Alltag

Unser Alltag mit Unterricht hat am Montag angefangen, die Zeit geht vorbei wie nichts und die erste Woche ist schon vorbei. Nun bin ich etwas im Stress… 🙂

In Matsuyama herrscht der totale Sommer, unsere Ventilatoren alt und neu brummen um die Wette. Die letzten Tage waren es 35°C, heute sollen es 36°C werden und die  Vorhersagen sprechen von bis zu 38°C …  Uff. Damit ist die Hitze schlimmer als vor zwei Jahren. Trotzdem kommt es uns nicht so vor, vielleicht weil es weniger schwül ist. In jedem Fall wird sich unser Appartement unter dem Dach noch mehr aufheizen.
Na ja, wir wussten ja, auf was wir uns einlassen.

Zwar kam vorgestern – wegen eines Sturmtiefs über Kyushu – mal ein 10minütiger Regenschauer herunter, aber der wirkte eben eher wie ein Saunaaufguss, denn die  Temperaturen gehen hier bei Regen ja nicht wirklich runter.

Unser Tagesablauf sieht nun folgendermassen aus:
Momentan haben wir den Wecker auf 6 Uhr gestellt, damit wir genügend Zeit haben, in Ruhe den Tag zu beginnen. Selbst Thom duscht momentan kalt, das ganze hält dann für ca. 5-10 Minuten, danach fängt – in der Hitze des Dach-Appartements –  alles wieder an zu fliessen… Trotzdem bereiten wir unser warmes/gekochtes japanisches Frühstück zu.

Asa-gohan

Während des Essens läuft im Fernsehen das NHK Kinderprogramm. Ungefähr für 3-8jährige, also das einigermassen kompatible sprachliche Niveau für uns.  🙂
Da das Kinderfernsehen sehr pädagogisch ausgelegt ist, lernen wir sogar noch ein paar Sachen dazu. „Hanakappa“ (s. Blogeintrag vom 12.9.2010) läuft immer noch, auch „Mitsuketa“. Neu ist „O-tetsudai robo“ unser diesjähriger Favorit. Da bekommen die kleinen Kinder gezeigt, wie toll es ist, seiner Mama zu helfen.

Danach müssen wir bei Starbucks an der Okaido (der grossen Einkaufspassage) unseren täglichen Morgenkaffee trinken. Da kommen wir ja immer etwas in Rechtfertigungszwang: Starbucks??? Nein, der Kaffee schmeckt wirklich viel besser als in der Schweiz, echt wahr. Woran das liegt wissen wir eigentlich auch nicht genau. Vielleicht an der speziellen Milch, die sie hier benutzen. Vielleicht an anderem Kaffee. Wir finden ihn echt gut.

Starbucks2

Und die Angestellten, deren Gesichter wir nach zwei Jahren erkannten, haben sich auch begeistert an uns erinnert, total nett. Nun bekommen wir unseren Kaffee immer mit einer kleinen „Aufmerksamkeit“.

Starbucks1

Gut, dass Matsuyama eine „Kleinstadt“ ist.

Das wir unsere Birdys unverschämterweise im Velo-Halteverbot parken ging gleich am Montag schon mal nicht gut aus: Wir haben uns erneut einen „Hinweiszettel“ eingefangen: Parkverbot!!!! (s. Blogeintrag vom 20.3.2009 )

Verwarnung

Unsere Lehrerinnen waren ganz entsetzt. Natürlich kennen wir das Katz- und Maus-Spielchen mit der Parkerei schon, aber das es uns schon am ersten Tag erwischt, war uns doch etwas peinlich. Wir halten es also folgendermassen: Stehen schon ein paar Velos da, mischen wir uns drunter. Steht keines da, so suchen wir uns kurzfristig einen anderen (illegalen) Platz. Alle machen das so. Was das Velofahren angeht, so scheint das in Japan sowieso der Raum mit der grössten Rechtsfreiheit zu sein.

Dann geht es wieder zurück nach Hause und wir bereiten uns auf unseren Unterricht vor, der um 10 Uhr beginnt. Diese gute Stunde kann auch mal zum Blogschreiben genutzt werden, dann natürlich mit seeehr schlechtem Gewissen.
Zum EPIC, dem Ehime Prefecture International Center sind es dann knapp 10 Min. per Velo. Wir haben zwei Lektionen bis 11:30 Uhr, dann ist Mittagspause.

