Die letzten Tage … – 砥部焼、演奏

Montag hatten wir den ganzen Nachmittag frei, richtig ungewohnt viel Zeit, nur für uns. Toll! Die Lehrerinnen mussten alle zu einer Sitzung, und wir hatten auch einiges zu erledigen. Zum Beispiel mussten wir unsere JR Railpässe einlösen und den Zug für unsere Weiterreise am Samstag reservieren. Es ist ja der Beginn des O-bon-Fests. In der O-Bon-Woche ist ganz Japan unterwegs, um gemeinsam mit der Familie der Verstorbenen zu gedenken. Viele nehmen dann auch gleich Ferien. Und die öffentlichen Verkehrsmittel sind überfüllt.

Dann waren die ersten Pakete zu packen und aufzugeben. Es hat sich bereits einiges angesammelt: Gewürze, Porzellan, Tee & Zubehör und auch die ersten Päckchen der besten Reiscracker der Welt mit schwarzem Pfeffer der Firma Kingodo.

Und Hausaufgaben mussten auch noch erledigt werden, denn wie bereits erwähnt hatten wir ein ausgefülltes Wochenende und keine Zeit dafür. Gemacht werden müssen sie, da gibt es kein Entrinnen.

Samstag fuhren wir mit den Velos erst einmal nach Tobe, der Porzellanstadt, ca. 15km südlich von Matsuyama. Bereits vor zwei Jahren waren wir in brütender Hitze hingeradelt (s. Blogeintrag vom 17.8.2010).

Tobe

Weil ich einen der sehr schönen Bierbecher unseres bevorzugten Meisters gleich im  Herbst 2010 kaputt geschmissen hatte, musste nun wieder Ersatz her. Wir kamen früh los und waren nach einer knappen Stunde in Tobe.

Tobe-Empfang

Sehr viel Sightseeing war nicht drin, denn unser Zeitbudget war begrenzt. Um 16 Uhr waren wir mit Imai-sensei und ihrem Mann im Kaffee verabredet. Da sollten wir rechtzeitig wieder zurück sein, inklusive Einkaufen und Duschen.

Es ging wieder entlang der vierspurigen Ausfallstrasse nach Süden. Viel Verkehr, aber alle wollten auf die Autobahn, die nach 5km abzweigt. Danach war es ruhiger. Und auch im Industriegebiet gibt es noch interessante Sehenswürdigkeiten, zum Beispiel ein Ensemble alter Lagerhäuser, Orangenhaine oder hängende Kürbisse.

Lagerhäuser

Kürbisse

Mikan

In Tobe nahmen wir uns auch noch für ein neues Kulturgebäude Zeit, dass sich anstatt eines Porzellanmuseums als ein Dichtermuseum entpuppte.

Dichtermuseum

Der japanische Poet Sakumura Shinmin ist ein Sohn der Stadt, und ihm zu Ehren ist das Museum letztes Jahr eröffnet worden. Auch wenn wir nicht viel verstanden war es doch interessant, die Gedichte „anzuschauen“. In Japan ist ja alles auch Schriftkunst, und Kanji mit dem Pinsel zu malen ist nicht einfach. Seine Gedichte sind teilweise auch ins Englische übersetzt worden.

Danach radelten wir dann gleich zur ‚Töpferei unseres Vertrauens‘, Nishioka. Noriko-san vom EPIC hatte am Freitag extra noch angerufen und uns angekündigt. Alle waren da, sowohl der Meister, als auch seine Assistentinnen. Nach angemessener Begutachtungs- und Auswahlzeit schritten wir zum Kauf, und eine grosse Kiste wurde sorgfältig gepackt.

Einpacken 1

Eigentlich war der Plan, dass die Assistentin die Kiste zur Post fahren würde, und wir mit den Velos hinterher, um die Fracht gleich loszuschicken. Doch Tobe ist eine sehr kleine Stadt, und die drei Postämter sind samstags geschlossen, wie ein Anruf zeigte. Das hat uns doch etwas erstaunt. Immerhin: Die Geldautomaten wären noch zugänglich gewesen, was keine Selbstverständlichkeit ist.Denn auch die haben in Japan ihre „Arbeitszeiten“ (s. Blogeintrag vom 29.5.2009)

Grosse Ratlosigkeit. Es half nichts, die Kiste musste aufs Velo. Alles weitere wäre der totale Umstand gewesen. Zwar waren alle sehr besorgt, ob das auch gut gehen würde, aber wir haben schon ganz andere Dinge gemeistert (Weinfässer im ICE zum Beispiel …).

