Ein Ausflug nach Kashima (Saga) war Thoms Idee. Vermutlich hat er im Zuge unserer Reisevorbereitungen die informativen Webseiten der Präfektur Saga etwas zu gründlich durchgearbeitet. Ein Ausflug von Nagasaki aus schien lohnenswert. Es gibt einen grösseren Schrein, gleich mehrere Sake-Brauereien und alte Häuser zu besichtigen.
Also packten wir am Samstag (9.12.) nach einem obligatorischen Starbucks-Kaffee am Bahnhof unsere Velos in ihre Taschen und fuhren mit dem «Kamome» Expresszug von Nagasaki nach Hizen-Kashima. Hizen ist der alte Name der grossen Provinz, die zu Beginn der Meiji-Ära in die heutigen Präfekturen Nagasaki und Saga aufgeteilt worden ist. Für den Ausflug in die Nachbar-Präfektur mussten wir also kein allzu schlechtes Gewissen haben. 🙂
Am Bahnhof Kashima war bei unserer Ankunft erst einmal nicht viel los. Schliessfächer fürs Gepäck (bzw. unsere Velotaschen) gibt es dort nicht, dafür am Busbahnhof gleich gegenüber. Dort befindet sich auch das Touristenbüro, wo man eine Karte, Beratung und sogar Leihvelos erhält. Die freundliche Dame dort war entzückt: Zwei Japanisch sprechende Langnasen aus der Schweiz, die zum Inari-Schrein radeln wollten, aber das Fahrrad gleich selbst mitgebracht hatten. Das ist natürlich schwer zu toppen. 😉
Immerhin bestätigte sie, dass der Weg ganz einfach zu finden war. So machten wir uns auf die ca. 5 km lange Tour. Zuerst an der Strasse 207 entlang, und nach dem Fluss auf die 282. Alles ist gut ausgeschildert, und die breiten Gehwege bieten Platz für entspanntes Fahren.
Nach den Stadttagen tat so ein Landausflug mal wieder richtig gut. An der schönen frischen Luft, in der Ruhe und inmitten der weiten Felder kann man mal wieder durchatmen. Und man entdeckt wieder allerhand Interessantes. Zum Beispiel eine Packstation für den Weisskohl, den wir in den Hotels immer als Salat zum Frühstück bekamen (und im Appartement selbst zubereiten).
Der Kashima Yūtoku Inari Schrein ist einer der bekannteren Inari-Schreine Japans, und das sah man ihm durchaus an. Zuerst durchläuft man (wie gewohnt) eine Verkaufsstrasse mit Omiyage, die eine beeindruckende Länge aufweist. Auch der grosse Parkplatz auf der anderen Strassenseite liess darauf schliessen, dass es sich um einen ziemlich gut besuchten Schrein handeln muss. Alles wirkt sehr gut gepflegt und herausgeputzt. Sogar einen edlen gläsernen Aufzug für Gehbehinderte (oder Lauffaule) gibt es. Dieser Service kostet allerdings etwas.
Wichtiger für uns waren die beiden kleinen Steinpferdchen links und rechts der Treppe, ein männliches und ein weibliches Exemplar. Es heisst, dass man, um an einem kranken oder schmerzenden Körperteil zu gesunden, das entsprechende Teil am Pferdchen tüchtig reiben sollte. Selbstverständlich nach einem ordentlich unterstützenden, finanziellen Obolus ins Kässeli.
Na da liessen wir uns doch nicht lumpen: Thom rieb seinem Pferd tüchtig den Lendenbereich wegen seines akut schmerzenden Rückens, und sicherheitshalber streichelte ich mal das ganze Tier ab. Irgendwo zwickt es ja immer, und schaden tut es ja nicht. 🙂
Am Abend zuvor hatte sogar ein Schreinfest stattgefunden, das Shuki Taisai Festival, die Feuerzeremonie. Schade, dass wir nur noch die Reste des grossen Feuers sehen konnten.
Nach dem Hauptschreinsgebäude (Gohonden) liefen wir den Weg hoch auf den steilen Hügel zum Okunoin, einem weiteren kleinen Schrein. Wobei man von Weg nur teilweise sprechen kann, denn der Aufstieg über die unregelmässigen, hohen Steinstufen ist ordentlich, und man kommt gehörig ins Schwitzen.
Aber es lohnt sich, denn von oben hat man eine phantastische Aussicht auf das Umland und die Ariake Bucht.
Als nächstes stand die Gemeinde Hizen-Hama der weitläufigen Stadt Kashima mit den Sake-Brauereien und alten Handelshäuser auf dem Programm. Gleich hinter der Kreuzung der Strassen 207/283 stoppten wir beim ersten Sake-Hersteller, Sachihime.