Im Allgemeinen verpflegen wir uns im Fuji-Supermarkt, der auf dem Weg zum Dogo-Koen (Dogo-Park) liegt.

Fuji

Dort gibt es viele leckere Sachen zum Mitnehmen: Sushi (mit Fisch und vegetarisch, Salate (Grün oder sehr japanisch mit Algen etc.), Tempura, O-Bento-Boxen, Obst, Getränke etc.. Leider artet solch eine Mittagspause immer auch in einer Plastik-Orgie aus. Mit schlechtem Gewissen stopfen wir es wenigstens in den korrekten Müllbehälter …

Hirugohan

Müll

Im Dogo-Park haben wir ein nettes Plätzchen gefunden, eine Bank im Schatten, auf der sich die Temperaturen einigermassen ertragen lassen. Immerhin weht – im Gegensatz zu vor 2 Jahren – der Wind. In der prallen Sonne wäre es nicht auszuhalten.

Das Wetter gefällt den Semi – den Zikaden – ausgesprochen gut, die machen einen Höllenlärm (s. Blogeintrag vom 23.8.2010). Es ist absolut unglaublich, wie diese Biester „aufdrehen“ können. Manche Exemplare haben die Qualität einer Kreissäge.


Semi live – am besten mit Kopfhörer „geniessen“ … 🙂

Zurück im EPIC haben wir dann von 13 bis dann bis 14:30 Uhr nochmals zwei Lektionen, die derzeit vor allem aus der Wiederholung von Grammatik bestehen. Sehr, sehr nötig. Da wir ja Japanisch mehr oder weniger im „Trockenkurs“ lernen und wenig Gelegenheit haben, aktiv zu sprechen, benötigen wir 3-4 Wiederholungen, um grammatische Regeln/Themen einigermassen zu beherrschen und anwenden zu können. In den letzten Tagen sind wieder einige Groschen gefallen, was ausgesprochen motivierend wirkt.

Thom fährt dann nach Hause, um Hausaufgaben machen und selbst weiter zu lernen. Ich habe noch zwei zusätzliche Privatstunden „Alltag und Kultur“ gebucht. Will heissen, ich unterhalte mich mit den Lehrerinnen über Themen wie Kochen, Alltag, Haus & Garten etc.. Offiziell von 14:45 bis 16:15 Uhr,  aber es auch mal bis 17 Uhr bzw. 17:30 Uhr gehen, wenn wir eine Exkursion in den Supermarkt oder ein Teegeschäft machen.

Inoue-san

Thom hält das Programm für absolut wahnsinnig und viel zu viel. Für mich ist es grade richtig, auch wenn mir hinterher ziemlich der Kopf schwirrt und sich die Fehlerquote häuft. Und die Hausaufgaben muss ich ja auch noch machen.

Aber wann werde ich die nächste Zeit nochmals die Gelegenheit haben, viel Japanisch zu sprechen und hinter einige Mysterien des japanischen Alltags zu kommen? Zum Beispiel was man bei Tisch und mit den Essstäbchen bloss nicht machen soll. Was man in den verschiedenen Jahreszeiten so isst. Was der Unterschied zwischen roter und weisser Misopaste ist und wie man sich in deren mindestens 30 Sorten im Supermarkt-Regal zurecht findet. Warum ein sehr schöner „Chawan“, ein Becher für die Teezeremonie, CHF 30 oder das 200fache kosten kann. Warum in den Supermärkten grade so komische bunte Teile verkauft werden, die man gar nicht essen kann sondern nur verschenkt (fürs Obon-Fest …).

Das könnte man vielleicht teiweise auch auf Wikipedia recherchieren, aber ich stehe mehr auf Praxis als auf Theorie, und es macht viel mehr Spass.

Inoue-sensei zum Beispiel weiss über alle Tee-Fragen sowieso bestens Bescheid, sie ist Tee-Meisterin. Wegen ihres kaputten Knies kann sie allerdings nicht mehr knien und daher keinen Unterricht mehr geben. Bei unserem Garten-Tee-Ausflug in das Ryokan-Hotel Funaya (dem ältesten Ryokan in Dogo-onsen, jetzt ein sehr edles Hotel) haben wir nicht nur Macha getrunken, sondern sie konnte mir natürlich auch die Bedeutung der rosefarbenen dekorativen Süssigkeit (sehr, sehr lecker) erklären.

