Goshogawara und Hirosaki – 五所川原市と弘前市

Am nächsten Morgen, Freitag, waren und Thom und ich noch uneins, für welches Ziel wir uns entscheiden würden. Die Wetterprognosen sagten stabiles Wetter für den heutigen Tag sowie Sonne und wärmere Temperaturen für Samstag voraus. Also das Bergziel eher Samstag und heute Töpferei und Hirosaki? Gesagt, getan.

Unseren Zug mussten wir noch schnell reservieren, da es kein Lokalzug war und es merkwürdigerweise keine „Shuseki“, also nicht-reservierten Plätze gab. Das Rätsel löste sich dann am Bahnsteig: Unser Gefährt war ein spezieller Zug, der die Strecke nach Akita an einer landschaftlich besonders schönen Strecke, nämlich entlang der Nordwestküste Honshus abfährt – also sozusagen ein Glacierexpress. Und das war natürlich etwas für alle Zugfreunde (Pufferküsser), Sightseeingfans und normale Touristen.

Kumagera-Zug

Am Bahnsteig standen die Fotografen, und auch auf weiteren Bahnhöfen haben wir Fotografen mit Stativ und Teleobjektiven gesehen. Das Fotografieren von Zügen scheint in Japan ein besonders beliebtes Hobby zu sein. Teilweise waren manchmal ganze Rudel von Zugfotografen zu sehen, und wir fragten uns dann, auf welches spezielle Gefährt sie denn wohl warten würden. Hier z.B. der Nachtzug von Aomori nach Tokyo mit einem Profi-Knipser.

Auomori-Tokyo-Nachtzug mit Fotografen

Nebenbei gesagt fänden wir es auch mal spannend, mit einem japanischen Nachtzug zu fahren. 🙂

Wo führte uns der „Kumagera“ also heute hin? Die Stadt Hirosaki ist das touristisch bekannte Ziel in Aomori mit einer Burg, interessanten Tempeln  und einigen weiteren Sehenswürdigkeiten. Der Zug fuhr zwar durch, doch wir liessen den Ort erst einmal links (oder rechts) liegen. Weniger bekannt ist Goshogawara, etwas nördlich von Hirosaki (bzw.  westlich von Aomori). Ausser einem jährlich stattfindenen Nebuta-Matsuri (ein Fest, bei dem hohe, geschmückte Wägen durch die Stadt gezogen werden) wissen wir von keinen bekannten Sehenswürdigkeiten. Uns interessierte die ca. 5km entfernte Kanayama Pottery mit ihren speziellen Töpferwaren. Mit einem sehr groben Plan (verifiziert über GoogleMaps) machten wir uns also mit den Birdys auf den Weg.

Bereits im Zug hatten wir gemerkt: Aomori ist die Apfelpräfektur von Japan. Die Omiyage-Shops sind voll von Apfelspezialitäten, und nun sahen wir wirklich grosse Apfelplantagen. Ein bisschen Bodensee- bzw. Südtirol-Feeling.

Apfelbäume in Aomiri

Mit einem kleinen Unterschied:

Apfel mit Schutztütchen

Manche Äpfel werden mit speziellen Papiertütchen gegen Ungeziefer geschützt. Gibt es da eine 1A und eine 1AAA-Klasse? Etwas aufwändig, aber vielleicht sind die Äpfel dann auch nicht gespritzt?

Viele Schutztütchen

Auch anderes Obst scheint gut zu gedeihen. Wir kamen an einem grossen Obstgeschäft vorbei. Noch nie haben wir so viele und so billige Wassermelonen gesehen, das (grosse) Stück für 500 YEN!!

Wassermelonen

Was aber vom aktuellen Modetrend der Goshogawara-Pudel zu halten ist? Nun ja, im Land, wo es für Hunde Windeln und modische Kleidchen zu kaufen gibt, überrascht uns so leicht nichts mehr…

Pudel mit gelben Ohren und rotem Kleid

Wie häufig auf dem Land kamen wir an interessanten alten Häusern und sehr schönen Gärten vorbei. Wir geben zu, wir sind etwas neidisch auf den japanischen Sommer mit seinen fast stabilen 30°C, der es ermöglich, Auberginen, Wassermelonen und Zitrusfrüchte problemlos anzupflanzen. In Aomori ist es zwar häufig auch mal etwas kühler, also „nur“ 25°C, aber immer noch konstant wärmer als in Mitteleuropa, wo die Temperatur auch im Sommer auf unter 20°C runtergehen kann.

Goshogawara-Haus mit Strohdach

Erstaunlicherweise erreichten wir unser Ziel, die Kanayama Pottery, praktisch „punktgenau“. Gut, dass wir die richtige Strasse ab Bahnhof genommen hatten und einfach nur geradeaus geradelt waren!

Kanayama Pottery

Kanayama Yakimono ist kein Porzellan sondern klassische Töpferei, gebrannter Ton. Etwas verwirrend anfangs für uns, denn „Yakimono“, wie allgemein Geschirr genannt wird, bedeutet – es ist die fast wörtliche Übersetzung – „Brennware“. Porzellan, Steingut und Töpferwaren ist alles Yakimono. Ursprünglich waren wir nicht ganz sicher gewesen, was uns in Kanayama erwartet.
Die wenigen Betriebe orientieren sich einheitlich an der historischen, alten Tradition, d.h. kaum Glasur, keine Farben und Verzierungen, sondern nur die Muster, die beim Brennen oder Aufschichten der Waren im Brennofen entstehen. Die Preise sind nicht ganz billig. Kanayama ist kleiner und spezieller als etwa Tobe, mit seinen über 50 Werkstätten und auch grossen Produktionsmengen.