Einpacken 2

Nishioka-sensei

Blöd, dass wir unsere Gummizüge vergessen hatten, doch hatten sie eine grosse Rolle Schnur. Unter den zuerst kritischen Blicken des Meisters und seines anschliessenden Beistands wurde die Kiste auf Thom’ s Gepäckträger geschnürt. Wenigstens hatten alle ihren Spass. Und die Erleichterung, dass wir unsere Sachen gleich mitnehmen konnten, war ihnen auch anzumerken.

Einpacken3

Nach ein paar hundert Metern merkten wir aber: So ganz sicher ist das nicht. Thom musste noch etwas nachschnüren, das hielt dann gut bis nach Matsuyama.

Transport

Matsuyama

Dort fuhren wir auf direktem Weg gleich zur Hauptpost, um die kostbare Fracht auf die Reise zu schicken. Im Ausfüllen der Formulare sind wir inzwischen sehr geübt… 🙂

Matsuyama Main Post Office

Nach Einkaufen (Lebensmittel für Frühstück), Duschen und Umziehen waren wir dann pünktlich im Kissaten/Kaffee in der Ropeway dori, unserer Strasse (s. Blogeintrag vom 2.9.2010), um Imai-san und ihren Mann zu treffen.

Wer hat eigentlich behauptet, dass Japaner sehr zurückhaltend und förmlich sind? 🙂
Also in Matsuyama trifft man jede Menge erfrischender Ausnahmen. Junichii, der Mann unserer Lehrerin Imai, war sehr neugierig, uns kennenzulernen  und mehr über uns und unsere Motivation und Japan-Begeisterung zu erfahren. Wir hatten eine ausgesprochen muntere Konversation auf Englisch mit japanischen Einsprengseln über Europa, Japan und Reisen. Beide planen, im Oktober ebenfalls nach Tohoku reisen, allerdings möchte Junichii ein Auto mieten und einige der vom Tsunami zerstörten Küstenorte besuchen. Er hat uns sogar noch seinen Freund empfohlen, einen Reisbauern in Ichinoseki. Als Gartenfans hätten wir die Gelegenheit, mehr über den Reis- und Gemüseanbau zu erfahren. Es wäre sehr spannend, ihn zu besuchen, Ichinoseki liegt auf unserer Route und ein Stopp wäre im Prinzip machbar.

Um sechs Uhr verabschiedeten wir uns voneinander, und wir radelten zu unserer nächsten Verabredung mit Silvia, ihrem Mann und ihrer kleinen Tochter aus Bangladesh, wo wir ein sehr köstliches Bangladeshi Food zum Abendessen bekamen. Zuerst hatte ich ein schlechtes Gewissen gehabt, uns so spät (19:30 Uhr) angemeldet zu haben, nun stellte sich heraus: Es ist ja Ramadan. Silvia und Sakirul sind Moslems, und sie hätten früher nicht essen dürfen. Auch trinken ist übrigens nicht erlaubt bis Sonnenuntergang. Puh, und das bei der Hitze. Das würde ich nicht durchstehen. Sie meinten, es wäre reine Gewohnheitssache.
Beide haben ein Forschungsstipendium an zwei Universitäten in Matsuyama bis ins übernächste Jahr. Sie fühlen sich sehr wohl hier und möchten gerne weiter hier leben, was die Japaner allerdings nicht ganz so gut finden. Immigration ist ein heikles Thema in Japan. Wir drücken ihnen jedenfalls die Daumen.

Vor lauter Reden haben wir gar keine Fotos gemacht. Schade.

Sonntag früh ging es weiter: Um sechs Uhr aufstehen, und nach dem gemütlichen Start in den Tag (japanisches Frühstück, Starbucks) sassen wir um 9 Uhr in der Matsuyama City Hall beim Ehime Wettbewerb der Blasmusik-Schulorchester. Der Konzertsaal war Anfangs noch halb besetzt, füllte sich dann aber zunehmend.

