Nach unserer erlebnisreichen Shinkansenfahrt waren wir erstmal froh, endlich in Hirosaki angekommen zu sein. Da die Restaurants schon überwiegend ausgebucht waren, und wir nicht ziellos suchen wollten, musste am Abend eine einfache Portion Soba in einem kleinen Imbiss genügen. Aber wir konnten in einem bekannten Traditionsrestaurant wenigstens für den nächsten Tag einen Platz fürs Mittagessen sichern.
Unsere Erinnerungen an Hirosaki waren nur noch rudimentär vorhanden. Immerhin liegen diese über 13 Jahre zurück. An den Burgpark mit dem wunderschönen Lotos, den botanischen Garten sowie an ein, zwei Meiji-Häuser (Häuser in europäischem Stil, erbaut Ende des 19. Jh.) konnten wir uns noch erinnern. Damals waren wir im Sommer dort gewesen (siehe Blogbeitrag 17.08.2012), und auch nur als Tagesausflug von Aomori aus, um primär den Schlosspark zu besichtigen. Einen besonderen Eindruck hatte die Stadt bei uns nicht hinterlassen, aber genau deshalb wollten wir uns nochmals ein genaueres Bild machen. Diesmal war Hirosaki die Basisstation.
Überrascht hat uns jetzt vor allem die Weitläufigkeit der Stadt, und die Orientierung war aufgrund der Topographie und Strassenführung bis zum Schluss eine Herausforderung. Zu Beginn haben wir uns mit unseren Velos ständig verfahren bzw. mussten sehr häufig die Karte bzw. das Handy mit GPS konsultieren.
Bekannt ist Hirosaki vor allem für seine unglaubliche Kirschblütenfülle in und am Schlosspark. Das heisst im April-Mai muss der Zustrom an Touristen (Japaner wie Nicht-Japaner) gewaltig sein. Im Spät-Oktober bzw. November lockt dann das rote Herbstlaub, aber dafür waren wir jetzt etwas zu früh dran.
Wir hatten aber jetzt was anderes Schönes, und das waren die Äpfel. Erntezeit!!

Die Präfektur Aomori ist bekannt für seine Äpfel (japanisch ringo/りんご), und Hirosaki ist die Apfelhauptstadt. In diesem Jahr gab es sogar ein besonderes Jubiläum zu feiern: Vor 150 Jahren, d.h. im Jahr 1875 war dort der erste Apfelbaum Japan gepflanzt worden. Für Europäer sind Äpfel ja etwas ganz selbstverständliches. In Japan sind sie ein eher jüngeres Phänomen, und sie gedeihen primär im etwas kühleren Norden Japans am besten, in Tohoku. Bereits am Bahnhof lockte ein bäuerlicher Apfelstand auf Vertrauensbasis (Geld wie im Schweizer Hofladen einfach ins Kässeli schmeissen), und wir konnten nicht widerstehen.

In jedem Souvenirshop der Region gibt es Apfelprodukte in Hülle und Fülle (Kuchen, Gebäck, Jelly, Cider, Apfelsaft, etc.). Die japanischen Sorten sind primär eigene Züchtungen. Bekannt geworden ist in Europa die Sorte «Fuji», eher etwas für Leute, die süssere Varianten mögen. Ein Plakat bot eine gute Übersicht, in der wir unsere Favoriten (eher säuerlich) mal grob bestimmen konnten. Diese gab es dann sogar tatsächlich im «Hirosaki Apfelpark» frisch zu kaufen. Dazu mehr später.





Wie in Japan üblich zieht sich die (hier Apfel-) Symbolik dann quer durch alle Bereiche, vom Briefkasten über Uhren bis zum Strassengeländer.



