Unser Ausflug am letzten Wochenende startete Samstag um 8 Uhr in der früh vor dem Guesthouse.
Die Imai-san’s holten uns mit ihrem Auto ab. Bis Sonntagabend hatte unsere Lehrerin Imai-san alles bis aufs Detail geplant: Fahrzeiten, Ankunftszeiten, Aufenthaltszeiten, Abfahrtszeiten. Da bleibt nichts dem Zufall überlassen. Wir waren schwer beeindruckt.
Via Schnellstrasse erreicht man in ca. eineinhalb Stunden Uwajima, eine ‚kleinere‘ Hafenstadt im Süden Ehimes mit knapp 80‘000 Einwohnern. Unsere Lehrerin Imai-san stammt von dort, und so lag es nah, unseren Ausflug in die dortige Gegend zu planen.
Die Wochenend-Tour hatten wir natürlich von langer Hand vorbereitet, nachdem klar war, dass wir wieder nach Matsuyama kommen würden.
Doch zuerst stoppten wir am ersten Programmpunkt: Eine Mikan-Farm. Mikan sind eine Mandarinenart und die Spezialität Ehimes. Der Bauer führte uns in seine auf den steilen Hügeln liegende Plantage, wo wir nach einer interessanten Einführung (auf Japanisch) eine spezielle Schere in die Hand gedrückt bekamen, um unseren eigenen Mikan-Sack zu füllen. Essen konnten wir ebenfalls, so viele wir wollten.
Interessant war es zu erfahren, dass die Mandarinenbäume durchaus heikle Gewächse sind, und ähnliche Ansprüche wie Weinstöcke stellen. Wärme ist natürlich wichtig. Trockenheit vertragen sie schlecht, zu grosse Feuchtigkeit und Staunässe aber auch nicht. Ein guter Wasserabfluss im Boden ist gut, und darum sind Hangplantagen besser fürs Aroma.
Wie findet man die reifen Früchte? Die Schale ist natürlich schön orange, dünn, und hat nicht viele Vertiefungen.
Da die Mikans wirklich ausgesprochen gut waren (ich hätte nicht gedacht, dass man die Unterschiede tatsächlich so schmeckt!), bestellte Imai-san für Freunde gleich noch einige Kisten per Hauslieferung, die in Japan Standard ist.
In Uwajima angekommen, reichte die Zeit noch für einen kurzen Abstecher zur Tōgyū-Halle zu fahren.
Diese in Japan bekannten Stier-Ringkämpfe (Sumo für Stiere) finden 5 mal jährlich statt, und sind quasi das pendent zu den Eringer-Kuhkämpfen in der Schweiz. Hier das nette, offizielle Video (auf japanisch 🙂 über die Stadt und ihre Tradition.
Es ist erstaunlich, wie ähnlich diese Tradition zu der des Wallis ist. Auch die hiesigen Stiere sind unglaubliche kompakte, kräftige und meist schwarze Tiere. Die Schweizer Kuhdamen gehen allerdings (zumindest nach den Videos zu urteilen) fast noch angriffslustiger zur Sache.
Sehr gerne würden wir uns diese Ringkämpfe mal anschauen, aber es hat leider vom Zeitplan nicht gepasst. Nächste Reise. 🙂 Hier noch ein Blick auf die Stadt mit ihrem Schloss.
Zum Mittagessen ging es in ein ganz traditionelles Restaurant in Uwajima. Die Spezialität von Ehime nennt sich Taimeshi, Reis mit Seebrasse (sea bream, jap.: tai), und je nach Ort wird diese etwas unterschiedlich serviert. In Uwajima übergiesst man den Reis plus dem rohen Fisch (Tai sashimi) obendrauf mit einer Art Dressing aus Sojasauce und rohem Ei (hier ein geklautes Foto).
Klingt sehr speziell, ist aber unglaublich lecker.
Dazu gab es noch Tempura, Misosuppe und diverse Kleinigkeiten (z.B. Tsukemono, eingelegtes saures Gemüse). Das war natürlich eine Riesenportion. Gut, dass sich das japanische Essen so leicht verdaut.
Danach schauten wir noch schnell im kleinen Date-Museum vorbei.
Uwajima stand während der gesamten Edo-Zeit (1603-1866) unter der Herrschaft eines Zweigs der in Japan bekannten Familie Date aus Sendai. Dort hatten wir 2012 bereits das Museum und das Mausoleum von Date Masamune besucht.
