Hamamatsu-Regenausflug

Am nächsten Morgen war es bereits ziemlich bewölkt. Der Regen war zum Glück erst nach Mittag angekündigt – und die japanischen Wettervorhersagen stimmen ziemlich genau… Auf unserem Plan für den heutigen Sonntag (12.04.) stand der nördlich von Hamamatsu liegende Ryotan-ji Tempel, der durch seinen schönen Garten zu den Sehenswürdigkeiten im Grossraum Hamamatsu zählt. Allerdings waren die Busverbindungen nach und von dort ziemlich rar, wie wir am Vortag bei unseren Erkundigungen erfahren hatten. Eigentlich gab es nur eine Linie, einen Expressbus, der vom Bahnhof Hamamatsu nach Norden fuhr und den Tempel passierte.
Also entschieden wir uns, mit diesem zum Tempel zu fahren, und später von dort die gut 3 Kilometer zum Bahnhof Kiga bzw. Tenryū Hamanako-Linie zu laufen. So hatten wir gute Verbindungen zurück und konnten auch den alten Kiga Checkpoint (Kiga Sekisho) anschauen, für den es am Vortag schon zu spät gewesen war. Hoffentlich würde das Wetter halten… Zwei Leih-Hotelschirme kamen in jedem Fall mit, als wir recht früh loszogen.

Der Bus setzte uns nach gut einstündiger Fahrt vor dem Tempel ab. Bzw. eigentlich war es erst einmal der benachbarte Shinto-Schrein, den wir besichtigten, bevor wir dann – quasi durch den Hintereingang – im schönen Garten des Ryotan-ji landeten.

Wir waren überrascht, wie weit dort schon alles blühte: Azaleen, einige Kirschblüten, die japanische Ahorn hatten bereits ihre dunkelvioletten Blätter, und aus den Bäumen spross das junge Blattgrün.

Um auch den Landschaftsgarten und die Hallen anschauen zu können, bezahlt man einen kleinen Eintritt, wandert auf Socken durch die Gebäude, und geniesst die Sicht auf den kleinen Garten von den Holzstufen aus sitzend. Ein englisches Prospekt gibt es auch dazu.

Anschliessend machten wir uns auf unseren Fussweg Richtung Kiga, immer neben der Landstrasse entlang, die aber an diesem Tag nicht sehr befahren war. Es ging an Feldern, Wohn- und Bauernhäuser vorbei. Ein Baum von Amanatsu-Zitrusfrüchten lachte uns an. Ab und zu legen freundliche Menschen Tüten mit Exemplaren für wenige Yen zum Mitnehmen vor ihre Türen  – aber in diesem Fall leider nicht.

In einem anderen Garten stand ein erstaunlicher Strauch mit zweifarbigen Kirschblüten – rot, weiss, und einige gemusterte. Die Züchter haben es mal wieder nicht lassen können, sich schwer zu verkünsteln… 😉

Dies hatten wir aber noch nie gesehen. Was war das?

Ein «Münz-Reis-Automat»! Frisch polierten Reis kaufen – auch en gros (man beachte rechts die Sack-Abfüllstelle), falls plötzlich der Vorrat zu Ende ist. Und auch der Poliergrad kann selbst eingestellt werden. Das hatten wir jetzt noch nie gesehen und erinnerte uns an die Baguette-Automaten in Frankreich… Aber eigentlich nur logisch.

Nach ca. einer Dreiviertelstunde erreichten wir Kiga. Es war halb zwölf Uhr – und pünktlich fing es an, sachte zu regnen. Auf dem Weg zum Checkpoint liefen wir zufällig noch einem dörflichen «Festausstattungs-Geschäft» vorbei. Da gibt es alles, was man für die japanischen Festivitäten, Riten und Bräuche benötigt: Hausaltäre, Puppen für das Mädchenfest (3.3.), Koinobori für das Jungenfest (5.5.), etc. Vielleicht konnten wir hier unsere Karpfen-Fähnchen im heimischen Garten endlich mal etwas aufrüsten?

Die sehr erstaunte Verkäuferin musste zuerst verneinen: Leider gab es diese nur im «Set-Preis» (4 Stück zu mehreren hundert Franken…). Aber als wir dann schon wieder auf dem Rückweg zur Ladentür waren, rief sie uns wieder zurück. Ihr war eingefallen, dass es ja noch die Restposten zum Ausverkaufspreis gab. Und so stapften wir mit einem 4 Meter langen, orange-goldenen Nishiki-Koinobori überglücklich davon. Das Prachtexemplar, dass schätzungsweise seit 30 Jahren auf uns gewartet hatte, hatte nur noch 1000 YEN (=CHF 10) gekostet! Was für ein Schnäppchen nun unseren Garten ziert!