Eine freundliche Angestellte fing uns gleich ab, war sehr erleichtert, dass wir etwas Japanisch sprechen und fragte uns sofort, ob wir gerne die Brauerei besichtigen wollten. Aber klar doch! Und sie waren auch grade am Abfüllen. So konnten wir zwischen den grossen Bottichen durchspazieren und bekamen den Brauprozess ganz ausführlich erklärt, wobei das sprachlich ziemlich herausfordernd war… Zur Sake-Probe kam dann die Chefin höchstpersönlich, sie sprach etwas Englisch und erklärte uns voller Stolz, dass die Brauerei auch den Yūtoku Inari Schrein belieferte. Wir wollten dann den eher trockenen Sake probieren (zu süss mögen wir weniger) und sie goss uns etwas skeptisch ein. Denn schliesslich waren wir ja mit dem Velo da und mussten noch fahren. Und auf Japans Strassen gelten 0 Prozent. Aber unsere Organe sind ja gut trainiert, da würde uns ein Schlückchen nicht umwerfen. 🙂
Nach zwei weiteren Proben war der Kauf perfekt. Neben einem Sake nahmen wir auch noch eine Flasche Amazake (süsser Sake) plus eine Flasche Umeshu (Pflaumenwein) mit. Zusätzlich bekamen wir noch zwei hübsche Porzellanplättchen dazu geschenkt. Die Japaner sind einfach unglaublich. Ich ärgerte mich masslos, dass ich die extra für solche Gelegenheiten mitgenommene Schweizer Omiyage-Schoggi in Nagasaki vergessen hatte. Aber ha, ich würde sie ihnen einfach per Post schicken und damit auch keine Chance auf ein Gegengeschenk zulassen!
Schon gut bepackt radelten wir entlang der Strasse weiter zum Ortsteil Hama (浜町), wo sich die alten Händlerhäuser und weitere Sake-Brauereien befinden. Eine kam auch gleich in Sicht, und wir hielten an, um in unsere Touristenkarte schauen. Auch hier wurden wir von einem Mann, der aus dem Haus herauskam, freundlich gefragt, ob wir Interessen hätten, das Koji zu sehen (bzw. den gärenden Reis mit dem Koji). Oh, das Koji, aber gern! Hatten sich die Brauereien in Kashima auf eine Charme-Offensive geeinigt?? Wir waren wirklich sprachlos von soviel Offenheit.
Ein paar Minuten später führte uns Tomy (wie sie sich vorstellte) von der Fukuchiyo Brauerei (冨久千代) in die speziell gekühlten Räume (ca. 5°C), wo in grossen Bottichen (3m Höhe, ca. 2m Durchmesser) die weisse, schäumende Masse gärte. Der Geruch war schon vielversprechend! Fotos konnten wir verständlicherweise nicht machen. Und Probieren war leider auch nicht möglich, denn sie waren dabei, ihren Probierraum nach einem Umbau neu einzurichten.
(Foto von Fukuchiyo)
Immerhin funktionierte die englisch-japanisch Konversation mit Tomy prima, und so stellte sich heraus, dass mehrere Sake der Brauerei preisgekrönt sind. Hoppla, das erklärte also auch das ganze edle Ambiente und die edle Kellertechnik. Uns schwante langsam, dass wir bei Nabeshima (so der Name) da zufällig in eine Art «Chateau Margaux» der Gegend gestolpert waren…
Der junge, etwas schüchtern wirkende Braumeister kam auch noch vorbei und erzählte uns, dass die vielen verschiedenen Sake, deren Flaschen im Showroom edel aufgereiht waren, sich durch diverse Reissorten bzw. deren Polierungsgrad unterschieden (s. auch https://www.shizuku.ch/de/wissen/sake). Das mit dem Polieren hatten wir gewusst, aber das mit den speziellen Sake-Reissorten war uns neu. Spannend!
Obwohl sie eigentlich nichts verkaufen in der Brauerei (Interessenten bekommen eine Adressliste von Händlern in die Hand gedrückt), machten sie bei uns «Schweizern» eine nette Ausnahme. Also wenn schon, denn schon, dann mal preisgekrönt. Unsere bisher teuerste Flasche. Da mussten wir jetzt gut drauf aufpassen… Zwei Sake-Probierbecher bekamen wir auch noch geschenkt. Tomy würde selbstverständlich auch eine Schweizer Schoggi zugeschickt bekommen, das war sicher.
An den weiteren Sake-Brauereien radelten wir dann vorsorglich vorbei – leider. 😉 Unsere Ladekapazität war so oder so ausgereizt, und es war auch schon später Nachmittag, so dass wir uns nach der kleinen Besichtigungs- und Fotorunde durch den hübschen, traditionellen Ortsteil wieder auf den Rückweg machten.
Die Hauptstrasse mit den alten Häusern und die mit Stroh bedeckten Häuser mit den schmalen Gassen in der Nähe des Flusses sind gut erhalten und gepflegt. Die Gemeinde scheint bemüht zu sein, ihr schönes Erbe zu erhalten.
Das Wetter hatte inzwischen ziemlich zugezogen und es wurde auch wieder recht kalt. Die kleine, gewärmte Wartehalle des Bahnhofs Kashima war daher gut besucht von allen wartenden Fahrgästen. Da wir mit unseren Faltvelos & Flaschen recht bepackt waren, standen wir aber doch lieber überpünktlich auf dem Bahnsteig.
Der weisse Kamome brachte uns wieder nach Nagasaki zurück und alle Sake-Flaschen kamen wohlbehalten in unserem Appartement an. Aufs Probieren waren wir schon gespannt!