Kanaya – 金谷町と蓬莱橋 (静岡県)

Hatten wir am Tag zuvor wirklich Glück mit dem Wetter gehabt, so zeigte sich das Wetter am Montag erstmal von seiner anderen Seite. Nach dem leckeren Frühstück im Ryokan – ausnahmsweise im Zimmer –  plätscherte es ziemlich ordentlich herunter.

Ryokan-Frühstück1

Ryokan-Frühstück2

Eine Regenpause nutzten wir, um rasch zum Bahnhof zu fahren (Koffein tanken), dann bestiegen wir den Lokalzug in westliche Richtung. Unser Ziel hiess heute Shimada, ca. 30 min. von Shizuoka entfernt.

Während der Zugfahrt ging es dann richtig los: Es goss in Strömen, so, wie man es bei uns von lokalen Gewitterschauern kennt. Wenigstens war es immer  noch 28°C warm.
Da wir uns nun nicht sicher waren, wie sich das entwickeln würde, änderten wir kurzfristig den Ablauf unseres Tagesprogramms: Wir würden zuerst zum Bahnhof Kanaya fahren und dann versuchen, unsere Tour von dort aus zu starten. Im Zweifelsfall würden wir halt wieder mitsamt Birdys den Zug zurück nehmen, denn heute war Outdoor-Programm geplant, nicht kompatibel mit Regen in dieser Stärke und Menge.

In Kanaya versuchten wir auf einem Bänkchen vor dem Bahnhof erst einmal, dem wechselnd starken Geplätscher ein meditatives Moment abzugewinnen.

Kanaya-Regen

Nach vielleicht 40 Minuten zeigte sich der Himmel dann doch heller, und als der Regen nur noch feinster Niesel war, wagten wir es, loszuradeln. Bis zur ersten Sehenswürdigkeit waren es nur einige hundert Meter, das war erstmal gefahrlos.

Die Kanayama Ishidatami Road ist ein Stück der alten Tōkaidō Strasse (s. auch Eintrag 12.8.2012), die wohl teilweise erhalten blieb, und die man dann wieder halbwegs original hergerichtet hat. Sie ist gänzlich mit Natursteinen gepflastert (Ishi= Stein, tatami=legen, falten?), und das wollten wir gerne sehen. Und nun zeigt sich, dass auch der Regen hin und wieder seine Vorteile hat: Im Wald war es sehr romantisch, der Weg und die Steine funkelten von der Nässe, Nebelschwaden stiegen auf, und sogar den Semi hatte es (Regen mögen sie offenbar nicht) auch mal die Sprache verschlagen: Es war wunderbar still, als wir den ca. 500 Meter langen Abschnitt betraten, der durch den Wald den Berg hinaufführt.

Ishidatami1

Ishidatami2

Obwohl die Strasse sehr uneben war, und Steine wegen der Nässe etwas rutschig waren, ist sie eigentlich gut zu gehen. Hin und wieder gab es grössere Ansammlungen an „Spontanvegetation“ auf dem Weg, was in uns Gärtner automatisch den Reflex auslöste: Unkraut zupfen! Für diese Art von Freiwilligenarbeit hatten wir aber leider keine Zeit, es wäre aber mal lustig, das zu tun. Die Strasse ist ja nicht so lang. 🙂

Spontanvegetation

Thom entdeckte ein braunes Fröschlein, das hinter meinen Füssen über den Weg hüpfte. Ich hätte es wegen der perfekten Tarnung und Farbe fast nicht gesehen. Offenbar hat es uns auch nicht gerade erwartet, und ich konnte den Überraschungseffekt für ein Foto nutzen.

Ishidatami-Frosch

Und nun kam das weitere Highlight für uns, das gar nicht eingeplant war: Tee! Endlich standen wir mal inmitten echter Teesträucher bzw. Teeplantagen. Und noch eine Überraschung: die Sonne zeigte sich doch noch.

Ishidatami-Tee

Wir verliessen kurz die historische Strasse und stiegen durch die Felder weiter den Berg hoch. Die Strasse war unglaublich steil, aber geteert. Ich kann mir aber fast nicht vorstellen, dass da ein Auto fahren kann. Immerhin wurden wir oben mit dem Blick über das Flusstal des Oigawa belohnt.

Teefeld

Teefelder3

Kanaya

Anschliessend liefen wir wieder zum Endpunkt der Ishidatami-Road zurück und diese wieder hinunter.

