Ehime haben wir inzwischen ein bisschen kennengelernt. Was schon lange auf unserem Ausflugsplan stand, war ein Ausflug nach Imabari, ca. 45 Zugsminuten nördlich von Matsuyama an der Küste. Imabari war früher – ähnlich wie Takamatsu – eine wichtige Fährstadt mit Verbindungen zu den Seto-Inseln dort. Nach Bau der Shimanamikaido, einer Schnellstrassenverbindung über mehrere Inseln und Brücken der Seto-See hinweg, hat der Hafen zumindest seine Bedeutung für den Verkehr verloren. Wichtig in Imabari ist in jedem Fall die grosse Werft in der Nähe, wie das eindrucksvolle Monument beweist.
Die Shimanami-kaido, wörtlich übersetzt die „Insel-Wellen-Meer-Strasse“ ist übrigens auch als Veloroute bekannt. Die 60 Kilometer lange Strecke haben wir 2009 zumindest zu Dreivierteln geschafft (s. Blogeintrag 2009).
Imabari ist in Japan zudem bekannt für die Produktion von Frotteestoffen (Imabari towel industry). Man bekommt sie zwar überall, aber nachdem wir gelesen hatten, dass es ein „Towel Museum“ gibt, wollten wir da doch mal direkt schauen gehen. Produktion und Herstellungsprozesse interessieren uns sehr. Imabari hat zudem noch ein kleines Schloss. Vom Rest würden wir uns überraschen lassen.
Leider gab es dann gar nicht so viel Rest: Die Stadt wirkte an diesem Freitag wie ausgestorben, der Leerstand der Geschäfte bzw. auch der kleinen überdachten Einkaufspassage war dramatisch, und wir fragten uns, wo sich das Leben in der Stadt abspielt. Immerhin steht am Hafen ein neues, architektonisch interessantes Hafengebäude.
Die mit einem einheitlichen Muster bemalten Fischerboote sahen hübsch aus. Daneben flickte ein Fischer sein Netz.
Am Hafengelände weiter östlich schenkten wir einem Hinweisschild auf den „Imabari Texport“ erst einmal keine Beachtung. Dazu gleich mehr.
Das kleine Schloss gehört zu den in Japan bekannteren „Wasserschlössern“, also eines von dreien, die mit einem grösseren Burggraben umgeben sind. In Imabari wird dieser vom Meer gespiesen.
Mit Koi-Karpfen-Fütterung ist also nichts. Dafür haben die Kormorane hier ihre helle Freude und freien Fang. Dieser hier hatte einen immens grossen Fisch gefangen. Er kämpfte etwa 5 Minuten, um ihn vom Schnabel in seinen Schlund zu bugsieren. Wir hätten nicht gedacht, dass er den hinunterbekommt. Hat dann aber funktioniert, und wir konnten den dicken Fisch in den Magen wandern sehen…
Das Schloss ist, wie so viele andere, zerstört worden. Zur Abwechslung mal nicht im Zweiten Weltkrieg durch die Bombardierungen, sondern von der Meiji-Regierung (ca. 1870). 1980 hat man es wiederaufgebaut, jedoch nicht – wie etwa in Ozu und Matsuyama – nach alter Technik, sondern aus Beton. Im Innern befinden sich – wie auch so oft – zwei Museen. Darauf hatten wir an diesem Tag keine Lust, gegebenenfalls lohnt die Fahrt mit dem Lift der Aussicht wegen.
Der nebenan gelegene Shinto-Schrein war uns dagegen schon sympathischer, denn dort standen Sake-Fässer unserer bevorzugten Imabari Sake-Brauerei. 🙂
Trotz des ruhigen Tages war der Priester sehr beschäftigt: Ein neues Auto musste geweiht werden (mit dem grossen Papierwedel), und eine kleine Familie mit einem Säugling wartete schon auf den Einlass zum ersten rituellen Schreinsbesuch, dem Miyamairi (宮参り).
Daher kehrten wir zurück zum Bahnhof und packten unsere Velos, die selbstverständlich mitgekommen waren, wieder in ihre Taschen, um uns „in die Nähe“ des Ichiro Towel Museums bringen zu lassen. Für die Zugsfahrt stiegen wir in einen sogenannten „Wanman“-Zug. Wanman = One-man, also ein Bus auf Schienen.
Man zieht beim Einstieg (nur bei der hinteren Tür!) wie in den japanischen Bussen einen Zettel, auf der die Nummer des Einstiegsbahnhofs gedruckt wird.
Beim Ausstieg schaut man auf der Preistabelle über dem Führerstand, wie viel man bezahlt, und wirft das Geld dann passend beim Fahrer in die Geldmaschine (noch knapp zu erkennen, der Bildschirm vorne oben).
20 Minuten später standen wir dann irgendwo im Niemandsland und radelten in Richtung Towel Museum. Angeschrieben war nichts, aber wir hatten eine Karte dabei. Die Strasse ging natürlich den Berg hoch, war schmal und relativ stark mit LKW befahren. Zum Schluss folgte dann noch ein 500m langer Tunnel. So was liebe ich überhaupt nicht. Die Hinweise unserer Lehrerinnen und der Dame in der Touristeninformation, man sollte in jedem Fall ein Taxi nehmen, waren schon halb eine Warnung gewesen… Aber immerhin haben wir es geschafft.
Umso frustrierender war es dann, dass sich dieses Towelmuseum als eher grosser Verkaufsshop einer einzigen Produktionsfirma (Ichiro) herausstellte. Vom Produktionsprozess sah man nicht viel. Man durfte durch ein Schaufenster mit viel Abstand den sehr grossen Maschinen (übrigens von Toyota, siehe Blogbeitrag vom 18.4.2009) zuschauen, wie sie vor sich hinwebten, mehr auch nicht.
Wer auf Merchandising-Frotteewaren steht (Mummins, Peanuts etc.), ist dort vielleicht gut bedient. Uns hat das übrige Desig eher enttäuscht, da hatten wir ja im schönen Laden gegenüber unserem Appartement in Matsuyama Schöneres gesehen. Zumal die Imabari Towels, zumindest die hochwertigeren Stücke, so billig auch nicht sind.
Abschreckend waren auch die Busladungen an japanischen und chinesischen Touristen die dort durchgeschleust wurden.
Also rasch wieder zurückgeradelt (bergab ging nun ganz schnell) und (mit Umstieg in Imabari) wieder zurück nach Matsuyama.
Thomas hat dann am Abend nochmals recherchiert. Wir hätten besser getan, direkt in Imabari zum neuen Imabari Texport zu fahren. Dort wird Ähnliches geboten, jedoch von mehreren Anbietern und wohl auch einem interessanteren Produktionbereich zum Schauen. Das war im Vorfeld so nicht ganz klar gewesen, und nicht viele scheinen das zu kennen. Ichihiro ist halt noch der Platzhirsch. Aber nun sind wenigstens wir schlauer und geben den Tipp weiter. Auf Tripadvisor habe ich das auch eiskalt so geschrieben. 😉