Und dann waren wir bei Imai-sans Eltern zur Teezeremonie eingeladen. Gut, dass ich viele Süssigkeiten (Gottlieber Hüppen) nach Japan vorausgeschickt hatte… 🙂
Der Vater und die Mutter leben betagt, aber noch rüstig, in einem schönen traditionellen Haus in Uwajima, das vom amerikanischen Bombenangriff 1945 verschont geblieben war. Imai-san’s Mutter ist Teemeisterin, und gibt sogar noch Unterricht. Imai-san‘s ehemaliges Kinderzimmer ist nun das Teezimmer im Haus, selbstverständlich mit Blick in den schönen Garten. Ein Schüler, den sie extra eingeladen hatte, führte die Zeremonie – in traditionellem Kleidung – durch.
Wir haben immer ziemlich Respekt vor dieser Sache, die uns wie eine religiöse Zeremonie erscheint. Alles war zwar sehr feierlich, doch gottseidank nicht völlig verkrampft, denn Imai-san‘s Mutter erklärte uns viel, insbesondere die Herkunft der wunderschönen, unterschiedlichen Teeschalen. Diese stammten aber auch von den berühmtesten Porzellanfirmen Japans.
Vor dem Abschied bewunderten wir noch den Garten.
Nur einige Schritte vom Haus entfernt liegt der Tensha-en (天赦園), ein vom Date-Clan 1866 (kurz vor Ende der Edo-Zeit) angelegter Landschaftsgarten. Klein, aber sehr fein, mit Teich, zahlreichen Bambussorten und noch etwas rotem Herbstlaub (Momiji).
Noch schöner muss der Besuch im Frühjahr/Sommer sein, wenn alles in voller Blüte steht.
Thom musste natürlich unbedingt die Koi im Teich füttern, die sich wie wild, mit gierig hervorgestülpten Mäulern auf die an der Kasse erhältlichen Futterkügelchen stürzten.
Imai-san meinte, dass sie vermutlich leere Mägen haben, weil derzeit nur wenige Besucher in den Garten kommen. Thom wurde während des gesamten Rundgangs um den Teich buchstäblich verfolgt von den Fischen – bestimmt haben sie sich seine Silhouette gemerkt. 😉
Nach einer Autofahrt von ca. 20 Minuten erreichten wir dann unseren Übernachtungsort Narugawa-Keikoku (成川渓谷), das tief in einem Tal der Kihoku-Gemeinde (鬼北町) liegt. Ausser dem Gästehaus und dem kleinen Badehaus gibt es absolut nichts.
Dort sagen sich der Fuchs (jap.: kitsune) und der Hase (jap.: usagi) bestimmt gute Nacht. Also konnten wir im benachbarten Bad erstmal geruhsam baden und uns für das bevorstehende Abendessen entspannen. Dieses bestand aus der regionalen Spezialität, einem klassischen Eintopfgericht (Nabe) mit, nun ja, Fasan, von dem wir dann auch etwas verspiesen haben. Das Meer liegt halt ein paar Kilometern hinter den Hügeln und ist nicht mehr wirklich lokales Essen.
Im Gasthaus selbst hatten sie voll zu tun, denn neben uns, als einziger Kleingruppe, waren zwei grosse Gruppen im Haus, die bewirtet werden wollten. Die eine Gruppe mit vielen Kindern machte sich bald auf den Heimweg, aber eine Herrengruppe aus dem anderen Raum, kam noch feuchtfröhlich an unseren Tisch um zu fragen, was wir denn hier so suchen würden. Letztendlich stellte sich als Gruppe lokale Politiker heraus (wir besitzen jetzt tatsächlich das Visitenkärtchen vom Bürgermeister der Kihoku-Gemeinde 😉 ). Ein anderer Mann, ein ehemaliger Abgeordneter des Repräsentantenhauses, der mit Thom schon das Badewasser geteilt hatte, war der einzige weitere Übernachtungsgast, und so setzte er sich noch zu einem Sake zu uns. Soweit wir folgen konnten, kannten sich plötzlich alle um zwei, drei Ecken, was uns zwar fasziniert, aber nicht mehr weiter erstaunt hat. Japan ist zwar gross, aber hin und wieder sehr, sehr klein. Über einige Bekannte ist man hier sehr schnell verbandelt.
Die Zimmer der Herberge waren ganz neu renoviert, wunderschön und rochen herrlich nach dem Duft japanischer Zedern. Ruhig war es sowieso. Einziger Knackpunkt: Im Tal war es recht kalt, und die japanischen Hauswände sind leider etwas dünn… Im Bett war es aber schön warm.