Ishidatami-Einstieg

Ishidatami4

Ishidatami5

Noch ein Tier lief uns über den Weg: Eine kleine Eidechse, braun gestreift mit leuchtend blauem Schwanz. Sie war extrem scheu, und ich musste etwas tricksen, um sie ins Bild zu bekommen. Ein Stückchen blaues Ende sieht man noch …

Ishidatami-Echse

Hier auch nochmals ein Video-Versuch, ich hoffe, die Atmosphäre kommt einigermassen rüber. Wie man hört, sind die Semi mit der Sonne auch wieder aktiv. 🙂

Das Wetter schien sich erfreulicherweise zu stabilisieren, und wir wagten nun, zu unserem nächsten Ziel zu radeln, der Horai Bashi, einer langen Holzbrücke. Wir wussten zwar, wo sie war, aber wie wir via Strasse dorthinkommen würden, war uns noch nicht so klar. Na, irgendwie würden wir schon ankommen.

Zur Horai-Bashi

Die Strasse, die wir wählten, führte uns dann weg vom Fluss hoch auf die Anhöhe (Schweissfluss!!), und dort ging es endlos durch Teeplantagen. Fast erinnerte uns die Landschaft an die Medoc, dem grossen französischen Weinbaugebiet: eine leicht gewellte Landschaft hoch über dem Fluss (im Bordeaux die Gironde, hier der sehr breite Oigawa). Endlos kann man im Bordelais durch die Reben fahren, hier sind es halt Teesträucher.

Teeland1

Teeland2

Teefelder3

Teefeld6

Was uns allerdings rätselhaft war: Wozu braucht es diese ganzen Propeller an den Masten, die wegen des Windes fleissig drehten? Ist das Windkraft im Kleinstformat??

Endlich erblickten wir das Ziel unseres – wie sich herausstellte – mittleren Umwegs: die Horai-Bashi, die mit 897 Metern längste Holzbrücke der Welt, amtlich bestätigt durch das Guiness-Buch der Rekorde.

Horai Bashi-Ansicht

Horai Bashi2

Horai Bashi3

Wobei Thom dann schwer lästerte, eigentlich müsste die korrekte Bezeichnung „mit Holz verkleidete Betonbrücke“ lauten. Es stimmte tatsächlich, fast alle Pfeiler waren – wohl aus Sicherheitsgründen – aus Beton, und auch einen Teil der unteren Stützen. Die Planken waren allerdings schon aus Holz. Masamichi und Hiroko hatten uns auch erzählt, dass die Brücke letzten September durch einen Taifun teilweise zerstört worden sei. Der Oigawa-Fluss führte zwar nicht so viel Wasser, doch das ändert sich vermutlich rasch, insbesondere nach starken Regenfällen.

Oigawa

Man musste am Zollhäuschen einen kleinen Wegzoll bezahlen (100 Yen). Die Velos durften wir für den schnelleren Rückweg sogar mitnehmen, die Dame bat uns nur, gut aufzupassen, denn die Brücke hatte kein richtiges Geländer und der Wind bliess recht stark.

Horai Bashi4

Horai Bashi und Thom

Horai Bashi mit Sylvi

In Shimada selbst, der kleinen Stadt, war nicht sehr viel los. Wir waren etwas müde von der Tour und stiegen am Bahnhof gleich in den nächsten Zug zurück nach Shizuoka. Dort wollten wir noch den Sunpu Castle Park anschauen und irgendwann auch mal etwas Essen.

Sunpu Castle2

Sunpu Castle

Vom Sunpu Castle, Tokugawa Ieatsus Altersruhesitz, ist leider nichts mehr erhalten geblieben. Die Burg ist durch einen amerikanischen Bombenangriff 1945 zerstört worden. Eines der Haupttore hat man wieder aufgebaut, und als wir durch dieses den Park betraten, fing es wieder an, zu regnen. Schade, wir mussten – mangels Regenausrüstung – nun wirklich in eine Einkaufspassage flüchten, um erstmal abzuwarten. Und Einkaufspassagen haben immer auch eine Restaurantetage, auf der man eine unterschiedliche Auswahl an Spezialitäten hat: Italienisch (sehr beliebt), Sobarestaurants, Fischrestaurants, … Das macht es auch für uns einfach.

Den Abend verbrachten wir dann gemütlich in unserem 6 Tatami messenden Ryokan-Zimmer. Eine Flasche Shizuoka-Sake war auch mit von der Partie, sowie der schon erwähnte Grüntee-Baumkuchen.

Macha-Baumkuchen

Beim Sake, dem japanischen Reiswein, sind wir noch keine Experten, das ist eine Wissenschaft für sich.  Inzwischen wissen wir auch schon, was uns eher schmeckt, nämlich trockener Sake, und beim Kauf achten wir daher immer gut auf die Kanji 辛口 = karaguchi.

Aber das klappt schon sehr gut, und daher sind wir auch fleissig am Üben, was die Vielfalt des Sake pro Präfektur angeht.  Dazu essen wir dann gerne ein japanisches Süsses, ein Bohnenküchlein oder eben den bereits erwähnten Grüntee-Baumkuchen. Das schmeckt ziemlich gut – uns jedenfalls. Für Japaner ist das vielleicht eine eher abartige Kombination? Nun ja, über Geschmack lässt sich ja immer gut streiten … 😉

 

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