen. Sehr grotesk windet sich eine Hochautobahn sowie die Eisenbahnlinie um alles herum. Und zusätzlich gibt es auch noch ein grosses AEON-Einkaufszentrum. Eine sehr spezielle Mischung.

Da es grade wieder anfing zu regnen, radelten wir nach Auspacken der Velos sicherheitshalber schnell wieder ins Trockene und zu besagter Innovationsgallerie.

In den Ausstellungsräumen gibt es einen Teil zum Yawata Unesco Weltkulturerbe, und die Empfangsdamen boten uns gleich an, den dort laufenden Dokumentationsfilm auf Englisch umzustellen. Das war schon mal eine prima Einführung in die Geschichte der Yawata Steel Works, auf die man aus dem gläsernen Gebäude direkt blicken kann. Schade, dass der informative Film nicht via Internet zugänglich ist.

Interessant war, dass der Hochofen auf deutscher Technologie aus dem Ruhrgebiet beruht. Ingenieure der ehemaligen «Gutehoffnungshütte» Oberhausen kamen zu Beginn des 20. Jh. nach Japan, um das Stahlwerk aufzubauen. Zu Beginn hat die Anlage nicht gut funktioniert, bzw. keinen hochwertigen Stahl erzeugt. Umbauten waren notwendig, bevor das Werk dann seine volle Produktionstätigkeit aufnehmen konnte.

Um das markante Denkmal vor dem Verfall zu schützen, ist es vor gut 10 Jahren umfassend restauriert worden. Allerdings wirkt die historische Produktionsstätte von 1901 für unseren Geschmack ein bisschen zu neu. Auch schade ist, dass sie buchstäblich nur noch isoliert in der Landschaft steht, denn durch die Bahnlinie und Hochstrassen wurde sie vom eigentlichen Firmengelände abgeschnitten. Denkmalschutz ist in Japan ein nicht ganz einfaches Thema, wie wir vermuten.

Tafeln erklären, wie dort Stahl produziert worden ist. Live muss der Prozess ziemlich beeindruckend sein. Vielleicht können wir uns, wenn wir nächstes Jahr ins Ruhrgebiet fahren, mal ein echtes Stahlwerk ansehen. Unser Interesse ist jedenfalls geweckt. 🙂

Zum Glück ist die historische Anlage überdacht, denn als wir herumschlenderten, kam nochmals ein tüchtiger Schauer herunter. Sehr malerisch. 😉

Ansonsten waren wir an diesem trüben Novembertag wohl die einzigen Besucher. Nur ein Obdachloser hatte bei den Sitzbänken im unteren Geschoss noch sein kleines Lager aufgeschlagen.

Das Kunstmuseum musste wegen des miserablen Wetters noch weiter warten. Erstmal beschlossen wir, im Naturgeschichtlichen Museum noch etwas Zeit zu vertrödeln. Das war mit seinen Dinosaurierreplikaten und Multivisionsshows sowie einer informativen historischen Abteilung sogar ziemlich kurzweilig.

Aber dann mussten wir wirklich zur Kunst aufbrechen, und glücklicherweise blieb es den Rest des Nachmittags trocken. Das Problem war jetzt nur, dass wir uns per Google-offline-Karte durch den Stadtteil schlagen mussten. Gar nicht so einfach bei diesem Strassengewimmel. Und selbstverständlich hat man  das Museum ganz oben auf dem Berg gebaut. Es war so steil, dass wir fast den kompletten Weg (30 Minuten) unsere Velos nach oben schieben mussten. Aber vielleicht war das sogar ein Glück, denn so fanden wir das Kitakyūshū Museum of Arts tatsächlich. Sonst hätten wir sicher eine Abzweigung verpasst.

Ein ziemlich angeberischer Bau, aber von oben hat man natürlich eine tolle Sicht auf die Stadt, vor allem bei guten Wetter.

Die Sammlung des Museums zeigte einige europäische Impressionisten sowie japanische Kunst seit ca. 1900. Besonders gut gefallen hat uns aber eine Lichtinstallation eines japanischen Künstlers: Kuwakubo Ryota.  Da fährt eine kleine Modelleisenbahn mit starkem Licht durch eine Art Parcours und wirft Schatten an die Wand (bzw. in den Raum). Total faszinierend.

Zurück vom Museum bis zum Bahnhof «Space World» war es – den Berg herunter – natürlich ein Kinderspiel. Bei der steilen Abfahrt musste vor allem die Bremse ordentlich arbeiten.

In den «Space World»-Achterbahnen kreischten die Fahrgäste um die Wette. Es gibt tatsächlich Videos zu den vier Achterbahnen auf Youtube. Hier von der grünen, schrecklichen «Venus»-Bahn mit Looping. Yawata Steel Works ist da nochmals sehr gut zu sehen. Das Wetter bei der Aufnahme ist jedenfalls das Gleiche. 😉
Witzigerweise wirkt auch hier noch deutsche Technologie. Die Achterbahn ist von einem renommierten Münchner Unternehmen. 😉

Allerdings waren wir recht überrascht, wie laut diese Achterbahnen sind. Man hört sie praktisch im ganzen Stadtteil. Die Anwohner haben vielleicht nur bedingt Freude an diesem Vergnügungspark…

Wir stiegen jedenfalls lieber wieder in unsere S-Bahn nach Kokura, mit Anschluss an Shimonoseki. Und beendeten unseren letzten Abend an der Kammon-Strasse im schönen Meerwasser-Bad unseres Dormy Inn. Kitakyūshū wird uns ganz bestimmt wiedersehen. Wir sind dort noch nicht fertig geworden. 🙂

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Nachtrag 01.01.2018

Heute lesen wir in der „The Japan Times„, dass „Space World“ seine Tore nach 27 Jahren zum 31.12.2017 geschlossen hat. Die Besucherzahlen sind wohl die letzten Jahre kontinuierlich zurückgegangen.
Auch wenn wir absolut keine Fans von Vergnügungsparks sind: Jetzt, wo wir dem Park etwas näher gekommen sind, ist es irgendwie traurig. R.I.P. Space World.

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