Am besten gefallen haben uns aber die «Ringo musume», die Apfeltöchter. Vielleicht sollten die Wein-, Bier- oder Gemüseköniginnen in unseren Gefilden mal ähnlich fesch auftreten? 😉

Da unserer erster Tag eher trüb und mit der Aussicht auf leichten Regen gesegnet war, liessen wir uns in der Frühe erst einmal Zeit, um Wäsche zu waschen. Hatte ich schon mal erwähnt, dass in Japan nahezu alle Hotels Waschmaschinen haben, teilweise sogar gratis (der Trockner kostet dann allerdings YEN 100 pro 30 Minuten).
Danach brauchten wir unsere tägliche Koffeinspritze bei Starbucks nahe des Schlossparks. Das Café ist in einem wunderschönen, 100jährigen Gebäude aus der Taishō-Zeit (1912-1926) untergebracht. Der Mix aus westlichem und japanischen Stil hat ein ganz besonderes Flair, und für uns ist dies eine der schönsten Filialen, die wir bislang in Japan besucht haben.



Nur einige Schritte entfernt befindet sich das «Hirosaki Municipal Tourist Information Center». Dort kann man sich mit Souvenirs eindecken, erhält Informationen und kann unter anderem zwei der grossen Festwagen für das Nebuta Matsuri Anfang August bewundern. Bekannt ist das grosse Nebuta-Fest in Aomori, aber Hirosaki hat seine lokale Variante.
Dann mussten wir auch schon weiter zu unserem Termin fürs Mittagessen im Restaurant Kikufuji. Dort werden vor allem lokale Spezialitäten serviert, und es steht natürlich als Empfehlung in der Touristenkarte. Wir wurden sehr freundlich empfangen, und alles schmeckte hervorragend. Wir probierten den vegetarischen Eintopf «Kenoshiru» (eine Miso-Suppe aus Wurzelgemüse wie Daikon-Rettich, Karotten und Klette, essbaren Wildpflanzen und frittiertem Tofu), überbackene Jakobsmuscheln (superlecker!) sowie Tempura aus Jakobsmuscheln, Zwiebeln und Äpfeln (umwerfend!).



Dazu tranken wir einen lokalen Cider, der viel schlanker, feiner und trockener war, als die meisten Cidre aus Frankreich (nur 6% Alkohol, sehr empfehlenswert). Gekrönt wurde das Mahl – selbstverständlich – von einer Kugel Apfelsorbet.


Rundum satt und glücklich konnten wir uns nun unserem nächsten Programmpunkt des Tages widmen, dem Museumsbesuch. Denn passenderweise hatte es – wie vorausgesagt – angefangen zu nieseln.
Der Weg zum Museum führt durch den kleinen, alten Bahnhof „Chuo Hirosaki“ der kleinen Bahnlinie „Konan Tetsudo-Owani Line“.



Das «Hirosaki Museum of Contemporary Art» ist eine kleine Besonderheit: Hervorgegangen aus einer private Initiative und mit Unterstützung des bekannten (in Hirosaki geborenen Künstlers Nara Yoshitomo) entstand in einer ehemaligen Sake und Cider-Brauerei ein schönes Museum für zeitgenössische Kunst, das Kunstmuseum der Stadt Hirosaki.





Die Ausstellung mit ihren Bildern, Skulpturen und Videoinstallationen war konzeptionell intelligent, durchdacht und nahm aktuelle und lokale Themen auf. Und dies alles in aussergewöhnlich schönen und sorgfältig restaurierten Räumlichkeiten. Wir waren sehr angetan, und würden allen einen Besuch wärmstens empfehlen, auch wenn zeitgenössische Kunst nicht ganz oben auf der Interessensliste steht. 😉
Bis zum Dunkelwerden blieb noch etwas Zeit, und der Regen hatte aufgehört. Daher radelten wir noch schnell zum nahegelegenen Saishōin Tempel mit seiner fünfstöckigen Pagode. Diese spricht natürlich für sich, aber was es mit dem niedlichen Hasen vor dem Eingangstor auf sich hat, wissen wir leider nicht.




Erfreulicherweise zeigte sich am Ahorn bereits eine erste zaghafte Rotfärbung des Laubs. Wir haben es fast schon geahnt, aber für das besondere Erlebnis des roten Herbstlaubs «Kōyō (紅葉)» sind wir in diesem Jahr wohl zu früh dran. Bei den derzeitigen Temperaturen um die 20°C sieht die Natur den Herbst noch nicht ganz gekommen. Nun ja, wir werden sehen wie es in ca. zwei Wochen aussieht.

