Diesen Tag (Di, 28.10.) wollten wir uns Yamagata, der Hauptstadt der gleichnamigen Präfektur widmen. Leider unterschätzten wir die Sache – wie öfters mal. Aber von vorne.
Den Bahnhof Yamagata, an dem wir an diesem Tag nach zehnminütiger Fahrt ab Tendō ankamen, kannten wir dumpf aus früheren Zeiten (s. Blogbeitrag 2012). Das hat sich im Laufe der Zeit verändert, aber interessanterweise gab es noch das Soba-Restaurant, welches wir damals besucht hatten. Nun begrüssten uns die herbstlichen japanischen Riesen-Chrysanthemen, die Werbung machten für das Nanyo Chrysanthemen Fest in der südlich von Yamagata gelegenen Stadt. Diese beeindruckenden Riesenzüchtungen für Deko-Zwecke sieht man häufiger zu dieser Jahreszeit.

In Yamagata wollten wir noch ein weiteres Postpaket aufgeben. Bis und mit unseren legendären Covid-Ferien 2020 hat das recht komplikationslos funktioniert, und wir waren schon recht routiniert im Einpacken, dem handschriftlichen Ausfüllen der Formulare und der Deklaration des Inhalts. Inzwischen ist dies (aufgrund der Bestimmungen des Weltpostvereins) viel komplizierter, strenger und aufwändiger geworden. Mehr dazu in einem separaten Beitrag (folgt). Wir kamen also erst am späteren Vormittag in Yamagata an.
Erstmal suchten wir das winzige Postamt beim Bahnhof auf. Dort nahm es der freundliche Postbeamte wie üblich sehr genau, kontrollierte alles nach, und telefonierte dann wegen einer kritischen Sache (die Gemüsesamen!!) noch mit der Zentrale. Sie mussten wieder raus aus dem Paket. Dauer bis zur Bezahlung: eine gute halbe Stunde, aber dann würde das Paket auf seine Reise gehen. Es wird hoffentlich in 2-3 Monaten in Zürich ankommen.

Das Wetter war schwer durchwachsen, von bewölkt, über blaue und sonnige Abschnitte bis tüchtige Regenschauer war alles dabei an diesem Tag. Sicherheitshalber hatten wir vom Hotel Leih-Schirme dabei.
Zuerst versuchten wir, ab Bahnhof das Kunstmuseum zu finden, was an sich nicht so weit entfernt lag, aber leider verirrten wir uns etwas (peinlich, aber auch im Google-Zeitalter ist das möglich…) und drehten uns im Kreis. Und als wir dann endlich auf das Museum zusteuerten, schwante uns bereits, dass es uns heute nicht empfangen würde, denn es war geschlossen. Die freundliche Dame in der Touristeninformation hatte wohl auch nichts davon gewusst. 🙁

Immerhin war es vom Museum nicht weit zum einstigen, weitläufigen Schlosspark, dem Kajō Kōen (霞城公園). Bis auf einige wiedererrichtete Tore befinden sich dort Sport- und Freizeitflächen sowie auch das Yamagata Prefectural Museum


Und auch das alte Krankenhaus Saiseikan, welches auf unserer Liste stand. Das Holzgebäude ist von 1878 und beeindruckt durch seine aussergewöhnliche Form: Ein kreisrundes Gebäude mit Türmchen und grünem Innenhof. Es diente als Krankenhaus und auch als medizinische Fakultät, in der der österreichische Arzt Albrecht von Roretz japanische Studierende in moderner westlicher Medizin ausbildete.


In den Räumen ist nun das Heimatmuseum untergebracht, und man erfährt etwas zur Geschichte Yamagatas, des besonderen Gebäudes sowie zur Medizingeschichte. Zahlreiche alte medizinischen Labor- und Untersuchungsgegenstände sind ausgestellt, manche bereits ordentlich eingestaubt.



Als wir wieder am Gehen waren, wurden wir am Eingang gestoppt von einer ziemlich grosse Gruppe Schulkinder, die das Saiseikan im Rahmen ihrer Schulreise aufsuchten, und wir hatten so Gelegenheit zu schauen, wie alles lebhaft, aber diszipliniert ablief. Zuallererst mussten die 60 Kinder wie alle Besucher:innen die Schuhe ausziehen. Der Lehrer dirigierte die ganze muntere Bande, alle hatten sich Schläppchen oder Zweitschuhe mitgebracht, und die Schuhe wurden von allen ordentlich auf einer mitgebrachten Plane platziert. Bis sich dann alle in der kleinen Halle versammelt hatten, dauerte es also, was das Personal zu allerlei Entschuldigungen uns gegenüber veranlasste. Kein Problem, das Prozedere war recht lustig zu beobachten und bot auch die Möglichkeit zu einem hübschen Schuh-Stilleben. 😉


Von der Saiseikan spazierten wir dann gut 30 Minuten zum nächsten Programmpunkt, der Yamagata Bunshokan, einem 1916 im alten englischen Stil errichteten Gebäude, das uns wegen seiner grauen Silhouette ein bisschen an den Louvre erinnerte. Der Backsteinbau gleich daneben gehört ebenfalls zum Ensemble, beide Häuser sind miteinander durch eine Galerie verbunden. Man kann die alten Räumlichkeiten besichtigen, was wir aber aus zeitlichen Gründen nicht taten. Je ein Aussenfoto musste genügen.


Inzwischen waren wir schon recht fusslahm, rafften uns aber noch auf, zur zurück in Richtung Bahnhof liegende, und von der Tourismusinformation empfohlene «Mizu no Machiya Nanoka Machi Gotenzeki».
Zwischen modernen Gebäuden sind einige alte Stadthäuser (Machiya) entlang eines 400 Jahre alten Bewässerungskanal (Gotenzeki) rekonstruiert worden, in denen sich einige Restaurants und Geschäfte befinden. Im kleinen Obst- und Gemüseladen gab es eine hübsche Auswahl an frischen Sachen, und wir nutzten die Gelegenheit, noch einige Äpfel und Kakis zu erwerben, die uns als Proviant für unsere morgige Fahrt dienen sollten.

Obwohl es zum Bahnhof nur 1,5 km sind, fuhren wir diese mit dem Bus, denn unsere Knie gaben uns zu verstehen, dass dem Gehen genug war. Schade, wir hätten vielleicht doch besser die Velos mitgenommen. So war unser Radius etwas begrenzt.
Yamagata hat bei uns einen gemischten Eindruck hinterlassen. Die Stadt mit ca. 250’000 Einwohnern wirkt aufgeräumt und modern durch die zahlreichen, neueren Hochhäuser.


Nicht weit von der Gotenzeki entfernt baut die Yamagata Bank gerade einen hypermodernen Glas-Prachtbau. Dazwischen gibt es noch einige wenige alte Häuser, aber insgesamt nicht wirklich viele Sehenswürdigkeiten. Als Basisstation für Ausflüge in die Umgebung (z.B. nach Zao Onsen) ist die Stadt aber sicher o.k.
Wir hatten aber auch nichts dagegen, in das beschauliche Tendō zurückzukehren und in unserem schönen Onsen Hotel die lahmgewordenen Glieder zu entspannen. 😉