Ehime Süd 2: Seiyo, Mima, Matsuno, Shirokawa / 西予、三間、松丸、城川

Am nächsten Morgen ging es planmässig weiter. Frühstück war um 7:30 Uhr, Aufbruch um 8:30 Uhr. Eine Fahrt von 20 Minuten führte uns nach Seiyo zum Ehime Museum für Geschichte und Kultur.

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Ein riesiges Museum auf dem Lande, ohne Auto nur umständlich zu erreichen, was wirklich schade ist. Denn das Museum ist sehenswert, und die Ausstellungen sehr anschaulich, wenn man etwas zur Geschichte und der Kultur der Präfektur Ehime erfahren möchte.

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Zwei Stunden waren im nu um, dann war schon wieder Zeit für das Mittagessen, diesmal in einem sogenannten „Michi no eki“ (道の駅), einem grossen, permanenten Bauernmarkt in der Gemeinde Mima.

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Lokale Produkte spielen in ganz Japan inzwischen eine sehr grosse Rolle, und – so wie wir das verstanden haben – unterstützt die Regierung sehr die Direktvermarktung landwirtschaftlicher Produkte. Es gibt inzwischen sogar ein richtiges Verzeichnis der Bauernmärkte in Japan.

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Dass wir in Awaji ganz spontan in einem (Higashiura) solchen Markt gelandet sind, war uns bisher nicht bewusst gewesen. Nun wissen wir, dass ein System dahinter steckt. In den Städten gibt es zwar Wochenmärkte, aber auch spezielle Markthallen, die Produkte lokaler Anbieter verkaufen. Imai-san hat uns einen in Matsuyama gezeigt.

In den sehr zersplitterten Gemeinden hat man feste Märkte bzw. Markthallen geschaffen, auf denen die lokalen Bauern ihre Produkte vermarkten. Alles ist frisch, und man hat durch die vielen Anbieter wirklich eine grosse Auswahl.

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Die Märkte liegen überwiegend an frequentierten Präfektursstrassen/-kreuzungen, denn Japan ist (leider?) sehr autophil… Ergänzend werden noch die ortsüblichen Mengen an lokalen Spezialitäten (O-Miyage, Mitbringsel) angeboten, und fertig ist der Strassenmarkt. Auf dem grösseren Markt in Mima gab es sogar noch ein Selbstbedienungsrestaurant, wo Frauen aus der Umgebung kochten.

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Hier konnte man günstig richtige Hausmannskost, sog. katei ryōri (家庭料理) essen, das in Japan immer populärer wird. Für 900 YEN (umgerechnet CHF 7.50) löst man am Automaten ein Ticket, nimmt sich ein Tablett, und kann sich dann nach Herzenslust am Buffet bedienen. Tee/Wasser und Kaffee plus Kuchen sind inbegriffen.

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Dementsprechender Beliebtheit erfreut sich die Sache, das Restaurant war rappelvoll, und sogar draussen sassen die Leute noch. 14°C sind Temperaturen, bei denen hiesige Schulkinder in T-Shirt und kurzen Hosen auf den Sportplätzen herumlaufen. Die Schuluniformen der Mädels haben eh nur Röcke, die im günstigsten Fall bis zu den Knien reichen.

Ca. 20 Kilometer weiter östlich liegt dann der Ort Matsumaru (松丸), eine Autofahrt von ca. 20  Minuten. Um 13:30 Uhr trafen wir dort Imai-san’s Freundin Hitomi.

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Matsumaru, liegt an der JR-Bahnstrecke Yodo Linie in der Gemeinde Matsuno (松野町). Diese einspurige, landschaftlich sehr schöne Bahnlinie verbindet Uwajima mit der Pazifikküste, bzw. der Präfektur Kōchi. Mit diesem Züglein werden wir am Sonntag (13.12.) auch zu unserem nächsten Ziel Nakamura (Shimantogawa / 中村,四万十川) fahren. Tipp nebenbei: Ein Ausstieg aus der Bahn lohnt in Matsumaru deshalb, weil das Bahnhofsgebäude ein kleines Onsen beherbergt: Poppo-Onsen.  Aussteigen, im heissen Wassere entspannen, und wieder in den nächsten Zug steigen. Sehr verlockend! Jedoch wird das Bad derzeit renoviert, und wir trafen nur einen bitter enttäuschten Menschen an, der von der Schliessung offenbar nichts gewusst hatte.