P1050058

Macha

Diese speziellen Süssigkeiten zum Macha stecken voller Symbolik, die man ohne Erklärung natürlich nie erkannt hätte. Dazu mehr mal später.
Und wenn man dann noch mit Inoue-san ins Teegeschäft geht, gibt es sogar noch einen Rabatt … 🙂

Was das Abendessen angeht, so haben wir uns hier derzeit auf Nudeln festgelegt. Ob Soba, Somen oder andere Nudeln, hauptsache sehr kalt, mit japanischem Dipp, dazu etwas gekochtes Gemüse oder etwas Salat. Das ist einfach am angenehmsten bei der Wärme. Dazu gibt es meist ein kühles Sapporo-Bier. Auch Wein haben wir probiert, einen Muscadet sur Lie von der Loire, der sogar recht preisgünstig war.

Wein

In Japan gibt es (in Matsuyama bei Mitsukoshi) eine erstaunliche Auswahl an europäischen und japanischen Weinen. (Und speziell für meine Eltern: Da stand sogar ein Rosé der Domaine de la Mordorée aus Lirac (F) im Regal! Zwar zum 3fachen des europäischen Einkaufspreises, aber immerhin.)

Morgen ist Wochenende, und wir haben volles Programm. Samstag wollen wir einen Ausflug nach Tobe (s. Blogeintrag vom 17.8.2010) machen, dem Porzellanstädtchen. Sehr gefährliches Terrain für uns, denn wir werden natürlich immer sehr schwach, wenn es um japanische Porzellanwaren geht. Aber nachdem ich einen unserer sehr schönen, 2010 gekauften Bierbecher kaputt gemacht habe, muss natürlich Ersatz her…

Am späten Nachmittag treffen wir uns mit Imai-san, unserer Lehrerin, die uns mit ihrem Mann bekannt machen möchte, zum Kaffee in einem richtigen japanischen „Kissaten„. In diese etwas speziellen Kaffees haben wir uns bisher noch nicht reingetraut …

Abends sind wir bei Silvia eingeladen. Wir haben sie vor drei Jahren bei unseren ersten Intensiv-Kurs kennengelernt.

Kurs 2009

Silvia, links neben Thomas sitzend,  ist aus Bangladesh, Zahnärztin, und ist für ihr post masters degree wieder nach Matsuyama zurückgekehrt. Die beiden Universitäten hier (Matsuyama City und Ehime Universität) pflegen ein reges internationales Austauschprogramm. Es gibt hier viele Studierende aus Bangladesh und Sri Lanka. Nach einem Jahr Aufenthalt in ihrer Heimat, wo sie eine Tochter bekam, ist sie mit ihrem Mann zum Studieren zurückgekehrt.
Für solche Momente bin ich Mark Zuckerberg bzw. Facebook wirklich sehr dankbar. Nur mit Mails hätten wir den Kontakt vermutlich nicht halten können.

Sonntag früh schauen wir für 2 Stunden einem öffentlichen Schulorchester-Wettbewerb zu, an dem wir von Ryunosuke Abe, einem hier lebenden Musiker, eingeladen worden sind. Falls jemand den japanischen Film „Swing Girls“ kennt: Vielleicht hat das Ähnlichkeit? Keine Ahnung, es wird bestimmt interessant.
Ryunosuke spielt Posaune und Euphonium, hat lange in Europa (Frankreich) gelebt,  musiziert immer wieder weltweit und spricht daher sehr gut Englisch. In Matsuyama, seiner Heimatstadt, ist er nicht mehr so recht glücklich. Er hofft auf eine Anstellung in einem klassischen Orchester in Europa.

Um 11:30 Uhr treffen wir dann alle unsere Lehrerinnen zum Mittagessen, und abends fahren wir mit ihnen nach Mitsuhama, wo um 20:00 Uhr das grösste Feuerwerk von Shikoku abgefackelt wird. Dauer: 1:20h!

Hanabi

Keine Ahnung, wann ich da zum nächsten Blogeintrag komme… 🙂

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