Ein paar kleinere Schälchen und Platten (von denen man für’s japanische Essen nie genug haben kann) sowie eine schlichte Blumenvase aus dunkelbraunem Ton fanden unser Wohlwollen. Und wenn Thom schon mal eine Blumenvase schön findet, dann muss man ja schliesslich nicht zu lange zögern (im Bild steht sie ungefähr in der Bildmitte)!

Kanayama Pottery Shop

Die radelnden Langnasen hatten natürlich die Neugier des Shopleiters geweckt, und als aus den Mündern dann noch etwas Japanisch herauskam, war er vollständig platt. Für den Export nach „Suisu“ wurden unsere zerbrechlichen Käufe daher noch sorgfältiger als sonst eingepackt, so dass sie beim Transport – und im nächsten Päckchen – sicher nicht kaputt gehen werden.

Besonders beeindruckend fand ich auch die Brennöfen, in alter Tradion an den Hang gebaut. Einer wurde gerade angefeuert, bei einem anderen waren sie am Aufschichten der Tonwaren.

Kanayama-Brennofen beim Anheizen

Kanayama Brennöfen

Kanayama-Brennöfen

Kanayama-Brennöfen gefüllt

In der Hoffnung, den nächsten Zug zurück nach Hirosaki zu erwischen, düsten wir dann wieder zurück zum Bahnhof. Aber was für ein Pech: Der Gegenzug, ein Zwillingsbruder des schon bekannten Zuges, war ausgebucht! Und nun mussten wir eine Stunde lang die Zeit totschlagen für den Lokalzug. Wie ärgerlich, denn wir hatten uns noch überlegt, im Restaurant der Töpferei etwas zu essen (es sah dort ganz einladend aus). Und nun hingen wir fest. Ich gebe zu in manchen solchen Momenten bin ich geistig nicht flexibel…

Nun ja, was hilfts. Wir radelten einmal die Strasse Goshogawaras hoch und wieder herunter, entschieden uns dann noch für die gleiche Tour auf der Parallelstrasse, kauften etwas zu trinken und – kamen an einem kleinen Dorf-Geschirrladen vorbei.

Hier musste ich natürlich nochmals gucken gehen, denn diese kleinen, schlichten Läden mit normalem Porzellan und Küchenkram für den Alltagsgebrauch sind häufig Schatzgruben. Sie sind günstig und haben viel Auswahl. Das alte Ehepaar machte grosse Augen, als ich da plötzlich im Laden stand und nach „Chawan-Mushi“ fragte, speziellen Töpfchen zum Herstellen einer bestimmten japanischen Spezialität. Und tatsächlich: Sie hatte diese auch, ich konnte zwischen einigen Designs auswählen, und teuer war es auch nicht. Selbstverständlich fand das auch noch am Birdy-Lenker Platz.

Die beiden  kamen noch mit an die Laden-Schiebetüre, und wir wurden staunend und mit vielen Verbeugungen verabschiedet. Ich gebe zu, solche Momente machen schon etwas Spass … Und ich habe mich dank des Lädchens auch wieder mit Goshogawara versöhnt. 🙂

Der Lokalzug brachte uns danach nach Hirosaki, wo wir erst einmal zum Schlosspark radelten. Dort ist noch ein kleiner Turm zu besichtigen, berühmter ist jedoch der Park mit seinen vielen Kirschbäumen. Ein Muss ist der Besuch Hirosakis im Frühjahr zur Kirschblüte, wenn alles in ein rosafarbenes Blütenmeer getaucht ist.

Hirosaki-Donjon

Hirosaki-Donjon mit Burggraben

Nun war es ein schwüler Sommertag, und nichts mit Kirschblütenidyll. Wir hatten auch Freude an den schönen Lotosblütten im alten Burggraben.

Hirosaki-Burggraben mit Sicht auf die Berge

Lotosblüten

Vom einstigen Schloss ist auch in Hirosaki ausser einem Turm nicht mehr viel zu sehen. Unser Eintrittsbillett war aber noch für den hübschen botanischen Garten im Schlosspark gültig, also statteten wir diesem einen Besuch ab.

Hirosaki Botanical Garden

Blüte

Hosta Engler

Neben uns unbekannten und bekannten Pflanzen und Bäumen gefiel uns der kleine japanische Garten sehr, und zwischen noch mehr Lotosblättern entdeckten wir sogar noch eine kleine Schlange.

Japanischer Garten

Schlange im Lotos

Aus Hirosaki selbst wurden wir nicht recht schlau. Sie haben einen sehr neuen Bahnhof mit riesigem, edlem Besucherzentrum, der auf viele Touristen schliessen lässt. In der Stadt selbst stehen noch einige wohlrestaurierte Häuser aus der Edo- und Meiji-Zeit, aber es gab viele andere Ecken… Manchmal würde uns interessieren, was eigentlich in einer japanischen Bauordnung so alles drin steht – oder was nicht.

Meiji-Haus mit Kaffee

Hirosaki Meiji-Bibliothek

Hirosaki Bausünden

Der Gong (Kirchturm gibt es ja nicht) hatte mal wieder 17 Uhr geschlagen, und ausser dem Feierabendverkehr lief in Hirosaki nun nicht mehr viel. Bedeutete, mit den nächsten Zug wieder zurück nach Aomori. Tipp: Von der Bahnhofsüberführung hat man einen hübschen Blick auf eines der Wahrzeichen Aomoris, die schöne Brücke.

Aomori

Schade dass wir keine Zeit hatten, den sehenswerten Tempeln bzw. Schreinen in Hirosaki und der Umgebung einen Besuch abzustatten. Aber sie liegen etwas ausserhalb, und nach 17 Uhr ist einfach nichts mehr zu unternehmen. Unser Zeitplan ist einfach zu vollgestopft.  Ich muss mal ein ernstes Wort mit der Reiseplanerin reden…

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