Sonntag (12.4.) war dritter Ausflugstag ab Hakata, wieder mit demselben Zug „Huis ten Bosch“, aber diesmal bis zur Endstation. Und hier landeten wir.
Nein, das ist kein Witz, und wir sind immer noch in Japan. Huis ten Bosch, nahe bei der Stadt Sasebo ganz im Westen Kyushus gebaut, ist eine Art Disneyland im Hollandstil, ein nachgebautes holländisches Phantasiedorf. Häuser und Strassen wurden mit original niederländischem Backstein errichtet. Es gibt original nachgebaute Brücken und richtige Windmühlen, letztere laufen aber mit schön gleichmässig mit japanischem Strom.
Vielleicht hätte man genauso ein deutsches (Fachwerk-) oder ein schweizer Dorf errichten können. Dass ausgerechnet Holland das Rennen gemacht hat liegt vielleicht doch an den alten wirtschaftlichen Beziehungen der Region zu diesem europäischen Land. Die Holländer bzw. die Vereinigte Ostindische Kompanie waren über die langen Jahre der Abschottung Japans die einzigen, die Handel betreiben durften. Diese Beziehungen haben die Region geprägt, z.B. auch die Porzellanherstellung in Arita. So liegt es Nahe, diese Tradition etwas weiter zu pflegen. Das gesamte Gelände ist sehr gross. 1992 wurde es fertiggestellt. Anfgangs war es vielleicht ein Erfolg, aber inzwischen serbelt der Besucherpark vor sich hin und stand letztes Jahr kurz vor der Schliessung. Für einen Sonntag waren beängstigend wenige Besucher da, und viele Restaurants und Cafes hatten geschlossen. Jedenfalls war es ziemlich interessant, sich das alles anzuschauen. Der Park ist wirklich sehr gut gemacht und erstaunlich originalgetreu.
Jetzt blühten natürlich noch jede Menge Tulpen, da wirkte alles noch viel echter. An einem Beet konnte man Tulpenzwiebeln günstig selbst ausgraben, da gab es für manche kein Halten mehr.
Für die Kinder war das natürlich eher langweilig, die guckten dann lieber in ihren Gameboy.
In den Kanälen fahren Grachtenboote, in den Häusern sind Läden, Restaurants, ein paar kleinere Museen und Attraktionen untergebracht, z.B. ein kleines Siebold-Museum (Franz von Siebold, ein deutscher Forscher, der Japan wichtige Impulse für die medizinische Forschung gab), oder auch eine Drehorgelwerkstätte.
Auch ein paar holländische Kaltblutpferde wurden organisiert. Sie ziehen die Kutschen durch die Strassen und dürfen ansonsten gestreichelt werden. Ich glaube, für manche Kinder war es das erste mal, dass sie ein Pferd gesehen haben. Es gibt nicht so sehr viele in Japan.
Eine kleine Käserei stellt originalen Gouda her, allerdings zu gigantischen Preisen. Eine interessante Variante: Er wird auch als ‚Cream cheese‘ verkauft, der dem Aussehen und der Konsistenz dem Tofu ähnelt. Analog wird der Käse auch mit Fischflocken und Sojasauce serviert. Es schmeckt, wirklich.
Dazu wird dann natürlich auch ein schweizer Käsefondue angeboten (so genau nimmt man es dann auch nicht). Allerdings würde ich für so eine Packung Emmi-Fondue keine CHF 20.00 bezahlen …
Auch sonst werden jede Menge Klischees bedient.
Man kann sich eine Reihe erstaunlicher Radmodelle ausleihen und damit herumkurven, z.B. ein Zweier- oder Vierer-Fahrrad mit kleinem Dach.
Zu Mittag gab es allerdings nichts holländisches sondern „Champon“, ein recht deftiger Eintopf, eine Spezialität aus Nagasaki. Dermassen abgefüllt brauchten wir doch noch einen Kaffee, und der war sehr edel und sehr teuer. Dafür durften wir ihn auch aus besonders schönen Arita-Porzellantassen trinken. Das Tässchen könnte man auch kaufen, es kostet schlappe CHF 300.00. Also hübsch vorsichtig schlürfen …
Zu allen holländische Bauten haben sie auch noch einen hübschen Gartenteil angelegt, neben Blumen auch mit Gemüse-Blumen-Mischungen. Da konnten wir noch Anregungen für unsere baldige Schrebergarten-Bepflanzung holen.
Nach 4h hatten wir dann aber auch genug. Es war heiss, die Sonne brannte, und wir waren vom Backstein-Pflastertreten müde. Natürlich kann man noch viel mehr Zeit in Huis ten Bosch verbringen, wenn man statt der sowieso schon ordentlichen CHF 40.00 pro Person Eintritt den ‚Pass‘ für über CHF 60.00 bezahlt. Dann sind alle Attraktionen nämlich gratis, z.B. ein IMAX-Kino, irgendwelche Theater mit Shows oder der Aufstieg auf den hohen Turm. Sowieso ist der beste Besucher der, der eine Übernachtung in einem der grossen Hotels mitbucht und gleich zwei Tage bleibt. Und selbstverständlich kann man auch ein ‚Wedding Package‘ buchen, Hochzeit mit allem drum und dran. Thom meint nun beim Lesen, meine Meinung zu Huis ten Bosch klänge recht distanziert. Stimmt. Das ist ja alles ganz nett gemacht, aber ich verbringe meine Zeit doch eher woanders als in einem holländischen Idealdorf bzw. Disneyland. Da radle ich lieber durch die Strassen von Hakata oder Osaka und erschnuppere das japanische Alltagsleben. Auf dem Rückweg stiegen wir dann nochmals in Arita aus, dem Porzellanparadies. Nicht, dass uns die Shoppingwut gepackt hätte, aber wir hätten noch gerne ein paar nette Suppenschalen gefunden.
Ein paar Kleinigkeiten flogen uns noch in die Taschen, aber leider keine Suppenschalen. Wir werden es wohl in einem ganz normalen Küchenladen in Kobe oder Nagoya versuchen.