Matsuyama City Hall

Matsuyama City Hall 2

Das Niveau der maximal 50köpfigen Kapellen war wirklich beachtlich. Sie spielten jeweils ein Pflicht-  sowie ein Wahlstück. Wir erwarteten „Blasmusik klassisch“, also „Umtata-Stil“ und wurden von modernen Stücken (Richard Strauss etc.) überrascht. Lustig war vor allem auch das Drumherum. Wenn eine Schule fertig gespielt hatte, wurden die Türen des Saals geöffnet, und ein hektisches Rein- und Rauslaufen begann. Thom mutmasste, der Austausch lag vor allem aus dem Wechsel der jeweils zugehörigen Freundes- und Elternschaft… Fotografieren und Aufnahmen waren leider streng verboten. Die zierlichen, ca. 1.60m grossen Mädels, die kräftig in ihre genauso grossen Tubas bliessen, hätte ich zu gerne festgehalten … 🙂

Irgendwo in der Menge erspähten wir Ryunosuke mit seiner Frau und wir gingen dann nach draussen. Es war sehr interessant, noch einige Erklärungen von ihm zu bekommen. Heute war die Ehime-Ausscheidung der Orchester, die Gewinner (?) würden sich für die Shikoku-Ausscheidung qualifizieren, und wiederum diese Gewinner können dann im Oktober bei den Besten Japans teilnehmen. Hui, dann sind die SchülerInnen die nächsten Wochen wirklich sehr gefordert. In Japan gibt es zwar Schulferien, aber unserer Meinung nach ist das blanke Theorie. Die Jungs und Mädels sind von Sport- und Musikaktivitäten sowie Nachhilfestunden die ganze Zeit absorbiert. Nix Ferien oder Urlaub, das ist etwas für Faulenzer.

Pepe

Ryunosuke und seine Familie werden wir am Mittwoch nochmals zu einem Bier treffen.

Um 11:30 Uhr eilten wir dann zum Matsuyama Mitsukoshi-Kaufhaus um uns mit unseren Lehrerinnen zu treffen. Das Restaurant, wo wir Essen gehen würden, lag etwas versteckt. Wir bekamen ein ausgesprochen feines und sehr reichhaltiges Menü zu günstigem Preis mit allem, was die gute japanischen Küche so hergibt: Miso-Suppe, Tempura, kleine Leckereien, o-Sushi… Und die Konversation war natürlich nur Japanisch.

Hirugohan2

Links übrigens Inoue-san (die Teemeisterin), in der Mitte Imai-san. Das Gesicht rechts sollte allgemein bekannt sein. Und hier wir beide mit der dritten Lehrerin, Tamai-san.

Hirugohan1

Da wir wieder keine Chance hatten, uns an der Rechnung zu beteiligen, luden wir – wie vor zwei Jahren, die Geste ist alles – alle wieder in das edle Kaffee ein, wo es im August immer einen sehr feinen Blauberkuchen gibt. Ja, auch in Ehime kann man sie kaufen, z.B. im Supermarkt. Die kleinen Schälchen mit ca. 250 gr. gehören aber eher zur teureren Sorte Obst. Daher waren die  Lehrerinnen angesichts unserer Garten-Heidelbeeren im Fotobuch auch so begeistert.

Heidelbeeren

Beim gemeinsamen Gang zurück entführte uns Inoue-san noch in einen Kimono-Laden, um zu testen, ob es einen passenden Yukata für mich geben könnte. Wir hatten davon gesprochen, dass ich gerne mal einen probieren würde.
Und sie hatten wirklich einen da, der lang genug war. Nun grüble ich noch, ob ich mir so einen leichten Sommer-Kimono zulegen soll. Er wäre erschwinglich und sähe im Prinzip gut aus, wie alle versicherten. Es wäre  schön, einen zu haben für ein paar „Indoor“-Gelegenheiten… Auf die Strasse würde ich mich damit aber nicht getrauen, das wäre mir doch zu peinlich.
Bei einem von Yoshikos Japan-Abenden (September 2010) hatte ich die Gelegenheit, mich von Chie-san, einer professionellen Kimono-Ankleiderin in Zürich, tatsächlich mal in einen Kimono wickeln zu lassen. Alleine kann man den nämlich gar nicht anziehen.

Interessanterweise hat der Yukata im Laden ein ähnliches Design: Schwarz mit Blumen drauf.  Morgen werden wir dem Laden also nochmals einen Besuch abstatten. 🙂

Thom und ich gingen anschliessend nach Hause und war froh, ein paar Stunden Pause zu haben. Schliesslich mussten wir auch mal Wäsche waschen und noch ein paar Hausaufgaben erledigen. Denn um 7 Uhr würden wir wieder losziehen, und uns mit Tamai-san und Imai-san am Iyotetsu-Bahnhof (private Linie) treffen, um zum Hanabi (Feuerwerk) nach Mitsuhama zu fahren.

Der Bericht folgt in Kürze…

 

 

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