Als wir kurz danach den Kiga Sekisho, den Checkpoint aus der Edo-Zeit erreichten, waren wir froh, dass wir die Schirme mitgenommen hatten. Nun goss es doch ziemlich. Die Damen am Ticketschalter freuten sich, dass wir wiedergekommen waren. Wie gewohnt waren Gebäude und Erläuterungen sorgfältig aufbereitet, und die damalige Atmosphäre mit lebensgrossen Puppen nachgestellt.

Während Jahrhunderten kontrollierten diese Strassenstationen sämtliche Reisenden auf den Verkehrswegen Japans. Der Kiga-Checkpoint, ist 1601 an der «Himekaidō» errichtet worden, die nördlich um den Hamana-See führte. Diese wiederum war eine Abzweigung der Tōkaidō, der Hauptstrasse zwischen Edo und Kyōto.

Alles wurde von den dort stationierten Samurai streng begutachtet: Menschen, Handelsgüter, Reisende, Händler. Wagenladungen wurden mit speziellen Gerätschaften durchstossen, um zu prüfen, ob etwas darin versteckt war. Frauen konnten sogar auf ihr Geschlecht kontrolliert werden, um zu verhindern, dass gesuchte Männer sich als Frauen verkleiden. Und wer verdächtig war oder keinen Passierschein hatte, durfte auch in die Arrestzelle gewandert sein. Das alte Japan und die Edo-Zeit? Ein Überwachungsstaat. Kontrolle total.

Durchaus froh, im liberalen Jetzt zuhause zu sein, begaben wir uns zum Bahnhof und warteten auf das nächste Züglein der Tenryū-Hamanako-Linie in Richtung Westen. Inzwischen war es schon nach 13 Uhr, und wir hatten langsam Hunger und Lust auf ein richtiges Mittagessen.

Auf Google Maps hatten wir uns ein Unagi-Restaurant mit guter Bewertung an der Zugstrecke ausgeguckt, und so bestiegen wir den nächsten Zug, um drei Bahnhöfe weiter in Hamanako-Sakume wieder auszusteigen. Dort präsentierte sich die Station mit einer lustigen «Skulptur» eines weiss-schwarzen Rinds, in der sich die Bahnhofstoilette verbirgt.

Das Restaurant liegt direkt gegenüber des Bahnhofs, und auch hier gab es wieder erstaunte Gesichter der Inhaber, als wir hereinkamen und nach Mittagessen fragten. Zum Glück waren wir noch rechtzeitig gekommen, denn um 14 Uhr war Schluss. Ein jüngeres Paar war gerade mit Essen fertig. Somit waren wir die letzten Gäste. Fast etwas unangenehm…

In diesen klassischen Unagi-Lokalen sind die Speisekarten übersichtlich. Es gibt meist drei Gerichte: Aal kleine Portion, Aal mittlere Portion und Aal grosse Portion. Dazu Getränke (Tee, Bier, Nicht-Alkoholisches). Fertig. Wir bestellten einmal mittlere Portion für mich und eine Grosse (für wen wohl?), und bald standen die Tabletts vor uns. Sehr fein alles. Das Restaurant war eine sehr gute Wahl.

Satt und zufrieden bestiegen wir nach kurzer Wartezeit den nächsten Zug in westliche Richtung. Es war weiter trüb und regnerisch, also fielen weitere Stopps entlang des Sees aus. Die Tenryū-Hamanako-Linie endet am Bahnhof Shinjohara und der dort kreuzenden JR Tōkaidō Hauptlinie. Von dort kamen wir schnell wieder zurück nach Hamamatsu und in unser Hotel.

Den Rest des Nachmittags verbrachten wir dann lesend und bloggend im Hotel. Um am frühen Abend noch unser Glück in der nahe gelegenen Craftsbier-Bar zu versuchen. Diese hatte – Corona hin oder her – zum Glück noch geöffnet, und offenbar freute dies auch die paar Stammgäste, die es sich am Tresen gemütlich gemacht hatten. Bei «Tir na n-og» gibt es vor allem Baird-Beer im Offenausschank, was uns wiederum sehr freute, denn mit diesem Bier hatten wir bereits ausführlich in Yokohama Bekanntschaft geschlossen. Und so liessen wir den bunten Tag bei Bier und ein paar Nüssli gemütlich ausklingen.

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