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Hier sollten wir einen Einblick in die Kunst des Sake-Brauens erhalten. Imai-san hatte via Hitomi-san, die im Ort wohnt, ihre Beziehungen spielen lassen, und so erhielten wir von ihrem Nachbarn, dem Senior der Sakagura-Sakebrauerei (酒蔵) eine persönliche Einführung. Bisher hatte sich uns die Herstellung noch nicht wirklich erschlossen, es ist halt so geheimnisvoll wie die Herstellung des Weins. Nur dass Sake vom Prozess her eher dem Bier ähnlich ist. Momentan konnten wir alles aber leider nicht live betrachten. Die Sake-Produktion beginnt ab Januar.

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Das Wichtigste für einen guten Sake sind Reis und Quellwasser. Der Reis wird – je nach Qualität in unterschiedlichen Polierungsgraden – gekocht und dann mit Koji, einem speziellen Pilz geimpft. Dieser wandelt die Stärke des Reises zuerst in Zucker, und später in Alkohol um. Der erste, sehr süsse Sake, der noch keinen Alkohol enthält, nennt sich Amasake, und wird zu Silvester/Neujahr getrunken (siehe Silvester-Blogeintrag). Er ist nahrhaft und gesund, und kann sogar Babys (nach der Muttermilch) gegeben werden.

Guter Sake enthält natürlich nichts anderes als das oben genannte (Reinheitsgebot??), aber es gibt auch Billiganbieter, die fertigen Sake strecken und noch künstlich Alkohol hinzufügen. Letzendlich ist es wie beim Wein: Kaufen sollte man einfach nur beim Produzenten seines Vertrauens.

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Spannend war ein Besuch des ca. 50m langen Bergstollens, den der Vater des Meisters in den Berg gegraben hatte, um an gutes Quellwasser zu kommen. Dieses darf auf keinen Fall Eisen enthalten, denn das macht den Sake zu herb. Thomas und ich konnten bei der Quelle nicht mehr aufrecht gehen. Er ist halt von Japanern für Japaner gebaut. 🙂

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Und nachdem wir nun so viel dazugelernt hatten, mussten wir natürlich auch Sake kaufen, um das  Ergebnis schmecken zu können. 🙂

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Ein letzter Programmpunkt stand noch auf der Liste, die Shirogawa Gallerie im gleichnamigen Ort, wieder in der Gemeinde Seiyo. Dort war der letzte Tag einer Ausstellung: Kamaboko-Bilder (かまぼこ板の絵).

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Das war nun wirklich ganz neu für uns. Kamaboko heissen kleine, etwa 4×10 cm grosse Holzbrettchen, auf denen normalerweise ein Stück Fischpaste gelagert wird. Diese Kamaboko-Brettchen zu bemalen, hat sich in Japan zu einem kleinen, künstlerischen Volkssport entwickelt. Es gibt eine Vielzahl von Wettbewerben, und unter anderem schreibt auch die Shirogawa Gallerie jährlich einen aus.  Alle ca. 2500 Einsendungen waren ausgestellt, es war eine riesige Bandbreite zwischen den Ergebnissen, denn Thema und Gestaltung waren völlig frei. Zwischen Kindergarten und professioneller Gestaltung war fast alles möglich. Fotografieren durfte man in der Gallerie leider nicht. Schade, denn von einigen Kamaboko hätte ich sich eine Aufnahme wirklich gelohnt.

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Die Rückfahrt verlief dann schon in der Dämmerung. Ab 17 Uhr ist es in Ehime stockdunkel. Während der ganzen Fahrt hatte Imai-san dieselbe Musik laufen lassen, und da wir jetzt alle etwas müde geworden waren, fiel Thom und mir plötzlich die gemütliche, japanische Popmusik auf, die da so vor sich hinplätscherte, und die für uns relativ gut zu verstehen war. Nicht wortwörtlich, aber doch recht deutlich. Also kurze Frage zum Sänger: Es handelt sich um Oda Kazumasa (小田和正 ), einem Sänger schon reiferen Alters (Jahrgang 1947) mit erstaunlich heller Stimme, der in Japan offenbar die Hallen füllt. Kann man ihn vielleicht mit Udo Jürgens vergleichen?? Ein Riesenhit war der Titelsong der japanischen TV-Soap Tokyo Love Story.

Naja, jedenfalls gefiel uns das irgendwie, obwohl es sich um bedenklich schnulzigen, softigen „J-Pop“ (Japan-Pop) handelt… Soweit sind wir schon gekommen…

Imai-san-tachi versprachen uns, einen Abzug zu machen. Wir werden sehen, ob wir uns in Zürich über uns selbst wundern oder die „Tatamisierung“ unaufhörlich weiter fortschreitet. 🙂

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