Am Montag hatten wir eine Haiku-Lektion, die von Tamanoi-san, unserer unendlich engagierten und hilfreichen Vermieterin im Guesthouse Matsuyama organisiert wurde. Ihre Freundin ??? (Name folgt) ist eine bekannte Haiku-Dichterin, also hat sie eine Stunde vereinbart. Zudem gilt Matsuyama als Haiku-Stadt Japans. Hier lebte der grosse Haiku-Dichter und –Reformer Masaoka Shiki.
Letzten Freitag sind wir auch mit Inoue-san im Shiki Memorial Museum in Dogo Onsen gewesen. Leider gab es da nur sehr wenige englische Erklärungen.
Haikus unterliegen festen Regeln und haben einige elementare Bestandteile. Siebzehn Tonsilben werden stets in den festgelegten Wortgruppen 5 – 7 – 5 zusammengesetzt. Haikus beziehen sich zu 99,99% immer auf eine der vier Jahreszeiten, und daher enthalten sie immer sogenannte Kigo (Jahreszeiten-Wörter), die jeder Japaner sofort erkennt. Zum Beispiel deutet die Erwähnung einer „semi“ (japanische Zikade) immer auf den Sommer hin. Geht es um die „kaki“, die Kaki-Frucht, steht diese symbolhaft für den Herbst. Das ist für uns Nicht-Japaner teilweise schwierig, da wir mit diesen Symbolen kaum vertraut sind.
Und dann gibt es noch die Kireji-Wörter (engl.: cutting -Wörter, schwer übersetzbar), die man ergänzend einsetzt, um Emotionen in symbolhafter Weise wiederzugeben. Der Ausdruck von Emotionen ist überhaupt das Wichtigste.
Japaner lernen Haikus schon früh. Sie kommen sogar schon im japanischen Kinderfernsehen vor, welches wir ja zwischen 7 bis 8 Uhr morgens sehr gerne schauen. Es gibt Wettbewerbe, und in der Haiku-Hauptstadt Matsuyama stehen 20 sogenannte Haiku-Briefkästen, in denen jeder sein Haiku einwerfen kann. Die Haikus werden dann von einer Auswahlkommission begutachtet und ggf. veröffentlicht.
Unsere Lehrerin war streng und unerbittlich, bis wir das alles begriffen hatten. Sie hatte aber auch wirklich prima Beispiele ausgewählt. Also mussten wir dann bald unser erstes Haiku verfassen.
Natürlich geht es nicht, alles auf irgendein Stück Papier zu kritzeln. Nein, es gibt spezielle Haiku-Karten, auf die man das dann mit einem schönen Kalligraphie-Stift in die richtige Form bringt.
Zum Schluss sah das ganz Ganze (trotz unserer japanischen Kinderschrift) dann schon ganz passabel aus, und unsere Lehrerin war nach zwei Stunden zufrieden mit uns. 🙂
Hier unsere Leistung – mit Übersetzung dessen, was wir damit ausdrücken möchten. Die wörtliche Übersetzung ist schwierig.
Thomas‘ Haiku
初雪や静かになりぬ街の音。 Hatsu yuki ya shizuka ni narinu machi no oto.
Der erste Schnee. Und die Stadt wird ruhig.
Sylvia’s Haiku
窓の柿日本に来たと思いけり。 Mado no kaki nihon ni kita to omoi keri.
Kaki vor den Fenstern. Nun weiss ich, dass ich nach Japan gekommen bin.